Drohende Ablenkung durch
Freundin
Online-„Chauvi“ van Wely fürchtet um seinen Vorteil in
Kuppenheim
Von Hartmut Metz
Loek van Wely ist vermutlich
nicht ganz der weltbeste Schachspieler – aber gewiss der lustigste und
schnellste Großmeister. Letzteres will er nicht nur am Freitag (ab 20 Uhr live
auf dem Fritz-Server) als Online-Spieler beim Kuppenheimer Zwölf-Stunden-Blitz
(Anmeldeschluss 19.30 Uhr in der Wörtelhalle) beweisen. Am liebsten zeigt er es
abseits der 64 Felder mit seinen schnellen Autos, die in rascher Folge wechseln.
Notgedrungen, wenn der Niederländer mal wieder eines zerlegt, aber „Lucky Loek“
gottlob dem verformten Blech unversehrt entsteigt. Die kleinen Unbilden auf den
Autobahnen dieser Welt – eigentlich ist jede Straße eine Autobahn für „Quick
Loek“ – steckt der 31-Jährige mit seinem Humor weg.
Ein Interview mit Van Wely wird nie langweilig. Selbst auf die banalsten Fragen
weiß er originelle Antworten. Das beginnt schon bei den einfachen Daten des
ehemaligen Weltranglisten-Zehnten (2714 Elo). Wie oft niederländischer Meister?
„Nur viermal, aber das Leben dauert noch lange“, erklärt der Daueroptimist. Am
Sonntag hat der derzeitige Weltranglisten-46. (2651 Elo) immerhin schon einen
deutschen Titel zu seiner Sammlung hinzugefügt. Im Stichkampf gegen den SC
Baden-Oos ebnete van Wely durch seinen Sieg über Alexej Shirov den Weg für den
zehnten deutschen Meistertitel der SG Köln-Porz.
Noch größere Erfolge stehen
aber kurz bevor: Die „WM 2004 in Libyen und das Topturnier in Wijk aan Zee 2005“
nennt van Wely als seine „größten Erfolge“. Der angehende Weltmeister wohnt noch
in Tilburg? „Wenn man das wohnen nennt, ja.“ Vor dem Sparkassen-Cup am 14. Mai
in Kuppenheim sprach Hartmut Metz mit Loek van Wely.
Frage: Herr van Wely, wären Sie Weltranglistenerster,
wenn Sie beim holländischen Topturnier in Wijk aan Zee nicht immer so grausam
schlecht abschneiden und Elo-Punkte einstellen würden?
Loek van Wely: Mein Abschneiden war die letzten
zweimal nicht ganz so schlimm – obwohl, für einen holländischen Superstar ...
Frage:
Woran liegt es, dass Sie in Wijk aan Zee fast immer eins auf die Mütze kriegen?
Ist dem Action liebenden Großmeister der kleine Ort zu langweilig, so dass er
sich unwohl fühlt?
van Wely:
Ich fühle mich immer wohl in Wijk aan Zee - aber meine Gegner
noch wohler, vor allem nach unseren Partien! Aber man muss das Turnier ernst
nehmen. Es ist kein Amsterdam Open, das man locker mit 8,5/9 gewinnt.
Frage:
Warum spielen Sie so schwankend? Mal Top Ten – dann nur knapp über 2600 Elo.
Liegt es am wilden Spielstil? Oder arbeitet Loek van Wely zu Hause zu wenig und
macht während der Turniere die Nacht in Bars durch?
van Wely:
Mein Spiel ist sehr abhängig von meiner Energie. Zum Glück habe
ich gerade das Energie-Match gegen Jan Timman gewonnen. Also in Zukunft werde
ich vorne wieder voll dabei sein.
Frage:
Wie weit könnten Sie es bringen, wenn Sie sich solide wie ein Kasparow, Anand
oder Kramnik vorbereiten würden?
van Wely:
Also dieses Trio ist noch immer ein klein bisschen besser als ich
– wenn ich mir jedoch früher nur etwas mehr Mühe gegeben hätte ...
Glücklicherweise liegt das aber schon weit hinter uns – ich meine,
glücklicherweise für Kasparow, Anand und Kramnik.
