Gisbert Jacoby: Eröffnungsstrategie 2 - DVD
Rezension von Martin Rieger
Stundenlanges Auswendiglernen von
Eröffnungsvarianten hat schon so manchem Schachfreund den Spaß am Schach
geraubt. Die heutige Informationsflut und die riesige Menge an frei verfügbarem
Wissen machen es dem armen Schachfreund nicht gerade einfacher, ein
pflegeleichtes unkompliziertes Eröffnungsrepertoire auf die Beine zu stellen.
Früher konnte man seinen Gegner vielleicht noch mit diversen Gambits in der
Eröffnung überraschen, heute zeigen gigantische Datenbanken auf Knopfdruck die
richtige Erwiderung an und zusätzlich wird die statistische
Gewinnwahrscheinlichkeit gleich mitgeliefert. Und hier beginnt das Dilemma,
entweder ist man gezwungen stundenlang Varianten büffeln um einen Erfolg zu
erzielen oder man weicht auf pflegeleichtere Systeme aus, die keinen so großen
Erfolg versprechen.
Der langjährige Trainer der Hamburger
Bundesliga-Mannschaft und Sekundant Robert Hübners bei dem Kandidatenfinale
gegen Viktor Kortschnoj 1980 in Meran und dem Kandidatenwettkampf gegen Vassily
Smyslov 1983 in Velden, Gisbert Jacoby, zeigt auf vorliegender Trainings-DVD den
intelligenten Weg zum Eröffnungsstudium ohne stundenlanges Variantenbüffeln.
Wie kann ich Eröffnungen lernen ohne
stundenlanges Auswendiglernen? Den Weg den Jacoby hier beschreitet, ist so
einleuchtend wie auch logisch, Eröffnungsmuster lautet das Zauberwort! Was ist
darunter zu verstehen?
Vorliegende Stellung entstand aus der so
genannten Rubinstein-Variante der Französischen Eröffnung (1.e4 e6 2.d4 d5
3.Sc3/d2 dxe4 4.Sxe4). Weiß hat einen Bauern und eine Figur günstig im Zentrum
postieren können, Schwarz hingegen plant, sich mit Sf6/Le7 nebst Ld7 oder b6/Lb7
zu entwickeln. In der Partie Bronstein-Kan (Moskau 1947), entstand aus dieser
Eröffnung folgende Stellung:
Weiß ist am Zug und spielte nun Se5! mit der Idee
f4/g4/g5 und Angriff am Königsflügel. Behalten wir nun dieses Muster im
Gedächtnis und sehen uns kurz folgende Stellung an:
Diese Stellung hat Ähnlichkeit mit der Anfangs
besprochenen Rubinstein-Variante, nur mit dem Unterschied, dass hier der c-Bauer
statt des e-Bauern ein Feld vorgerückt ist. Ansonsten ist alles wie gehabt,
weißer Bauer auf d4 plus Springer auf e4. Diese Stellung entsteht aus der
Caro-Kann Verteidigung (1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3/d2 dxe4 4.Sxe4). Jacoby zeigt
anhand der Partie Hübner-Kortschnoj (Meran 1980), wie sich das Angriffsmuster
aus der Rubinstein-Variante auch auf die Caro-Kann Verteidigung übertragen
lässt. Nach den weitern Zügen 4…Lf5 5.Sg3 Lg6 6.h4 h6 7.Sf3 Sd7 8.h5 Lh7 9.Ld3
Lxd3 10.Dxd3 Dc7 11.Ld2 Sgf6 12.0-0-0 e6 13.Se4 Le7 14.Kb1 c5 15.Sxf6+ Sxf6
16.dxc5 Lxc5 17.De2 0-0 setzte Weiß wie fort? Durch das vorangegangene Beispiel
der Partie Bronstein-Kan dürfte hier der richtige Zug kein Problem darstellen.
Analog zur Bronstein-Partie folgte hier das
bereits bekannte Angriffsmuster Se5/f4/g4 mit Angriff: 18.Se5 Tfd8 19.f4 Tac8
20.g4 Lb6 21.Lc1 Sd7 22.Sxd7 [22.g5! Sxe5 23.Txd8+ Txd8 24.fxe5 hxg5 25.Lxg5]
22...Txd7 23.g5 Txd1 24.Txd1 Dc4 25.Td3 hxg5 26.fxg5 e5 27.g6 fxg6 28.hxg6 Tc6
29.Dg2 e4 30.Tg3 Tf6 31.Tg4 De6 32.Txe4+- Txg6 33.De2 Dh3 34.Dc4+ Kf8 35.b3 Tc6
36.La3+ 1-0
Andere Themen die Gisbert Jacoby außerdem noch
behandelt, lauten unter anderem „Kampf gegen das ideale Zentrum e4/d4“, „starke
Läufer“, „Bauernstrukturen und die daraus resultierende günstigste Aufstellung
der Figuren“. Durch Lernen dieser in den Eröffnungen sich ständig wiederholenden
Themen, wie auch der eingangs besprochenen Muster, ebnet der Autor dem Lernenden
den Weg zu einem intelligenten Eröffnungsstudium. Wenn ich weiß, wie ich
Stellungen mit einer Bauernstruktur d4/e5 behandeln muss (kann aus der
Vorstoßvariante in Französisch mit 1.e4 e6 2.d4 d5 3.e5 entstehen), so hilft mir
dieses Wissen auch in ähnlichen Eröffnungen (zum Beispiel 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5).
Das ist vollkommen einleuchtend und auch logisch. Damit lernt man, die Eröffnung
besser zu behandeln und was noch wichtiger ist, auch zu verstehen. Reines
Auswendiglernen von Varianten hat immer den Nachteil, dass man zwar die
einzelnen Züge kennt aber nicht unbedingt die Idee dahinter versteht. Was wäre,
wenn der Gegner von ihren einstudierten Varianten abweicht? In solch einem Fall
wünsche ich ihnen viel Glück und die Einsicht, es vielleicht doch einmal mit der
Methode von Jacoby zu versuchen.
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In insgesamt 44 Videolektionen vermittelt Jacoby
mit didaktischem Fingerspitzengefühl wertvolles Wissen, seine über zehnjährige
Tätigkeit als Trainer des Hamburger Stützpunktes (die Talentschmiede des
Hamburger Jugendschachs aus der unter anderem die Großmeister Matthias Wahls und
Karsten Müller entstammen) dürfte ihm dabei von Nutzen gewesen sein.
Fazit: Gisbert Jacobys
Eröffnungsstrategie geht den lobenswerten Weg des intelligenten
Eröffnungsstudiums. Kein stures Auswendiglernen von Varianten, sondern tiefes
Verständnis anhand von bekannten Mustern und Strukturen. Wer Eröffnungen lernen
und studieren will wie erfahrene Trainer und Großmeister, sollte Herrn Jacoby zu
sich nach Hause einladen, er passt in jedes DVD-Laufwerk :-)
Weitere Trainings-DVDs von Gisbert Jacoby:
Gewinnen in der
Eröffnung Teil 1 - Taktik...
Gewinnen in der
Eröffnung Teil 2 - Strategie 1...
Hamburger
Taktikschule...