Kasparov und die "Fünfte Kolonne"

von ChessBase
17.11.2004 – Offizielle russische Kreise bezeichnen die Kräfte der Opposition im Lande gerne als "Fünfte Kolonne", ein Begriff, der auf Ernest Hemingway und eine Geschichte über den Spanischen Bürgerkrieg zurückgeht. Gemeint ist eine Gruppe von Kämpfern, die im gegnerischen Lager auf den Angriff wartet. Im vergangenen Jahr hat sich der frühere Schachweltmeister Garry Kasparov im Komitee 2008, das sich für freie Wahlen in vier Jahren stark macht, in vielen Äußerungen gegen die Politik Putins gestellt. Manche Russen sehen in Kasparov den kommenden Oppositionsführer, andere den vielleicht aus Washington ferngesteuerten Anführer einer "Fünften Kolonne". Schon gibt es Gerüchte über mögliche Einflussnahmen Putins auf den gescheiterten Wettkampf zwischen Kasparov und Ponomariov. Warum wurde Verbandspräsident Zhukov, gleichzeitig Inhaber des dritthöchsten Amtes im Staat, von einer "übergeordneten Instanz" zu einem anderen Meeting beordert, statt wie geplant zur Eröffnungspressekonferenz der Russischen Meisterschaft zu erscheinen? Gerald Schendel lädt in seinem Beitrag zur Betrachtung der Befindlichkeiten russischer Innenpolitik ein. Mehr...

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Garri Kasparow und die "fünfte Kolonne"
Von Gerald Schendel

Der Ausdruck "Fünfte Kolonne" stammt aus dem spanischen Bürgerkrieg. Ein gegen die Republik kämpfender General kündigte 1936 an, er werde mit vier Kolonnen von außen gegen Madrid marschieren - unterstützt werde er von der "fünften Kolonne", seinen Anhängern innerhalb von Madrid. Ernest Hemingway, der den spanischen Bürgerkrieg publizistisch begleitete, veröffentlichte 1938 ein Theaterstück mit dem Titel "The Fifth Column".

Seither hat sich der Ausdruck aus dem historischen Kontext gelöst und wird - polemisch - in unterschiedlichsten Situationen für Anhänger des Gegners im eigenen Lager verwendet.

Mit der diskriminierend gemeinten Bezeichnung "fünfte Kolonne" wurden u.a. belegt (Quelle: Archiv der Tageszeitung
"taz"): die Palästinadeutschen um 1936 (14.08.1999), Deutsche in Polen vor Kriegsbeginn 1939 (12.09.2002), die Russlanddeutschen und die Krimtataren während des zweiten Weltkriegs (10.05.1990), Schweizer Kommunisten in der Schweiz und in der DDR (19.10.2002), die deutschen Sozialdemokraten Anfang der 80er-Jahre (23.08.1989), "KGB-Hacker" an deutschen Heimcomputern (04.03.1989), das Neue Forum in der DDR (27.09.1989), ehemalige Stasi-Mitarbeiter in der Bundesrepublik (11.12.1990), deutsche Beamte in Tarifauseinandersetzungen (07.01.1992) - es gibt zahllose Möglichkeiten, den Begriff "fünfte Kolonne" anzuwenden.

