Die 12. OIBM in Bad Wiessee
Von Gerald Hertneck
Runde 1 Auswahl
Paarungsliste der 5. Runde |
Tisch |
TNr |
Teilnehmer |
Tite |
Punkte |
- |
TNr |
Teilnehmer |
Tite |
Punkte |
|
1 |
13. |
Lauber,Arnd, Dr. |
IM |
(4) |
- |
1. |
Burmakin,Vladimi |
GM |
(4) |
|
2 |
16. |
Schneider,Ilja |
|
(4) |
- |
5. |
Eingorn,Vereslav |
GM |
(4) |
|
3 |
8. |
Edouard,Romain |
IM |
(4) |
- |
24. |
Zude,Arno |
IM |
(4) |
|
4 |
34. |
Meister,Peter |
IM |
(4) |
- |
9. |
Naumann,Alexande |
GM |
(4) |
...
Zum 12. Mal findet heuer
das beliebte und traditionelle Schachturnier in Bad Wiessee statt. Der
Wettergott hatte ein Einsehen, und spendierte zur Eröffnung schönsten
Sonnenschein. In den Eröffnungsreden grüßten Bürgermeister Peter Höß und der
stellvertretende Landrat Arnfried Färber die Teilnehmer und dankten dem
Organisationsteam um Peter Rie und Kurt Geiss dafür, dass sie das Turnier ein
weiteres Mal auf die Beine gestellt hatten. Untermalt wurde die
Eröffnungsveranstaltung übrigens von zünftiger bayerischer Blasmusik.
Leider ist in diesem Jahr
ein empfindlicher Rückgang der Teilnehmerzahlen auf 355 zu beklagen. Hier
spielte sicher die am 12. November beginnende Schacholympiade in Dresden mit
ihrem umfangreichen Rahmenprogramm eine Rolle. Die Augen aller deutschen
Schachfans richten sich auf diesen Mega-Event! Doch auch die weltweite
Finanzkrise und deren Auswirkungen mag Einfluss auf die Entscheidungsfindung der
Schachjünger genommen haben. Besonders bedauerlich ist, dass die philippinische
Delegation heuer ihre Anmeldung zurückgezogen hat, und dass die früher sehr
große Gruppe der Österreicher nicht den Weg nach Bad Wiessee gefunden hat. Das
Turnier bleibt aber bunt gemischt, da Teilnehmer aus etwa 28 Nationen den Weg
nach Bad Wiessee gefunden haben. Das größte Kontingent stellen die Italiener und
die Holländer.
Dabei ist es gerade einmal
ein paar Jahre her, dass über 500 Schachfreunde an dem Turnier teilgenommen
haben, und zwar im Jahre 2005. Seitdem war die Beteiligung leider rückläufig.
Hoffen wir, dass es im nächsten Jahr wieder besser wird!
Der Turniersaal
Nicht zu unterschätzen ist
der Organisationsaufwand für das Turnier. Die Vorbereitungen in der Tourist
Information dauerten ein halbes Jahr. Schwerpunkte sind dabei die Bearbeitung
der Anmeldung und die Zimmervermittlungen.
Nun noch ein bisschen
Statistik: der jüngste Teilnehmer 8 Jahre alt, kommt aus München und heißt
Ovsepyan. Der älteste Teilnehmer, Herr Mantzouneas ist 82 Jahre und stammt aus
Athen. Es beteiligen sich in der Spitze 15 Großmeister und 15 Internationale
Meister. Schwach vertreten sind die Damen mit nur 11 Nennungen. In der Spitze
ist das Turnier wie üblich stark besetzt, immerhin 31 Spieler haben mindestens
Elo 2400. Elostärkster Spieler ist der russische Großmeister Burmakin mit 2625
Elopunkten.
Zur Gruppe der
Turnierfavoriten darf man die Russen Jemelin und Eingorn sowie natürlich die
schwedische Schachlegende Ulf Andersson bezeichnen.
Vereslav Eingorn
Die besten deutschen
Schachspieler sind Michael Prusikhin vom SC Forchheim und Alexander Naumann von
der SG Aljechin sowie Henrik Teske vom Heimverein TV Tegernsee.
