Auf der Suche nach dem Schachturnier
Von Anna Dergachova-Daus
Auch im Oktober ist es auf Kreta
wunderschön. Es ist ein Ort, wo es wahrscheinlich nie regnet. Das Wasser ist
warm und die Sonne scheint angenehm. Es sind auch kaum noch Touristen da, was
ich persönlich als vorteilhaft empfinde. Es gibt einen Haufen Liegestühle am 16
km langen Strand und wenig Interessenten, die sie in Anspruch nehmen wollen.
Da
ich nur ungefähr wusste, wo der Europapokal statt findet (im Internet stand nur
etwas über Rethymnon) bin ich nach Chania geflogen und habe mich von dort aus
von einem freundlichen Taxifahrer dort hin bringen lassen. Da 47% des
Jahreseinkommen Griechenlands aus der Touristikbranche kommt, sind die
Einheimischen natürlich sehr zuvorkommend. So wurde ich schon bei meiner Ankunft
von allen Seiten nett bedrängt in das erstbeste Taxi zu steigen und zu einem
lächerlichen Preis von 55 Euro bis nach Rethymnon zu fahren. Ich bin zwar der
griechischen Sprache nicht mächtig, doch das Studium der Philologie in Moskau
hat doch etwas gebracht (das russische Alphabet haben wir schließlich von den
Griechen bekommen) und ohne große Mühe konnte ich auf dem Schild entziffern, wie
teuer es wirklich ist, dorthin zu fahren. Eigentlich nur 40 Euro. Der Taxifahrer
war vielleicht etwas traurig als ich auf das Schild deutete, doch er gab sich
geschlagen und auf dem ganzen Weg war er dann plötzlich richtig freundlich,
kaufte mir unterwegs an einer Tankstelle sogar ein Bier auf seine Kosten und
erklärte mir, so gut es ging mit einem Gemisch aus Englisch, Deutsch und
Griechisch, wo ich am besten eine Bleibe suchen sollte. Auf seinen Rat habe ich
mir dann ein Zimmer gemietet (es gibt eine ganze Menge davon, da die Hauptsaison
schon vorbei ist), mich umgezogen und bin Richtung Strand und
Touristikinformation gegangen. Doch es war schon zu spät für irgendwelche
Auskünfte, das Büro öffnete erst wieder am nächsten Morgen. Na und, dachte ich
mir, so groß ist diese Dorf-Stadt mit ihrem malerischen Hafen auch nicht.
Aus den Prospekten wusste ich, das es hier nur 6 Hotels gibt, die für dieses
Schachereignis in Frage kommen können. Komischerweise konnte ich kein Plakat
entdecken, dass darauf hinwies. Es gibt eigentlich auch keine, lediglich drei
Stück, die sich an den Türen des Spielsaals befinden.
Tatsächlich ein Plakat
Aber kein richtiger Hinweis für solch ein wichtiges Schachereignis. So blieb mir
also nichts anderes übrig, als noch einen Taxifahrer zu suchen, mich in sein
Auto zu setzen und „zum Hotel, wo Schach gespielt wird“, zu fahren. „Was ist
Schach“, wollte er wissen. „Ein Spiel“, erklärte ich, „wissen Sie – Chess,
Echecs, Schachmaty.“ „Spiel“, sein Gesicht hellte sich auf. „Ich weiß, Sie
suchen ein Kasino“. Nicht wirklich, dachte ich. Ich versuchte so eine Art
Pantomime, doch er verstand immer noch nichts. Und als ich fast schon aufgeben
wollte, begriff er plötzlich. „Shaki!“ Oh, große Völkerverständigung. Danach
ging es schnell. Er erinnerte sich, etwas in der Zeitung gelesen zu haben,
telefonierte eine Weile hin und hier, und kam zu dem Ergebnis, dass es sich
entweder um das Creta Star Hotel handelt, oder um das Creta Marine Hotel. Er war
sich da nicht so ganz sicher.
Wie sich herausstellte, findet das große Ereignis tatsächlich in beiden Hotels
gleichzeitig statt. Die Männer spielen im Creta Star und die Frauen im Creta
Marine. Nicht sehr glücklich. So empfinden es beide Schachgeschlechter, und auch
die Journalisten und das Publikum (hätte es welches gegeben). Zwischen den
beiden Hotels liegen etwa 8 km, die man allerdings mit einem Bus bewältigen
kann, wenn er pünktlich kommt, was nicht immer der Fall ist. (das Männerteam von
Lada Kazan mit Kasparov als Kapitän wohnt im Creta Marine Hotel und musste schon
einmal mit 10 Minuten weniger spielen, da der Bus eine Verspätung hatte).
Erstaunlicherweise spielen so viele Superspieler (Kasparov, Grischuk, Adams,
Ivanchuk, Dreev, Bareev, Morosevich, Bologan, Shirov, Lautier, Gelfand,
Rublevski, Khalifman, Bacrot, Korchnoj usw.) in einem kleinen Raum, der nicht
einmal vollklimatisiert ist, und wo die Spieler selbst kaum Platz haben, sich zu
bewegen (eventuelle Zuschauer schon gar nicht).