In Russland wird heute der Ausdruck auch in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. In der St. Petersburg Times sprach am 23. Juni 1998 ein russischer Politologe von der "fünften Kolonne" des Kreml in den Regionen. Am 19. März 1999 berichtete AFP über ein Buch, dessen Autor die "fünfte Kolonne" des Zionismus in Russland angriff. Am 13. Mai 1999 nahm Professor Katschanowski in der Sowjetskaja Rossija das organisierte Verbrechen in Russland als "fünfte Kolonne" aufs Korn. Mitte Januar 2001 kritisierte der russische Menschenrechtler Sergei Kowaljow, dass enttäuschte Nationalisten ständig auf der Suche nach äußeren Feinden und einer "fünften Kolonne" sind. Am 22. März 2001 berichtete Igor Malaschenko (Media-Most) im Wall Street Journal Europe, einflussreiche Russen seien der Ansicht, dass die Zerstörung der Sowjetunion in Washington D.C. geplant und von einer "fünften Kolonne" innerhalb der UdSSR durchgeführt wurde. Am 18. März 2003 erschien bei pravda.ru ein Artikel, in dem der Präsident der Ölfirma Jukos, Michail Chodorkowski, als potenzieller Konkurrent des Staatspräsidenten Wladimir Putin identifiziert wurde und die Chodorkowski unterstützenden Journalisten in den Regionen als "fünfte Kolonne" bezeichnet wurden. Nach der Verhaftung Michail Chodorkowskis erschien am 13. November 2003 in der Novaja Gaseta ein Interview mit einem nicht namentlich genannten Angehörigen des KGB-Nachfolgers FSB. Der FSB-Offizier sagte: "(...) Man sollte nur diejenigen Oligarchen behalten, die an das Wohl der Nation denken und nicht daran, wie sie sich die Taschen füllen können. Chodorkowski orientiert sich offensichtlich an den Vereinigten Staaten. Er sollte nicht in Russland sein. Das ist wirklich eine fünfte Kolonne (...)." Die Eliteforscherin Olga Kryschtanowskaja kritisierte in der Novaja Gaseta am 30. August 2004: "(...) Es gibt eine einfache Logik. (...) Da es Sicherheitsdienste gibt, muss es auch Feinde geben - äußere und innere. Der Westen ist der äußere Feind, der Russland alles Schlechte wünscht. Dieser Feind hat einen Verbündeten innerhalb Russlands, die so genannte fünfte Kolonne. Das ist die Weltanschauung der Geheimdienste. (...)"

Am 29. September 2004 erschien in der Zeitung Komsomolskaja Prawda ein Interview mit Wladislaw Surkow, der seit 1999 stellvertretender Leiter der russischen Präsidentialadministration ist. Eine englische Version des Textes wurde vom Informationsdienst BBC Monitoring publiziert. Das Interview erregte allein schon deswegen Aufsehen, weil Wladislaw Surkow hauptsächlich hinter den Kulissen agiert und nur selten vor die Öffentlichkeit tritt. Was Surkow sagte, war ebenfalls bemerkenswert.

Das Interview wurde durch die Feststellung eingeleitet, dass der russische Präsident am 4. September (nach dem Angriff auf die Schule in Beslan) gesagt hat, Russland sei angegriffen worden und das Land befinde sich im Krieg. Auf die Frage nach dem Warum antwortete Surkow: "Wissen Sie, die Entscheidungsträger in Amerika, Europa und im Osten lassen sich in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Ansichten über unser Land einteilen. In der ersten Gruppe glaubt man, dass unsere Demokratie eine Zukunft hat. Diese Leute unterstützen uns und bemühen sich, die Revitalisierung und Konsolidierung Russlands abzusichern - als ein wichtiges Element der geopolitischen Balance, als Markt und als ein guter Nachbar und verlässlicher Verbündeter. Die zweite Gruppe, so scheint es mir, besteht aus Leuten, die noch immer an Phobien des Kalten Krieges leiden, die unser Land als potenziellen Gegner sehen und die eine totale finanzielle Blockade der Terroristen und deren politische Isolierung nicht wollen. Sie rühmen sich des beinahe unblutigen Zusammenbruchs der Sowjetunion und versuchen, diesen Erfolg auszubauen. Ihr Ziel ist die Zerstörung Russlands und die Bildung einiger ohnmächtiger Pseudo-Staaten." Die dabei angewandten Methoden seien keineswegs neu. "Die ‘Detonation’ unserer Südgrenzen zum Zweck der Schwächung Russlands als Ganzem wurde schon wiederholt im 19. und 20. Jahrhundert angewandt."

Das geplante neue Verfahren zur Auswahl der Gouverneure in den Regionen und der Parlamentsabgeordneten begründete Surkow durch die Notwendigkeit, den Staat zu stärken: "Das Hauptziel der Interventionisten ist die Zerstörung des russischen Staates. Angesichts dieser Drohung ist der Präsident absolut verpflichtet, das Verfassungsprinzip der Einheit der Exekutive vollständig zu erfüllen. (...) Die Menschen in Washington würden uns besser verstehen, wenn es in den USA zum Beispiel eine afroamerikanische Republik oder ein hispanisch-jüdisches autonomes Gebiet gäbe. Unser Land ist einzigartig und benötigt eine adäquate Verwaltungsordnung." Mit dem Terminus "Interventionisten" spielte Wladislaw Surkow auf die bewaffneten ausländischen Interventionen in Sowjetrussland 1918-20 an. "Wir alle müssen erkennen, dass der Feind vor der Tür steht." Deswegen seien Wachsamkeit, Solidarität, gegenseitiger Beistand und vereinte Anstrengungen von Bürgern und Staat erforderlich.