Familie Naumann
In der ersten Runde waren
die üblichen Favoritensiege zu verzeichnen. Lediglich der spanische FIDE-Meister
Pena Gomez verlor überraschend. Der weitere Verlauf bleibt spannend.
Das Erfolgsgeheimnis
des Schachturniers von Bad Wiessee
Im Mittelpunkt der Ausgabe
dieses Bulletins gehen wir kurz der Frage nach, weshalb das Turnier in Bad
Wiessee bei den Schachfreunden in aller Welt so beliebt ist. Diese Frage mag
zwar angesichts des Teilnehmerrückgangs in diesem Jahr befremden, aber man muss
sich klar vor Augen halten, dass „Bad Wiessee“ noch immer eines der größten und
beliebtesten Turniere Deutschlands oder gar Europas ist!
Worin liegt also das
Erfolgsgeheimnis? Es gibt sicher nicht nur einen ausschlaggebender
Faktor, sondern es kommen viele Aspekte zusammen. Zum einen natürlich die
Tradition. Da das Turnier
bereits ein dutzend Mal
ausgerichtet wurde, zieht es viele Stammgäste an, die sich darauf verlassen
können, dass von Jahr zu Jahr ein hoher Standard bei der Ausrichtung gehalten
wird. Dieser Standard beruht zum einen auf einem verlässllichen Hauptsponsor
in Form der Kreissparkasse Miesbach Tegernsee und zum anderen auf einem starken
Organisationsteam. Keimzelle der Organisation der früheren Jahre waren
Mentor Horst Leckner und der damals noch in Bad Wiessee wohnende Großmeister
Artur Jussupow. Mittlerweile hat sich die Organisation auf die Tourist
Information Bad Wiessee und den Gastwirt Kurt Geiß vom Hotel zur Post verlagert.
Horst Leckner hat jedoch angekündigt, sich im nächsten Jahr wieder stärker
einzubringen, nachdem er inzwischen im verdienten Ruhestand gelandet ist. Der
ganze immense Aufwand der Turniervorbereitung und Turnierdurchführung ruhte also
in den letzten Jahren auf den kräftigen Schultern von Kurt Geiß und Peter Rie im
Verbund mit den netten Damen von der Tourist Information!
Nicht zu vergessen die
Schiedsrichter, ohne die ein Turnier nicht machbar ist. Von Anfang an hat
man darauf geachtet, qualifizierte Schiedsrichter mit der Turnierdurchführung zu
betreuen. Unvergessen ist Willi Knebel, der das Turnier lange Jahre mit viel
Umsicht und Geschick geleitet hat, aber leider vor zwei Jahren allzu früh
verstorben ist. An seiner Stelle hat sein Vorgänger Christian Krause nun wieder
das Amt des Hauptschiedsrichters übernommen. Unterstützt wurde er in den letzten
Jahren von Hans Brugger, der in diesem Jahr aufgrund von urlaubstechnischen
Problemen das Amt an seinen
18-jährigen Sohn
weitergereicht hat, damit dieser Erfahrungen sammeln kann.
Ein nicht zu
unterschätzender Faktor ist der Spielsaal. Die Wandelhalle in Bad Wiessee
mit ihren harmonischen Proportionen dürfte einer der schönsten Turniersääle
Deutschlands sein.
Sie bietet genügend Platz
und ist in architektonischer Hinsicht ein Juwel. Die hohen Fenster geben sehr
viel Licht und die dazwischen liegenden Wände sind mit Fahnen geschmückt. Der
langgestreckte Saal bietet sehr viel Platz für die Teilnehmer und lädt zum
Flanieren auf dem Mittelgang ein. Außerdem bietet die Wandelhalle noch einen
großen Nebenraum, der während des Turniers als Analysesaal genutzt wird. Doch
nicht nur zur Analyse, sondern dort findet auch die Live-Übertragung der
ersten
8 Bretter statt, was
sicherlich ein weiteres Highlight für die Zuschauer ist, und auf wenigen
Turnieren geboten wird. Ja die Partien werden sogar zeitgleich ins Internet
übertragen. Gleich im Nebenraum wird der bekannte und bewährte Bernhard Jehle
von der Chessware auch heuer wieder sein reichhaltiges Angebot an Schachbüchern,
Schach-DVDs und Spielmaterial präsentieren.
