Herbert Bastian: "Vielleicht hätte man sich mehr um die Mitglieder des eigenen Vereins kümmern müssen!?"

von André Schulz
03.05.2017 – In einem Interview spricht DSB-Präsident Herbert Bastian über seine Eindrücke bei der Bundesliga-Endrunde in Berlin, die Anstöße, die in der Bundesvereinskonferenz zur Zukunft der Vereine entwickelt wurden und über die Hintergründe des überraschenden Rückzuges der Mannschaft der SG Trier.

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Die zentrale Endrunde der Bundesliga in Berlin scheint ein großer Erfolg gewesen zu sein. Wie war ihr persönlicher Eindruck?

Diese Veranstaltung bot neben den sportlichen Höhepunkten eine fantastische Werbung für den Schachsport und war mit der gemeinsamen Endrunde der Männer und der Frauen richtungweisend für die Zukunft. Die erste Bundesvereinskonferenz und ein zufällig zeitgleich stattfindendes, internationales Bridge-Turnier haben das Treffen der 28 Ligamannschaften (12 Frauen und 16 Männer) wunderbar ergänzt.
Ich war drei Tage vor Ort und konnte von morgens bis spät in die Nacht durchgehend hochkarätige Gespräche führen, die dem Deutschen Schachbund von Nutzen sein werden. Das schafft man in dieser Dichte nur auf einer solchen Veranstaltung, wo man fast alle trifft, die Rang und Namen haben. So beispielsweise den neuen Bahnchef Dr. Richard Lutz oder den neuen Präsidenten des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages Wolfgang Grenke, besser bekannt als der Sponsor des Deutschen Mannschaftsmeisters OSG Baden-Baden. Beide sind bekanntlich leidenschaftliche Schachspieler.

Richard Lutz, Helmut Pfleger, Harry Schaack

War der Deutsche Schachbund bei der Organisation der Veranstaltung in Berlin in irgendeiner Weise beteiligt?

Alle teilnehmenden Akteure und insbesondere der ausrichtende Verein sowie der unterstützende Berliner Schachverband mit ihren Helfern bilden als Mitglieder gemeinsam den Deutschen Schachbund, die einen mittelbar, der Verband unmittelbar. Selbstverständlich war unsere Geschäftsstelle bei der Vorbereitung umfänglich beteiligt, und wir haben auf unserer Webseite kräftig geworben. Verantwortlich für die Frauen-Bundesliga hat Dan-Peter Poetge als Referent für Frauenschach mitgewirkt. Schließlich darf man nicht vergessen, dass alle Schiedsrichter vom Deutschen Schachbund aus- und fortgebildet werden, was seit vielen Jahren ein wichtiger Beitrag zum Gelingen des Ligabetriebs ist.

Christian Zickelbein, links, schaut beim HSK-Frauenteam zu

Die Hauptlast der Organisation lag auf den Schultern der Schachfreunde Berlin. Müsste die Organisation bei solchen Veranstaltungen nicht allgemeiner verteilt oder sogar vom Verband übernommen werden, ähnlich wie das in Russland organisiert ist?

Die Verbandsebene verfügt über zu wenig eigenes Personal und hat gar keine andere Wahl, als einen Verein mit der Ausrichtung solcher Veranstaltungen zu beauftragen. Das Gleiche gilt natürlich für den Bundesliga e.V. als Hauptveranstalter der Männer-Bundesliga. Es muss aber darüber nachgedacht werden, welche Anreize die Gemeinschaft für den ausrichtenden Verein schaffen kann, denn alle haben einen Nutzen davon.

Ohne die Unterstützung des Maritim-Hotels und anderer Sponsoren wäre die Veranstaltung in dieser Form wohl nicht möglich gewesen. War man von Seiten der Sponsoren zufrieden?

Mir liegt bisher nur die Information vor, dass man von Seiten der Stadt Berlin, die die Veranstaltung mit einem erheblichen Betrag gefördert hat, sehr zufrieden war und einer Neuauflage positiv gegenüber steht. Warten wir also in aller Ruhe die weitere Auswertung ab.

