Italienische Meisterschaften in Mailand

von Gerhard Bertagnolli
03.12.2015 – Fabiano Caruana war eine Zeit lang das Aushängeschild des italienischen Schachs. Nun ist der Spitzenspieler zurück in die USA gegangen, aber es stoßen einige junge italienische Talente nach, die sich beweisen wollen. Bei der gerade in Mailand begonnenen Landesmeisterschaft gehört auch Jugend-Vizeweltmeister Luca Moroni zur Spitzengruppe. Mehr...

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75. Nationale Schach Einzel-Meisterschaft von Italien 2015 begonnen

Die nationale Einzelmeisterschaft Italiens wird in diesem Jahr bereits zum 75. Mal ausgetragen. Erstmals wurde diese Meisterschaft im Jahre 1921 bestritten. Bis Mitte der 50er Jahre wurde der Titel aufgrund der schweren Zeiten während und nach dem 2. Weltkrieg in unregelmäßigem Abstand vergeben, während ab 1959 der Nationale Schachverband FSI dann jedes Jahr ein Turnier austragen konnte.

Den Rekord an nationalen Titeln hat Stefano Tatai inne (12 Erfolge zwischen 1962 und 1994). Der weithin bekannte Organisator der meisten Turniere von Reggio Emilia Enrico Paoli hat es auf drei Siege gebracht. In den letzten Jahren hat vor allem die Teilnahme von Fabiano Caruana (4 Siege zwischen 2007 und 2011) für Aufsehen gesorgt. Sein Wechsel zur Schach-Föderation der USA Mitte des Jahres 2015 macht eine Teilnahme an den diesjährigen nationalen Titelkämpfen unmöglich (welchen er allerdings auch in den letzten 3 Jahren fern blieb).

Wer nun glaubte die diesjährige Meisterschaft wäre nicht interessant hat sich gewaltig getäuscht: mit einem Elo-Durchschnitt der 12 Teilnehmer von 2490 Punkten ist es die stärkste jemals ausgetragene Meisterschaft (im Vergleich: 2010 nahm Caruana teil, doch der Durchschnitt lag um 4 Punkte unter dem von diesem Jahr!).

Der Spielort

In Anlehnung an die soeben abgeschlossene Weltausstellung Expo und gleichzeitig zum 75. Jubiläum des Turniers wurde Mailand (ital. „Milano“), die Hauptstadt der Lombardei, gleichzeitig die zweitgrößte Stadt Italiens nach Rom und zudem Sitz des italienischen Schachverbandes als Austragungsort gewählt. Die spielberechtigten Teilnehmer kämpfen in einem Rundenturnier zwischen 30. November und 11. Dezember täglich im “Doria Grand Hotel“ um den Titel, das recht gute Preisgeld und manche Elo-Punkte.

Mailand als Austragungsort der 75. nationalen Meisterschaft von Italien

Das Wahrzeichen Mailands – der Dom!



Das 4*-Hotel Doria Grand Hotel bietet ideale Bedingungen für die Spieler

 

Die Bedenkzeit beträgt 100 Minuten für 40 Züge, gefolgt von 50 Minuten für 20 Züge und darauffolgend weitere 15 Minuten, zuzüglich 30 Sekunden Bedenkzeit ab dem ersten Zug.

 

Die Zusammensetzung der 12 Teilnehmer

Der Schachverband Italiens (kurz: FSI) wendet hierzu seit ein paar Jahren ein interessantes System an. Spielberechtigt sind:

• die ersten drei der Meisterschaft des letzten Jahres

• die besten drei aufgrund der durchschnittlichen Elo-Zahl der letzten 12 Monate

• fünf Spieler aus einem Halbfinal-Turnier, welches jeweils im Juli ausgetragen wird

• der Gewinner der U20-Meisterschaft

 

Demzufolge waren für die Meisterschaft 2015 folgende Spieler spielberechtigt:

Position Eloliste Italiens Name Titel Elo Qualifikation

1 Vocaturo Daniele GM 2588 durch Elo
2 David Alberto GM 2580 Platz 3 2014
3 Brunello Sabino GM 2562 durch Elo
4 Dvirnyy Danyyil GM 2561 Platz 2 2014
6 Rombaldoni Axel GM 2539 Platz 1 2014
7 Godena Michele GM 2508 durch Elo
11 Valsecchi Alessio IM 2466 Halbfinale
13 Moroni Luca FM 2460 Halbfinale
15 Bellia Fabrizio IM 2452 Halbfinale
20 Basso Pier Luigi FM 2435 Sieger U20
36 Borgo Giulio IM 2372 Halbfinale
42 Bove Alessandro FM 2360 Halbfinale

   
Elodurchschnitt 2490



Aufgrund des guten Elo-Durchschnitts haben die jüngeren Spieler durchaus Möglichkeiten zu einer IM- oder sogar GM-Norm. Jeweils noch eine IM-Norm fehlen Luca Moroni und Pier Luigi Basso zum Erlangen des entsprechenden Titels.