Die Spitzenbretter
Zu guter Letzt muss auch
noch auf die Reize der Gemeinde Bad Wiessee eingegangen werden. Die einen
mag es an den Abenden mehr in die Spielbank ziehen, die anderen gehen tagsüber
wandern oder promenieren ein wenig am See oder nutzen gar das Angebot, eine
Bootsfahrt auf dem idyllischen Tegernsee zu machen. Die Gastlichkeit des
Tegernsees ist unter Urlaubern weithin bekannt, und viele Gäste fühlen sich
daher sehr wohl in dieser schönen Urlaubsgegend ! Doch was ist noch schöner als
Urlaub am Tegernsee? Natürlich Schachurlaub am Tegernsee !!!
Zur Geschichte der
Wandelhalle
Im Jahre 1935, genau
genommen am 19. Mai 1935 nachmittags um 3 Uhr fand die feierliche Einweihung der
neuen Wandelhalle statt. Im neuen Konzertsaal wurde als Eröffnungskonzert das
Vorspiel zu der Oper „Die Meistersinger“ von Richard Wagner gegeben. Zur
Festansprache wurde dann – passend zu der damaligen Zeit - das Deutschlandlied
und das Horst-Wessellied gesungen, wie aus dem Programmheft ersichtlich ist.
Und wieder scheint die Sonne über die eifrigen Schachspieler am Tegernsee!
Noch ein schöner Sonnentag in Bad Wiessee. Die meisten Schachspieler nutzten das
schöne Wetter entweder für eine Bergwanderung oder für einen Spaziergang an der
Promenade in Bad Wiessee. Der Autor dieser Zeilen zog sich mit ein paar Büchern
auf eine Parkbank zurück, und wunderte sich beim Studium der Geschichte der
Französischen Revolution darüber, dass es Anfang November noch so warm sein
kann. Und das auch noch jeden Tag!
Gestern Abend kam Bernhard Jehle von Fa. Chessware schwer bepackt mit seinen
Büchern an – sehr zur Freude vieler Schachspieler, die sofort seinen Schachstand
belagerten. Unser Bernhard ist ja schon seit vielen Jahren auf dem Turnier
vertreten, und gehört sozusagen zur Grundausstattung ohne die es nicht geht!
Noch ein Nachtrag zur Wandelhalle. Schon gestern haben wir gerätselt, wer
eigentlich der Architekt dieses schönen Bauwerks war! Der Zufall kam uns zu
Hilfe, denn eine Inschrift in der Überdachung des Vorbaus verrät den Urheber. Es
handelt sich um den Architekten Bruno Biehler (gestorben 1967 in München), der
im Jahre 1934 die Hauptbauleitung übernahm. Kurz nach der Machtergreifung, aber
er war wohl noch von einem anderen besseren Geist beseelt.
Heute hatte der Schreiber dieser Zeilen eine göttliche Eingebung. Da war doch
noch jemand, der im gestrigen Bulletin nicht vorgestellt wurde… Es handelt sich
um den Schiedsrichter Wolfgang Fiedler, der zugleich Bayerischer Spielleiter
ist. Er ist heuer zum ersten Mal in Bad Wiessee, aber viele hoffen, dass es
nicht das letzte Mal ist, nachdem er die Aufgabe mit Charme und Kompetenz
schultert!
Im Turnier ist heute im Grunde der erste Tag, wo es richtig zur Sache geht. Die
Elo-Differenz an den Spitzenbrettern ist auf 200 bis 250 Punkte geschrumpft, und
die Kämpfe werden zusehends härter.
Es gab auch schon einige kleinere Überraschungen in der Vorrunde. Michael
Hoffmann kam gegen John Quinn nicht über ein Remis hinaus. Aber die größte
Überraschung war sicherlich das Unentschieden in von Astengo gegen Ulf
Andersson. Dabei konnte sich der Schwede nicht einmal über sein Unglück
beschweren, da er in der Schlußstellung einen Minusbauern hatte.