Am Rande der Bundesliga wurde eine „Bundesvereinskonferenz“ durchgeführt. Wie war die Resonanz und welche Ergebnisse gab es?

Die Resonanz war mit ca. 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besser als ich es erwartet hatte, und die positiven Rückmeldungen waren überwältigend. Das wichtigste Ergebnis für mich war, dass diese Veranstaltung, die ich seit mindestens 2011 (bei meiner erste Rede in Bonn) gefordert habe, nun endlich verwirklicht wurde, und dass es Aussicht auf Fortsetzungen gibt.
Dafür bedanke ich mich stellvertretend ganz besonders bei Malte Ibs und Jörg Schulz von der Deutschen Schachjugend sowie beim Vizepräsidenten für Verbandsentwicklung Prof. Dr. Uwe Pfenning. Er hat unter Anderem erste Ergebnisse der Vereinsbefragung vorgestellt. Konkrete Ergebnisse gibt es bei einer solchen Veranstaltung weniger, aber viele Denkanstöße und sehr viel Motivation.

Immerhin haben sich einige Bedürfnisschwerpunkte herauskristallisiert, z.B. „Fundraising“ und „Öffentlichkeitsarbeit“ auf der Vereinsebene, wie zwei Teilnehmer der Konferenz uns mitgeteilt haben. Oder eine Öffnung der Vereine für die Kooperation mit kommerziellen Schachanbietern, für die Christian Zickelbein (HSK) in einem leidenschaftlichen Appell geworben hat, was sofort positiv aufgenommen wurde. Diese Themen sollen bei künftigen Diskussionen über die Zukunft des DSB berücksichtigt werden. Ein weiteres konkretes Ergebnis sehe ich darin, dass sich mehrere Teilnehmer der Konferenz spontan bei mir gemeldet und ihre Bereitschaft erklärt haben, auf Bundesebene Verantwortung zu übernehmen und im Sinne der auf der Konferenz erarbeiteten Zielsetzungen für den Deutschen Schachbund zu wirken.

Dirk Schröter vom DOSB begeisterte mit einem Referat über die Zukunft der Vereine. Als er davon sprach, dass die Vereine sich ein Leitbild und Zielsetzungen geben müssen, erinnerte mich das an die leider gescheiterte Diskussion in den Jahren 2011 bis 2013 um die Entwicklung eines Verbandsprogramms im DSB. Mir scheint, dass diese Diskussion wieder aufgenommen werden sollte, um mit einem mehr Erfolg versprechenden Konzept doch noch zu einem Ergebnis zu kommen. Ich halte das für hilfreich, um konkurrenzfähig zu anderen Sportarten zu bleiben, und hoffe, dass sich mehr Schachfreunde diesen Überlegungen anschließen können.

Zeitgemäße Kommunikation

Die Bundesvereinskonferenz

Die Bundesliga hat sich vor einigen Jahren als eigener Verein innerhalb des Schachbundes organisiert und kümmert sich größtenteils selber um ihre Organisation. Wie genau funktioniert die Aufgabenteilung zwischen Schachbund und Bundesliga? Hat der Schachbund noch ein Mitspracherecht?

Der Deutsche Schachbund ist in der gemeinsamen Kommission durch unseren Turnierdirektor Ralph Alt und zwei weitere Vertreter präsent (§50 Satzung DSB). Umgekehrt hat der Bundesliga e.V. Stimmrecht auf den Kongressen und Hauptausschüssen des Deutschen Schachbunds. Weiter nimmt der DSB stimmberechtigt an den Mitgliederversammlungen des Schachbundesliga e.V. teil, und zuletzt hat Frank Neumann in einer Reformkommission zur Vermarktung mitgearbeitet. Darüber hinaus gibt es bei Bedarf Kontakte mit Markus Schäfer, dem Präsidenten des Bundesliga e.V., die in guter Atmosphäre und mit konstruktiver Ausrichtung verlaufen.