Frage:
Wie sind Ihr Ruf und Ihre Stellung in den niederländischen Medien, die
traditionell seit Max Euwe viel über Schach berichten? Ich kann mir vorstellen,
dass die Medien froh sind, einen Paradiesvogel zu haben, der im Gegensatz zu
vielen anderen Schachprofis nicht nur Standardfloskeln, sondern auch lockere
Sprüche drauf hat.
van Wely:
Ja, jede Frau in Holland liebt mich bestimmt, und alle Männer
hassen mich. Zumindest glaube ich, dass ich einerseits eine große Gruppe von
Fans habe, die es schätzen, wenn man einfach seine Meinung sagt, andererseits
gibt es eine Gruppe – die garantiert von mir nicht umgarnt wird -, die glaubt,
dass das ein Zeichen mangelnden Respekts ist.
Frage:
Ein Sekundant von Ihnen soll bei der WM für jede Runde, in der Sie
weitergekommen sind, einen Bordellbesuch frei gehabt haben. Das Turnier war für
ihn wie Sie befriedigend: Sie kamen weit, bis ins Viertelfinale, was genug
Preisgeld für einen teuren BMW bedeutete.
van Wely:
Das war bei der Weltmeisterschaft in Groningen 1997. Es hätte
noch viel besser laufen können, aber ich konnte ein Springer-Endspiel mit zwei
Mehrbauern gegen Michael Adams nicht gewinnen. Vielleicht hätte ich in diesem
Moment Mickey auch etwas anbieten sollen? Ein Bier vielleicht?
Frage:
Sie lieben schnelle Autos und Frauen. Erst zu den Pferdestärken: Vor einigen
Jahren wurden gerne Unfallwagen von Ihnen in Schachzeitungen abgebildet. Wie
viele Autos haben Sie schon zerstört?
van Wely:
Nur zwei. Deshalb habe ich wie eine Katze immer noch viele Leben
übrig.
Frage:
Sie sind im Internet schnell – und mit den Autos offensichtlich auch. Selbst
Schuld gewesen bei den Unfällen?
van Wely:
Nein, natürlich nicht! Für Schnee und Wasser gibt es eigentlich
keinen Platz auf der Autobahn und beides gehört da nicht hin.
Frage:
Wie viele Strafzettel erhalten Sie im Monat für zu schnelles Fahren und sonstige
Vergehen?
van Wely: Wenn
meine Freundin mein Auto fährt, viele, ansonsten natürlich keine. Ich bin
einfach zu schlau. Außer einmal, da hat mich wieder Ivan Sokolov als Beifahrer
angestachelt. Er treibt mich immer an mit „Go Loeky, go!“ Wir befanden uns auf
dem Weg zu einer Bundesliga-Runde von Porz. Als die Polizei an uns vorbeidüste,
hängte ich mich dran. Ivan wollte, dass ich die sogar überhole, aber ich
erklärte ihm, dass man die Polizei als anständiger Bürger nicht überholt – und
es überdies unklug sei. Ich also nur hinterher: Die mit 180, wo lediglich 120
Stundenkilometer erlaubt waren. Rein in die Baustelle mit 120, obwohl nur 80
gestattet waren. Dann kam irgendwann die Anzeige aus dem Polizeiwagen: „Bitte
folgen Sie uns“. In dem Auto befanden sich zwei Frauen und ein Mann. Ich
mutmaße, dass der Polizist seine zwei Kolleginnen beeindrucken wollte. Daher
redete er davon, mir sofort den Führerschein abzunehmen! Na ja, es wäre
ausnahmsweise an dem Tag besser gewesen. Ich kam mit nur 50 Mark Buße davon –
zerlegte aber noch am selben Abend meinen BMW …
Frage:
Gibt es etwas, was Sie mehr lieben als deutsche Autobahnen ohne
Tempobegrenzungen?
van Wely:
Deutsche Frauen ohne Tempobegrenzungen.
Frage:
Einst war ein BMW Ihr großer Traum, der am Baum endete. Von welchem Auto träumen
Sie derzeit?
van Wely:
Ein BMW X5 reicht momentan.
Frage: Sie kokettieren auch gerne mit Ihrer Rolle als
„großer Kenner der Schachspielerinnen“. Welche haben Sie verehrt und sind die
zehn hübschesten?
van Wely:
Zehn ist ja zu viel, ich möchte zumindest etwas selektiv
vorgehen: Dana Reizniece ist sehr hübsch, Regina und ihre Schwester Renata
Pokorna ebenso.
Frage:
Und was ist mit Alexandra Kostenjuk, die gerne als Schach-Model auftritt?
van Wely:
Der Vergleich mit Anna Kurnikowa hinkt mit Sicherheit. Kostenjuk
hat keinen Sexappeal.
Frage:
Mit welcher Masche reißt ein berühmter Top-Großmeister Schachspielerinnen auf?