Kasparov
Shirov und Bareev
Der zweite Turniersaal befindet sich eine Ebene tiefer (der Erste ist direkt
neben der Rezeption im Erdgeschoss). Dort kämpfen die etwas schwächeren Teams,
haben aber den besseren Saal. So klagte mir Volodja Chuchelov voll Entsetzen:
„Wir gewinnen heute, es kann also sein, dass wir nach oben müssen. Und wie
sollen wir dort atmen?“
Kasparov will nach unten
Mikhail Gurevich: Bis aufs Hemd ausgezogen?
Vladisklav Tkachiev
Rainer Knaak
Elisabeth Pähtz
Unten fand ich Elisabeth Pähtz, die für ein griechisches Männerteam spielt.
„Warum das?“ – staunte ich. Nicht dass ich etwas gegen Frauen habe, die bei
Männern mitspielen (Hier sind es drei – Elisabeth, Ekaterina Lahno und Iweta
Radziewicz), das mache ich selbst ab und zu. Meine Frage war, warum für ein
griechisches. „Ich fand keine Männerteam in Deutschland, wo ich spielen konnte,
und die Frauen spielen diesmal leider nicht mit. Dazu musst du besser den
Deutschen Schachbund befragen. Vermutlich kein Geld, oder kein Interesse.“
Das finde ich aber Schade. Da die Frauen es im Creta Marine Hotel wirklich
paradiesisch schön haben. Große Räumlichkeiten, ein wunderhübscher Hotel-Park,
Schwimmbäder, und das blaue Wunder, das Mittelmeer. Direkt neben dem Hotel ist
eine Bucht, wo man wunderbar baden kann. Fast umsonst, lediglich 3 Euro. „Das
soll ein Witz sein“, fragte ich Svetlana Petrenko und Karolina Smokina, die an
diesem Tag frei hatten (es nehmen 13 Damenteams teil) und eigentlich gerne ins
Meer wollten, aber möglichst umsonst.
Marie Sebag
Almira Skripchenko
Antoaneta Stefanova
„Nein Anna, das ist kein Witz“, erklärten sie mir, „da läuft irgendein Mann
herum und sammelt von jedem, der am Strand liegt, drei Euro ein.“ Jammerschade,
dachte ich, das Meer sollte doch eigentlich für alle kostenlos sein, und
vielleicht auch die Getränke. Alle Spieler müssen nämlich beim Essen ihre
Getränke bezahlen, sogar Wasser oder Tee, obwohl alle Teams Zimmer mit Essen
reserviert hatten.
Kortschnoi und Rublevsky
In
den ersten beiden Runden mussten die Spieler sogar ihr Wasser oder Kaffee selbst
bezahlen. Ab Runde drei hat sich das dann geändert. Jetzt gibt es bei den
Männern Saft, Wasser und Kaffee umsonst.
Bei den Damen aber noch nicht. Lediglich das Wasser ist umsonst. Alles anderes
kostet Geld (und das nicht zu knapp, 2,5 bis 3 Euro pro Getränk). Da freut sich
Igor Glek, der seinen Flug und dasselbe Hotel all inclusiv aus
Deutschland reservierte und ein gutes Plus im Gegensatz zu allen anderen
Teilnehmer machen wird. Es ist immer dieselbe Geschichte. Die Spieler kommen,
zahlen große Preise und dann bekommen sie nicht mal das, was sie brauchen.
Letztes Jahr nahm sich das Team aus Tomsk ein anderes Hotel in der Nähe des
Spiellokals, zahlte noch die dafür vorgesehene Strafe an die Organisatoren und
machte trotzdem einen guten Gewinn. Was läuft sonst noch nicht so gut – die
Internetverbindung. Es gibt nur zwei PC´s (ein Pressezentrum gibt es überhaupt
nicht). In den Hotels selbst kostet jede Stunde 6 Euro. Otto Borik, der
Chefredakteur des Schachmagazins 64, der mir half, die Bilder zu übertragen,
musste seine erste unangenehme Überraschung erleben, die Rechnung des Hotels für
die ersten 5 Tage Internet belief sich auf 200 Euro.
Doch nicht alles ist schlecht. Die Partien sind natürlich hochinteressant, man
trifft wie immer Freunde (Natasha Regan, meine ehemalige Mannschaftskollegin kam
mit ihrem 8 Monate alten Sohn, als Ersatz für das Englische Team, Marina
Dolmatova macht hier Urlaub und unterstützt ihren Mann Sergey beim spielen), und
natürlich das Meer. Dort gehe ich übrigens hin, bevor die letzte Runde anfängt.
Wie das Turnier schachlich verlaufen ist, erfahrt ihr in meinem nächsten
Bericht.