Die gemeinsame Kommission erörtert die schachsportliche Entwicklung der Deutschen Mannschaftsmeisterschaften und erstellt den Rahmenterminplan für das jeweils kommende Spieljahr. Sie ist befugt, Änderungen der Turnierordnung zu beschließen, die den Spielbetrieb sowohl der 1. wie den der 2. Schach-Bundesliga gleichermaßen oder die Einführung weiterer Spielklassen oberhalb der 2. Schach-Bundesliga oder eine grundsätzliche Änderung des Austragungsmodus der 1. Schach-Bundesliga betreffen. Die Änderungen bedürfen der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder der Bundesspielkommission.

Vor der Schlussrunde gab es eine überraschende Pressemitteilung der SG Trier, in der diese ihren „Umzug nach England“ bekannt gab. Als Grund wurde zwischen den Zeilen fehlende Kooperationsbereitschaft der Bundesliga und des Schachbundes angedeutet. Können Sie etwas zum Hintergrund berichten?

Diese Meldung hat mich auch überrascht, obwohl vor kurzem schon Gerüchte zu mir vorgedrungen waren. Aber wenn die Verhandlungen mit ähnlichem Geschick wie der einleitende Vergleich mit dem Föderationswechsel von Arkadij Naiditsch geführt wurden, wundert mich das Ergebnis nicht.

Fakt zu sein scheint, dass die Mitglieder des Fusionsvereins die Bundesligamannschaft nicht mehr wollten, obwohl deren Sponsor zu weiterem Engagement bereit war. Wahrscheinlich hat die Bindung zum Verein nicht gut funktioniert. In Folge dessen wollte sich die Bundesligamannschaft zusammen mit dem Sponsor selbstständig machen und die Lizenz des Vereins übernehmen, um weiter in der Bundesliga spielen zu können. Wie in der Pressemitteilung erwähnt hatte man mich 2015 angesprochen und um Unterstützung gebeten. Nach Rücksprache mit dem Bundesliga e.V. und dem Bundesturnierdirektor konnte ich nur auf das gültige Ordnungswerk verweisen, dessen Änderung außerhalb meiner Macht stand. Eine Lizenzübernahme hätte eine Zustimmung der Mitgliederversammlung des Bundesliga e.V. vorausgesetzt, die offenbar nicht erreicht wurde. Das musste der Deutsche Schachbund respektieren.

Gerne hätte ich mich wieder eingeschaltet, um vielleicht doch noch eine Lösung auszuarbeiten. Nachdem jedoch keinerlei neue Information zu mir vordrang, erkannte ich keinen Handlungsbedarf. Ich respektiere das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten von Vereinen und Verbänden, solange ich nicht ausdrücklich zum Eingreifen aufgefordert werde.

Aus diesen Vorgängen abzuleiten (neben anderen Albernheiten), dass „seitens der Funktionäre kein ausreichendes Interesse an Leistungssport besteht“, hat kein Bundesliganiveau. Vielleicht hätte man sich mehr um die Mitglieder des eigenen Vereins kümmern müssen!? Und es geht eben nicht nur darum, möglichst gut Schach zu spielen. Was bringt das, wenn sich niemand dafür interessiert? Fans und Förderer wollen wertgeschätzt werden!

Auch wenn die zentrale Endrunde in Berlin eine schöne Veranstaltung war. Es gibt immer wieder Kritik an der Organisation der Bundesliga: Großes Gefälle zwischen den Vereinen in Bezug auf die finanziellen Möglichkeiten, Überteuerung, auch durch hohe Reisekosten, keine Vereinsanbindung der Mannschaften, zu viele Legionäre, keine regelmäßigen Termine, Zersplitterung des Liga in verschiedene lokale Events. Wenig Zuschauer vor Ort. Muss die Bundesliga sich reformieren?

Hier gilt für mich das gleiche Prinzip: Die Bundesligavereine regeln das unter sich. Meine Aufgabe als Präsident sehe ich darin, einzugreifen, wenn das gewünscht wird oder wenn etwas ins Stocken gerät und von alleine nicht mehr in Gang kommt. Unsere Bundesliga halte ich für lebendig und ihre Funktionäre für kompetent genug, um demokratische Lösungen zu finden. Die Entwicklungen der letzten Zeit bestätigen das doch sehr eindrucksvoll!

Vielen Dank für das Gespräch!  


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren