ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Interview mit Veselin Topalov
Von Yuri Vasiliev
Veselin Topalov spielte in der letzten Runde des
Corus-Turniers mit Schwarz gegen Teimour Radjabov und bot dem Mann aus Baku ein
verlockendes Damenopfer an. Doch der erkannte, dass er sich offenbar einer
Heimvorbereitung gegenüber sah und riskierte es nicht, die Herausforderung
anzunehmen. Genau mit diesem interessanten Moment beginnen wir unseren Plausch
mit der Nummer 1 der Weltrangliste und einem der drei Co-Sieger des Turniers.
Neben Topalov befand sich sein Trainer und Manager, der berühmte bulgarische IM
Silvio Danailov, der sich wegen der Nachrichten vom Vorstand der FIDE sehr
betroffen zeigte. Als das Thema darauf kam, schaltete er sich ins Gespräch ein.
Veselin Topalov: In letzter Zeit habe ich Probleme mit der Katalanischen Eröffnung gehabt. Genauer gesagt, ich erreiche normale Stellungen, aber schlechte Resultate. Ich habe so viele Katalanen gesehen, dass ich sie einfach über habe. Wie es fast immer kommt, je mehr du siehst, desto mehr Probleme stellen sich dir auch. Letztendlich reduziert sich alles auf eine einzige Variante. Bei Radjabov hoffte ich mehr auf 1.e4 als ersten Zug, und als es Katalanisch wurde, wandte ich eine Neuerung an, die ich fand, als ich die Partie von Elista gegen Kramnik analysierte. Das von mir entworfene Damenopfer gefiel dem Computer nicht; er sagt, dass Weiß gewinnt, aber so einfach ist es nicht. Wenn Radjabov das Opfer angenommen hätte, hätte er sich vielen interessanten Ideen gegenüber gesehen, aber das riskierte er nicht. Ich glaube, dass es in einer derart wichtigen Partie die richtige Entscheidung war.
Yuri Vasiliev: Welche Meinung haben Sie allgemein von Teimour?
Veselin Topalov: Man hat uns ausgelacht, als wir zusagten, das Match gegen ihn
in Baku zu spielen, jetzt aber haben alle begriffen, was wir damals schon
wussten: dass Radjabov einer der stärksten Großmeister der Welt ist. Enormes
Talent, mit kasparovscher Tendenz. Wenn wir seine Jugend berücksichtigen, seine
fantastische Energie, seine Motivation, sein brillantes Spiel in Schnellpartien
und Blitz, wird er in den Wettkämpfen mit der FIDE-Zeitkontrolle besonders
gefährlich sein.
Yuri Vasiliev: Und was haben Sie über den Zweiten auf dem Siegerpodest zu
sagen, Levon Aronian?
Veselin Topalov: Mehr oder weniger dasselbe wie über Teimur. Ihnen gehört die
Zukunft des Schachs.
Yuri Vasiliev: Sprechen wir von der Gegenwart. Sind Sie mit Ihrem
Abschneiden in Wijk aan Zee zufrieden?
Veselin Topalov: Ich fing nicht gut an; in der ersten Partie, gegen Motylev,
verwechselte ich die Zugfolge. Mit dem Mittelteil des Turniers bin ich
zufrieden. Und natürlich habe ich die Schlussphase ein bisschen verpatzt; die
Stellung gegen Svidler hätte ich nicht verlieren dürfen. Gegen Karjakin hatte
ich Glück, in dieser anderen aber nicht. Also sollte ich mich nicht beklagen. Im
großen und ganzen bin ich zufrieden
Yuri Vasiliev: Sie sind die Nummer 1 der
FIDE-Weltrangliste; hier haben Sie weitere sieben Punkte gewonnen, aber aufgrund
des Reglements dürfen Sie nicht an der Weltmeisterschaft in Mexiko teilnehmen,
und Ihre Revancheforderung gegen Kramnik wurde vom Vorstand der FIDE abgelehnt.
Was sagen Sie zu Ihrer derzeitigen Situation?
Veselin Topalov: Natürlich ist das ein Skandal. Ich will Sie als Vertreter der
russischen Presse nicht beleidigen, aber was wir hier haben, ist praktisch die
Privatisierung des Weltmeistertitels. Das I-Tüpfelchen ist, falls Kramnik das
Turnier von Mexiko nicht gewinnt, wird er anschließend im Revanchekampf den
Sieger bezwingen. Und dann werden wir wieder viele Jahre lang eine Person mit
dem Weltmeistertitel sehen, die eindeutig nicht der beste Spieler der Welt ist,
sondern den Titel privatisiert hat. Vom Sieg über Kasparov in einem Match mal
abgesehen hat Kramnik nicht gezeigt, dass er der beste Schachspieler der Welt
ist. Garry hat ihn in den Turnieren immer hinter sich gelassen und war
selbstverständlich der Stärkere. Doch die FIDE wollte Kasparov von der
Weltmeisterschaft ausschließen. Jetzt haben sie dasselbe mit mir vor. Ich
glaube, dass jetzt alle wichtigen Turniere in Russland oder Deutschland
stattfinden werden, wo Kramnik tun kann, wozu er Lust hat.
Topalov, Danailov, Cheparinov
Silvio Danailov schaltet sich ins Gespräch ein:
Silvio Danailov: Für mich ist die Entscheidung der FIDE ein absoluter Skandal.
Ihr Vorstand hat beim Ablehnen unserer Revancheforderung zwei Millionen Dollar
ausgeschlagen, obwohl wir alles gemäß dem Reglement gemacht haben. Sie haben uns
den Weg zur Weltmeisterschaft in Mexiko verstellt, obwohl ich es war, der die
Sponsoren aufgetrieben hat; und Veselin hat mir bei dem Projekt geholfen, indem
er sich sehr bemüht hat, das Schachspiel in dieser Region der Welt populär zu
machen. Wir werden offensichtlich diskriminiert. Aber wir werden das nicht auf
sich beruhen lassen. Und dazu noch die allerneueste Ungerechtigkeit: Kramnik
wird eine Revanche garantiert, falls er das Turnier von Mexiko nicht gewinnt. Da
fehlen mir die Worte.
Yuri Vasiliev: Aber Kramnik sagte mir, dass er diesbezüglich nichts gehört
habe...
Silvio Danailov: Was hat er nicht gehört?! Zynischer geht's nicht mehr! Er hat
nicht nur davon gehört, es war doch auch die Idee seiner Freunde, seines
Managers! Kramnik weiß das sehr wohl! Aber ich glaube, dass all dieses
Gaunereien bald ein Ende haben. Wir haben eine ernste Hilfe; wir haben unsere
Mittel, wir werden die FIDE vor Gericht bringen. Die Minimalsumme, die wir von
der FIDE fordern, sind fünf Millionen Dollar. Die FIDE hat ihre eigenen Regeln
gebrochen und uns schweren Schaden zugefügt, materiell und moralisch. Sie tun
etwas, was es in keiner anderen Sportart gibt: Sie ignorieren den Spieler, der
die Nummer 1 ist, der im Verlauf der letzten zwei Jahre sechs große
Superturniere gewonnen hat und zweimal Zeiter wurde. Sie haben es geschafft,
Kasparov vom Kampf um die Weltmeisterschaft auszuschließen, und jetzt wollen sie
es mit Topalov genauso machen. Solche Willkür darf nicht weitergehen. Wir
bedauern sehr, dass wir die Kandidatur von Iliumzhinov in Turin unterstützt
haben. Jetzt ist uns klar, dass das ein schwerer Fehler war. Aber früher oder
später wird die Gerechtigkeit triumphieren.