Heute hatte der Berichterstatter endlich Gelegenheit, ein spontanes Interview
mit der schwedischen Schachlegende zu führen. Zunächst hat der Altmeister uns
freudestahlend versichert, dass es ihm in Bad Wiessee sehr gut gefällt. Er
spielt das Turnier heuer zum zweiten Mal, und kennt den Ort von einer früheren
Bundesligarunde, als er noch für Köln Porz im Einsatz war. Bis zum Jahre 2003
hat Ulf übrigens intensiv Fernschach gespielt, weil es ihn reizte, genügend Zeit
für die Analyse der Züge zu haben. Im Rückblick hat er aber festgestellt, dass
ihn diese Tätigkeit zu stark ausfüllte. Er steigerte sich so in die Partien
hinein, dass ihm kaum noch Zeit für andere Dinge blieb. Nun reist er in der
Weltgeschichte herum, und möchte noch so lange wie möglich Schach spielen. Er
bedauert, dass nur noch wenige Großmeister in seinem Alter sich auf „Schachtour“
begeben. Auf seine kleinen Auszeiten angesprochen, die er bisweilen in Turnieren
einlegt, erklärt er diese so, dass er seit einigen Jahren mit dem Druck nicht
mehr so gut umgehen kann. Wenn ihn eine Partie zu sehr angestrengt hat, legt er
lieber eine Pause ein. Er hofft aber, dass er das diesjährige Turnier besser
durchhält als im letzten Jahr. Eines ist sicher: seine Liebe zum Schach ist so
groß, dass er noch viele Turniere spielen wird!
Hab Erdöl im Garten…
So oft der Berichterstatter in das schöne Bad Wiessee kam, nahm es ihn Wunder,
wieso hier im
Jahre 1904 von einem Holländer namens Adrian-Stoop nach Erdöl gebohrt wurde. Die
Geschichte geht ungefähr so, dass er statt Erdöl eine Heilquelle fand, die er
alsbald gewinnbringend vermarktete.
Ein Blick auf BR online fördert genauere Informationen zutage. Es begab sich
nämlich, dass ab 1909 die „Erste Bayerische Petroleum Gesellschaft“ aus einer
Tiefe von nur 500 Metern auf Erdöl stieß. Allerdings war dies keine reichhaltige
Quelle, und nachdem sie erschöpft war bzw. bei anderen Probebohrungen stieß man
auf eine jod- und schwefelhaltige Quelle. Grund genug, das „Jod- und Schwefelbad
Bad Wiessee“ zu gründen, und den aufblühenden Tourismus an die Heilquelle zu
binden.
Tatsächlich wurden ab den 50er Jahren, nicht nur wie zuvor am Tegernsee, sondern
in ganz Bayern, etwa 60 Öl- und Gasfelder erschlossen. Die Firmen zogen sich
jedoch in den 90er Jahren wieder aus der Öl- und Gasförderung zurück, nachdem
die bayerischen Ölfelder nie besonders ergiebig waren, und die Kosten der
Förderung zu hoch lagen. Der Berichterstatter denkt, es war besser so, denn mit
Ausbeutung von Bodenschätzen geht ja immer eine gewisse Zerstörung der
natürlichen Umgebung einher.
Ein kleiner Überblick über den Stand nach der dritten Runde: in der
Spitzengruppe haben nur noch 21 Spieler noch keinen Punkt abgegeben. Umgekehrt
gibt es am Tabellenende noch 24 Spieler mit 0 Punkten. Das sieht nach einer
mathematischen Normalverteilung aus…
Wer in der letzten Runde auf größere Sensationen gehofft hatte, wurde
enttäuscht, denn diese blieben aus. Bisher hat sich noch niemand einen
Großmeisterskalp an den Gürtel hängen können. Die größten Startschwierigkeiten
hat hier wohl Michael Hoffmann, der zwei Remisen abgeben musste, und nur bei
zwei Punkten steht. Der glückliche Gegner, der ihm ein Remis abnahm, war der
Münchener Anton Santl.
Der kleine Ferdinand Xiong aus München, der sicher mal ein großer Schachmeister
wird, steht immerhin bei 1 Punkt. Er wird sicherlich mit vollem Ehrgeiz
versuchen, auf 50 % zu kommen. Das Gespräch mit ihm und seiner Mutter ist auf
der nächsten Seite zu lesen.