Auf den Hinweis des Interviewers, es gebe Skeptiker, die sich einer Kooperation mit der Regierung verweigern werden, erwiderte Surkow: "Wir müssen geduldig sein und dürfen nicht die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des Dialogs verlieren. Überzeugung ist das Hauptinstrument der Demokratie. Es gibt natürlich einige Leute, die sich nie auf eine Partnerschaft einlassen werden. In unserem belagerten Land hat sich eine fünfte Kolonne von Links- und Rechtsextremisten gebildet. Limonen und Äpfel wachsen nun auf demselben Zweig (eine Anspielung auf Limonows National-Bolschewiken und die Jawlinski-Gruppierung Jabloko - GSch). Falsche Liberale und echte Nazis finden immer mehr zueinander. Sie haben gemeinsame Sponsoren im Ausland. Sie hassen, was sie "Putins Russland" nennen, was in Wirklichkeit bedeutet, dass sie Russland per se hassen. Das ist nichts Außergewöhnliches. Dostojewski schrieb seinerzeit über solche Leute. Heute amüsieren sich all diese Smerdjakows (Figur aus den Brüdern Karamasow - GSch) und Lyamschins (Figur aus den Besessenen - GSch), indem sie in mehreren Komitees auf das Jahr 2008 warten, wenn ihrer Ansicht nach ihr Vaterland im Krieg gegen den Terrorismus besiegt sein wird. Gott wird über sie richten. Wir können ohne sie zurechtkommen. (...)"

Die letzten Sätze von Wladislaw Surkow enthalten eine Anspielung auf das im Januar 2004 gegründete "Komitee 2008", dessen Präsident Garri Kasparow ist.

Der Chefredakteur der Publikation Moskowskije Nowosti (Moscow News), Jewgeni Kiseljow, reagierte auf das Surkow-Interview der Komsomolskaja Prawda vom 29. September in einer Sendung der russischen Radiostation Echo Moskwy am gleichen Tag.

Hintergrundinformation: Die von Jukos-Chef Michail Chodorkowski gegründete Stiftung "Open Russia Foundation" (Otkrytaya Rossiya), in deren Vorstand sich u.a. Henry Kissinger und Lord Jacob Rothschild befinden, hatte am 4. September 2003 bekannt gegeben, dass sie die Publikationsrechte der in der Glasnost-Zeit bekannt gewordenen Publikation Moskowskije Nowosti erworben und Jewgeni Kiseljow als Chefredakteur eingesetzt habe. Am 16. September 2003 gab die US-Agentur USAID die Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens mit Open Russia bekannt:
 


Jewgeni Kiseljow gehörte im Januar 2004 wie die Open-Russia-Direktorin und Chodorkowski-Sprecherin Irina Jasina zu den Gründungsmitgliedern von Kasparows "Komitee 2008".

Kiseljow sagte auf dem Sender Echo Moskwy am 29. September 2004, er sei verblüfft und könne das Surkow-Interview nicht kommentieren. Er kenne Wladislaw Jurjewitsch Surkow seit langer Zeit, seit Anfang der 90er-Jahre. Damals sei Surkow Sprecher von Michail Borisowitsch Chodorkowski gewesen und habe für Menatep gearbeitet. Da sich Surkow bei seinen seltenen Auftritten in der Öffentlichkeit bis vor kurzer Zeit als ein Mann von eher liberalen Ansichten präsentiert habe, könne man das Interview als ein Alarmsignal interpretieren. Kiseljow zitierte die Passage, in der Surkow die "fünfte Kolonne" charakterisierte, und meinte dann: "Wie soll man das verstehen? Wir stehen vor 1937. Es ist nicht der Feind oder ein Terrorist, der uns bedroht. Es sind Nikolai Iwanowitsch Jeschow und Lawrenti Pawlowitsch Beria." Jeschow und Beria waren Geheimdienst-Chefs, die Dissidenten verfolgten.

Einige Tage später schrieb Kiseljow, man müsse herausbekommen, wer der eigentliche Urheber von Surkows Ideen sei. Surkow habe wohl nicht seine persönliche Meinung zum Ausdruck gebracht. Sprach er für Staatspräsident Putin, in dessen Auftrag? Oder sprach er für die Sicherheitsorgane? Von der Antwort auf diese Frage hänge ab, "in welchem Land wir erwachen werden - vielleicht schon nächsten Montag".