Verspricht er ihnen, sie bei sich zu Hause einen Blick in seine große
Chessbase-Datenbank werfen zu lassen? Oder gibt’s andere Tricks wie bei
Popstars?
van Wely:
Ich lasse mich nie erpressen, tut mir Leid! Ich gewähre keine
Einblicke in meine wichtigsten Schachgeheimnisse.
Frage:
Trotzdem sind Sie jetzt bei keiner Top-Schachspielerin gelandet. Werden Sie mit
Ihrer Freundin und bald einer Familie viel ruhiger – und womöglich auch
schachlich besser?
van Wely:
Sie spielt auch gerne Schach und verfolgt sehr gerne meine
Partien. Ich bin schon etwas ruhiger? Noch ruhiger? Ja, noch ruhiger! Das ist
natürlich gut für mein Schach – ich sollte jedoch nicht zu früh jubeln. Frauen
sind sehr gefährlich – man muss sich nur mal meine Elo-Zahl vom 1. Januar 2004
anschauen (Anmerkung: Mit 2617 Elo stand van Wely so tief wie seit vielen Jahren
nicht mehr, ehe der 31-Jährige wieder 35 Zähler hinzugewann)!
Frage:
Mit der Ihnen inne wohnenden Bescheidenheit firmieren Sie im Internet als „King
Loek“. Ist der Nickname von den Leistungen her berechtigt?
van Wely:
Schachlich nicht.
Frage:
Wen halten Sie für den Besten im Netz?
van Wely:
Mich und Sie ausgenommen?
Frage:
Ja, selbstverständlich.
van Wely:
Meinen besten Freund Robert Rabiega. Spielt er eigentlich noch?
(Anmerkung: Die beiden lernten sich bei den Frankfurt Chess Classic 2000 kennen
und schätzen).
Frage:
Sie haben auch schon an sehr langen Blitzturnieren teilgenommen. Sehen Sie
Probleme, beim Sparkassen-Cup in Kuppenheim die zwölf Stunden durchzuhalten?
van Wely:
Überhaupt nicht. Ich habe einmal ein 17-stündiges Match gegen
Alexander Rustemow ausgetragen.
Frage:
Im Gegensatz zur Konkurrenz spielen Sie nicht vor Ort, sondern auf dem
Fritz-Server online. Ein großer Vorteil für Sie?
van Wely:
Wenn ich nicht von meiner Freundin abgelenkt werde, ja.
Frage:
Roland Schmaltz hat sich bei einer Teilnahme überlegt, seine eigene Maus
mitzubringen, um am PC leichter gegen Sie bestehen zu können. Ist die Maus so
wichtig?
van Wely:
Roland kann nicht ohne Maus leben: Er ist eine Katze.
Frage:
Wie schätzen Sie Ihre Chancen im direkten Vergleich gegen den mehrfachen
Bullet-Weltmeister Schmaltz alias „Hawkeye“ ein?
van Wely:
In einer oder zehn Partien ganz gut, aber danach ist er der Chef.
Frage:
Im Internet hört man zunehmend von Betrugsversuchen mit Computern, die Spieler
nebenher laufen lassen, um ihre Bilanzen zu schönen. Welche Erfahrungen haben
Sie damit?
van Wely:
Ich bin noch unschlüssig, ob ich beim Sparkassen-Cup Shredder oder Fritz
einsetze. Das muss ich mir noch genau überlegen! Im Ernst: Es begeistert mich,
Betrüger zu betrügen.
Frage:
Sollten Sie beim Sparkassen-Cup den mit Preisen im Wert von 1.000 Euro dotierten
ersten Platz einheimsen, wofür werden Sie diese ausgeben? Für neue Auto-Felgen?
van Wely:
Ich habe Angst, dass meine Freundin davon neue Kleider kaufen
wird. Könnten wir es eventuell verheimlichen, wenn ich einen Preis in Kuppenheim
gewinne?
Frage:
Das Geld verprassen Sie nicht durch eine Fahrt zu einem Frauenturnier? Ist
Frauenschach für Sie jetzt zu uninteressant, nachdem Sie liiert sind?
van Wely:
Ich bin nicht verrückt. Wenn das herauskäme …
Frage:
Noch abschließend zur Damen-EM. Wie beurteilen Sie die Siegerin bei der EM in
Dresden?
van Wely:
Wer hat gewonnen?
Frage:
Keine Ahnung. Wir meinten natürlich nicht den sportlichen Ausgang, sondern die
Kür von Anna Scharewitsch zur „Miss EM“.
van Wely:
Die Mauern haben Ohren ...