Die Favoriten

Aufgrund der Elo-Zahlen scheinen die ersten fünf der Startrangliste überlegen zu sein, doch die anderen Spieler werden ihre Haut teuer verkaufen und der eine oder andere GM-Skalp könnte folgen. Axel Rombaldoni hat im letzten Jahr mit 8 aus 11 überlegen vor Danyyil Dvirnyy (7,5) und Alberto David (6,5) gewonnen, daher gehört er genauso zu den Gejagten wie der Ranglistenerste Daniele Vocaturo, welcher nach 6 Jahren Abwesenheit wieder bei den nationalen Titelkämpfen mitspielt und erst vor wenigen Tagen die italienische Mannschaft u.a. durch Siege gegen Alexei Shirov, Hannes Stefansson und Tomi Nyback erfolgreich bei der Mannschafts-Europameisterschaft in Reykjavik angeführt hat. Die weiteren Teammitglieder Danyyil Dvirnyy, Sabino Brunello, Axel Rombaldoni und Michele Godena sind ebenfalls in Mailand mit dabei.

Der Titelverteidiger Axel Rombaldoni (Foto: Giordano Macellari)


Besonders gespannt ist man auf das Abschneiden des U16-Vize-Weltmeisters von Porto Carras (Griechenland), FM Luca Moroni und dem weiteren aufstrebenden Talent FM Pier Luigi Basso, seines Zeichens amtierender U20-Landesmeiter. Aufmerksame Leser erinnern sich, Moroni wurde Zweiter in Griechenland …hinter dem deutschen Weltmeister FM Roven Vogel!

Der große Abwesende des Turniers ist die Nummer 5 der nationalen Eloliste Francesco Rambaldi (zuletzt u.a. Gewinner des großen Opens von Wien), welcher sicherlich in den nächsten Jahren bei der Titelvergabe mitsprechen wird.

Runde 1 – Spitzenduell mit Sieger, alle anderen Remis

Die Auslosung ergab gleich in der ersten Runde das Spitzenduell der Nummer 2 der Setzliste Alberto David gegen die Nummer 3 Sabino Brunello. In einer spanischen Variante opferte David mit Weiß optimistisch eine Figur, griff dann allerdings kurz darauf fehl (Dg4 anstelle von f4 hätte die Figur zurückgewonnen und ausgeglichenes Spiel geboten), woraufhin Brunello sich nicht lange bitten lies, sich umsichtig verteidigte und nach 40 Zügen den ersten Sieg ins Trockene brachte. Die anderen Partien endeten jeweils remis.

Sabino Brunello - er einzige Sieger in der 1. Runde (Foto: Andrea Bracci)

 

Runde 2 – Ausgeglichenheit ist Trumpf

Das Spitzenduell der 2. Runde lautete „Ranglistenerster gegen Titelverteidiger“, somit Daniele Vocaturo gegen Axel Rombaldoni. Während zunächst Weiß wohl ein wenig besser stand verirrte sich sein Springer so, dass er die Qualität geben musste, um den Springer nicht zu verlieren. Schwarz stand wohl besser, aber vermochte die Partie nicht zu gewinnen und willigte in eine Zugwiederholung ein.
Wie am ersten Tag war auch dieses Mal das Schlusslicht der Setzliste, Alessandro Bove, der am längsten am Brett saß. Auch heute erkämpfte er sich einen halben Punkt, dieses Mal gegen einen der Mitfavoriten, dem Sieger vom Jahr 2013 Danyyil Dvirnyy.
Auch die anderen Partien endeten alle mit einer Punkteteilung.

Runde 3 – erster Führungswechsel

Gleich mehrere Spitzenspiele brachte diese Runde:

• Nummer 2 gegen Nummer 1, Alberto David gegen Daniele Vocaturo
Ein leistungsgerechtes Remis nach umkämpftem Verlauf.

• Nummer 4 gegen Nummer 3, Danyyil Dvirnyy gegen Sabino Brunello
In einem angenommenen Damengambit kam ein schwarzer Freibauer recht schnell vorwärts (im 22. Zug war dieser bereits auf der zweiten Reihe), doch Weiß gelang es galant, diese vorübergehende Stärke in eine Schwäche umzuwandeln, was er am Ende in einen Sieg verwandelte.

• Titelverteidiger gegen 5fachem Sieger, Axel Rombaldoni gegen Michele Godena
Durch ungenaues Spiel im beginnenden Mittelspiel kam Schwarz in Bedrängnis, was Weiß prompt zum vollen Punkt ausnutzte.

• Duell der Jungstars, Pier Luigi Basso gegen Luca Moroni
Die zwei Nachwuchshoffnungen und Anwärter auf den IM-Titel schenkten sich nichts, in bereits kritischer Stellung begann Basso einen schweren Fehler und gab umgehend auf.
Zudem kam in dieser Runde Alessio Valsecchi gegen Giulio Borgo zum ersten Sieg.

Der Anführer der italienischen Eloliste Daniele Vocaturo mit verhaltenem Start: 1,5 aus 3 (Foto: Andrea Bracci)




Duell der Jungstars Pier Luigi Basso – Luca Moroni 0-1 (Foto: FSI)

 

Partien

 

 

Stand nach Runde 3





Offizielle Webseite...

 


Gerhard Bertagnolli, Jahrgang 1976, Internationaler Schiedsrichter aus Südtirol/Italien mit Einsätzen südlich und nördlich der Alpen, steht gerne auch für deutschsprachige Schachfreunde für Fragen zu Turnieren in Italien zur Verfügung.

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