Boris Nemzow, Ko-Vorsitzender von Kasparows "Komitee 2008", sagte der Nesawissimaja Gaseta: "Es hat angefangen an dem Tag, als Boris Jelzin beschloss, Putin zu seinem Nachfolger zu machen. Es ist offenbar sehr schwierig, die Denkweise von jemandem zu ändern, der in sowjetischen KGB-Schulen ausgebildet und von Kindheit an darauf getrimmt wurde, in Amerika den Hauptfeind zu sehen."

Ein tschetschenischer Politologe, Saindi Tscholtajew, analysierte für die Jamestown Foundation (Surkov and the Search for Enemies; 6.10.04): "Es war nicht die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland - und gewiss nicht aus Amerika oder dem Westen -, die den Nordkaukasus entflammte. Das Blutvergießen begann nach Fehlern auf beiden Seiten, oder genauer: wegen krimineller Aktionen machthungriger Kräfte sowohl unter Russen wie Tschetschenen. (...) Nach Feinden zu suchen, wo keine sind, jede Form der Opposition als eine fünfte Kolonne zu betrachten, pseudo-demokratische Mechanismen an die Stelle von wirklichen zu setzen, während man auf der Heiligkeit der herrschenden Machtelite insistiert, all das sind Schritte rückwärts, hin zu einem autoritären System."

Viktor Jurjewitsch Militarew, Vizepräsident des Instituts für Nationale Strategie, meinte dagegen in einem Interview für Rossiiskie Vest (28.10.04): "Es kommt nicht oft vor, dass ich mit Wladislaw Surkow übereinstimme, aber ich glaube, er hat Recht, wenn er sagt, dass sich in Russland eine ‘fünfte Kolonne’ bildet. Eine seltsame Allianz formiert sich (...)".

Garri Kasparow, Vorsitzender des "Komitees 2008", griff das Thema der "fünften Kolonne" in einem Beitrag für das Wall Street Journal auf (Putin’s Appeasers; 11.11.04). Seiner Ansicht nach befindet sich Russland im Übergang zu einem autoritären Staat, ja sogar auf dem Marsch in die Diktatur. Den Vereinigten Staaten und Europa stellte Kasparow die rhetorische Frage: "Was geht es uns an, wenn Russland eine Diktatur ist, solange man mit diesem Land Geschäfte machen kann? Diese ‘Chamberlain-Methode’ sollte keiner weiteren Diskreditierung bedürfen." Die Sprache, die vom herrschenden Kreml-Regime benutzt wurde, habe man seit Stalin nicht mehr in Russland gehört: "Official talk of foreign meddlers and fifth columnists will send chills down the spine of a any student of history." Wenn sich diese aus der Geschichte bekannte Entwicklung programmgemäß fortsetze, "können wir demnächst mit gewaltsamer Repression und Säuberungen rechnen." Es sei nun klar, dass Präsident Putin 2008 nicht freiwillig abtreten werde.

Jewgeni Jasin, russischer Wirtschaftsminister, bzw. Minister ohne Portfolio 1994-98 und derzeit Leiter der Hochschule für Ökonomie, ging am 7. Oktober 2004 in einer Rede im Rahmen der Konferenz "Regierungsreform in Russland - was muss getan werden?" auf das Interview von Wladislaw Surkow ein. Zur Förderung der Demokratie unterstütze er den Vorschlag, einen "zivilen Kongress" einzuberufen. Nötig sei eine starke Demonstration demokratischer Kräfte, die nicht so einfach zerstreut werden könne - ob dies Surkow passe oder nicht. Im Kampf um Demokratie sei eine Organisation nötig und ein Aktionsprogramm zur Verteidigung der Demokratie: "Lasst uns darin übereinkommen, dass wir eine Einheitsfront zur Verteidigung unabhängiger Nicht-Regierungs-Organisationen bilden. Ich glaube, das wird ein Test sein, der zeigen wird, was wir tun können."

Am 4. November 2004 sprach sich Georgi Satarow, ein früherer Berater von Ex-Präsident Jelzin und derzeit Präsident der InDem-Stiftung, in der Novaja Gaseta für die Einberufung eines "zivilen Kongresses" aus. Unter Jelzin und unter Putin sei man auf verschiedenen Wegen zum gleichen Resultat gekommen. Jelzin habe eine schwache Demokratie gegründet, und Putin sei dabei, eine noch schwächere Diktatur zu etablieren. Beides habe zu Unordnung und Verwirrung geführt. Doch dies sei ganz natürlich, denn beide Arten von Schwäche hätten unvermeidlich einen ähnlichen Effekt. Darüber hinaus habe die schwache Diktatur eine größere Konfusion verursacht als die schwache Demokratie. Jedermann sei der Schwäche müde: "Daher stehen wir vor einen klaren und einfachen Entscheidung - entweder eine starke Diktatur oder eine starke Demokratie." Es gebe derzeit keine aktive Kraft zur Etablierung einer starken Diktatur. Eine starke Demokratie könne in einer zivilen Gesellschaft gegründet werden. "Aber wir sind nicht sicher, ob wir eine solche Gesellschaft haben. Sicher bin ich mir jedoch darin, wir werden nie wissen, wie stark wir sind, wenn wir uns nicht vereinigen und versuchen, eine starke Demokratie aufzubauen." Die Einberufung eines allrussischen "zivilen Kongresses" sei ein erster Schritt. Dieses Forum soll Repräsentanten von Bürger-Organisationen, von verschiedenen politischen Parteien (von der Union der Rechten Kräfte bis hin zu den Kommunisten), von Gewerkschaften, unabhängigen Massenmedien und Vereinigungen von Künstlern zusammenbringen. Oberstes Ziel sei, eine neue politische Agenda für die Nation zu entwerfen. Die Idee sei, bis zu den Wahlen 2007/2008 eine Oppositions-Koalition zu etablieren.

Garri Kasparov hat den Beitrag von Georgi Satarov offensichtlich gelesen, denn in seinem Artikel für das Wall Street Journal (11.11.04) übernahm er Elemente aus Satarows Text. Kasparow: "Unter Boris Jelzin hatte Russland eine schwache und unstabile Demokratie. Jetzt unter Wladimir Putin hat das Land eine schwache und unstabile Diktatur."

Satarow und Kasparow benützten in ihren Texten einen historischen Vergleich. Während Satarow das derzeitige Ansehen der Demokratie in Russland mit dem in Deutschland am Ende der Weimarer Republik verglich, verglich Kasparow die Beziehung zwischen dem Westen und Russland mit der Appeasement-Politik gegenüber dem Deutschland von 1938.

Ob Garri Kasparow die Führungsfigur einer russischen Oppositions-Koalition sein wird? Er war es jedenfalls, der am 26. Oktober den Termin für den "zivilen Kongress" bekannt gab: 12. Dezember, der Verfassungstag in Russland. An die tausend Delegierte sollen zu diesem Kongress eingeladen werden. Die Kommunistische Partei Russlands hat schon ihre Bereitschaft erklärt, an dem Kongress teilzunehmen.

Einige Mitglieder von Kasparows "Komitee 2008" waren sich nicht sicher, ob das Forum wirklich am 12. Dezember zusammentreten kann, denn die Zeit für die Organisation des Treffens sei sehr knapp, doch am 16. November wurde in einer Interfax-Meldung über die erste Sitzung des Organisationskomitees berichtet. Der Kongress soll am 12. Dezember im Moskauer Hotel Cosmos stattfinden. Einberufen hatte die Sitzung der Präsident der InDem-Stiftung, Georgi Satarov. Er sagte, es gehe bei diesem Kongress nicht darum, einander etwas vorzujammern, sondern darum, konkrete Schritte zu einer gemeinsamen Aktion einzuleiten.

Zum Organisationskomitee gehörten u.a. die Präsidentin der Moskauer Helsinki-Gruppe Ludmila Alexejewa, die Präsidentin der Holocaust-Stiftung Alla Gerber, der stellvertretende Vorsitzende der Jabloko-Partei Sergei Iwanenko, der Chefredakteur der Moskowskije Nowosti Jewgeni Kiseljow, Sergei Kowaljow, der Präsident der Glasnost-Verteidigungs-Stiftung Alexei Simonow, die Politikerin Irina Chakamada und ... der 13. Schachweltmeister und Vorsitzende des "Komitees 2008" Garri Kasparow.

Gerald Schendel / 17.11.2004

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren