Lothar Schmid feiert Jubiläum

von ChessBase
10.05.2013 – Lothar Schmid ist Verleger, Schachgroßmeister, Fernschachspieler und Schiedsrichter. Und auf allen Gebieten erfolgreich. Er zählte zu den besten deutschen Spielern der Nachkriegszeit, ist Fernschachgroßmeister, besitzt die weltweit bedeutendste Sammlung von Schachpublikationen und leitete als Schiedsrichter schwierige Weltklassekämpfe. Heute wird er 85. Dagobert Kohlmeyer ehrt den Jubilar.  Zur Laudatio...

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Laudatio auf eine Schachlegende

Zum 85. Geburtstag von Lothar Schmid

Von Dagobert Kohlmeyer


Einer der besten deutschen Schachspieler feiert am 10. Mai 2013 85. Geburtstag: Lothar Schmid
Über Lothar Schmid zu erzählen heißt, den berühmten Reiter in den Bamberger Dom zu tragen. Der Großmeister und Karl-May-Verleger wird heute 85 Jahre alt. Längst ist Lothar, den der Autor dieser Zeilen seit 1990 persönlich kennt und bei vielen Gelegenheiten getroffen hat, eine lebende Schachlegende. Der Jubilar spielte bei elf Schacholympiaden und zählte viele Jahre zu den renommiertesten Schiedsrichtern für das königliche Spiel. Legendär war vor allem sein Einsatz beim spannungsgeladenen WM-Match Fischer - Spasski 1972 in Reykjavik. Seit frühester Jugend sammelt Schmid Schachliteratur und -figuren. Er besitzt die wertvollste private Schachbibliothek der Welt.

Lothars Liebe zu Büchern und zum Schach hält schon sein ganzes langes Leben an, seine Erzählungen und Anekdoten über die Begegnungen mit den Großen der Zunft bereiten immer wieder Vergnügen. Der Bamberger sagte mir einmal: „Das Verlegen von Büchern ist eine schöpferische Sache. Ich setze die Ideen des Autors in die Realität um. Schach ist auch sehr kreativ. Im Sammeln von Büchern vereint sich beides.“


Lothar Schmid: Sammler, erfolgreicher Olympiakämpfer, Schachgroßmeister, Fernschachspieler und Schiedsrichter

Lothar Schmid war -  wie auch sein Freund und Großmeisterkollege Wolfgang Unzicker - niemals Schachprofi, dafür ließ ihm sein Verlegerberuf einfach keine Zeit. Der Großmeister gehörte jedoch viele Jahre zu den spielstärksten Amateuren der Welt. Dabei hatte er erst spät mit dem Schach begonnen. Zuerst spielte er nur mit Freunden. „Ging eine Partie unentschieden aus, ermittelten wir den Sieger dann im Ringkampf“, erinnert sich Schmid.

Mit 13 Jahren wurde er Mitglied im Schachklub seiner Geburtsstadt Radebeul. Zwei Jahre später war er schon Stadtmeister von Dresden und Gaumeister von Sachsen. 1943 belegte er bei der Jugend-Reichsmeisterschaft in Wien den geteilten zweiten Platz. Dort lernte Lothar auch Alexander Aljechin kennen („Ich spürte das ganze Faszinosum seiner Persönlichkeit und war sehr beeindruckt.“)

1947 gewann Schmid die deutsche Jugendmeisterschaft und im gleichen Jahr die Meisterschaft der Sowjetischen Besatzungszone nach einem Titel-Stichkampf gegen Gerhard Pfeiffer. Diesen ersten Platz teilte er auch 1949 nach dem Turnier in Großröhrsdorf gemeinsam mit Wolfgang Pietzsch.

Im Jahre 1947 war die Familie Schmid nach Bamberg umgezogen und führte dort den Verlag weiter.

Ehepaar Schmid und Klara Kasparova (mitte), die Mutter von Garry Kasparov
1948 nahm Lothar erstmals an der deutschen Meisterschaft der Herren teil und belegte dabei den vierten Platz. 1950 gewann er im Finale gegen Walter Niephaus den zum ersten Mal ausgetragenen „Deutschen Schachpokal“. Für seinen Sieg beim Turnier in Zürich 1954 (vor dem Schweizer Nievergelt und dem Holländer Euwe) wurde ihm später der Großmeistertitel verliehen.

Als Karl-May-Verleger konnte Schmid sich, wie eingangs schon erwähnt, dem Schach nie als Profi widmen. So musste er 1958 aus beruflichen Gründen auf die Teilnahme am Interzonenturnier in Jugoslawien verzichten. Aber Lothar Schmid vertrat die BRD zwischen 1950 und 1974 bei elf Schacholympiaden und kam auf 278 Einsätze in der Nationalmannschaft.


Lothar Schmid mit Wolfgang Uhlmann, früher ein Rivale


Lothar Schmid und Burkhard Malich

Mit dem SC 1868 Bamberg wurde er dreimal deutscher Mannschaftsmeister. 1979 errang er im jährlichen BBC-Fernsehturnier „The Master Game“ den 1. Platz vor Walter Browne, Viktor Kortschnoi, Vlastimil Hort, Robert Byrne und anderen. 1982 zog er sich im Alter von 54 Jahren vom Wettkampfschach zurück.

Der Aufbau 1.d2-d4 c7-c5 2. d4-d5 d7-d6 3. e2-e4 Sg8-f6 4. Sb1-c3 g7-g6 wurde als Schmid-Benoni bekannt.

Lothar Schmid war auch ein starker Fernschachspieler. Er gewann die deutsche Meisterschaft 1950 bis 1952 und das Eduard Dyckhoff-Gedenkturnier, das 1954 startete, mit dem erstaunlichen Ergebnis von 14,0 Punkten aus 15 Partien (+13-0=2) vor Spielern wie Alberic O'Kelly und Berthold Koch. Bei der von 1956 bis 1959 ausgetragenen zweiten Weltmeisterschaft belegte er den geteilten 2. Platz. Schmid trägt neben dem Großmeistertitel der FIDE auch den Fernschachgroßmeistertitel der ICCF.






Jahrhundertschiedsrichter

Weltweit bekannt wurde Lothar Schmid vor allem als Schachschiedsrichter. So leitete er den legendären Wettkampf um die Weltmeisterschaft 1972 in Reykjavík zwischen dem sowjetischen Titelträger Boris Spasski und dessen amerikanischem Herausforderer Bobby Fischer. Dieses „Match des Jahrhunderts“ wurde damals zum Kampf der politischen Systeme hochstilisiert. Es ist dem umsichtigen Verhalten von Lothar Schmid zu verdanken, dass dieses brisante Duell trotz aller Spannungen ordnungsgemäß beendet werden konnte. Ohne sein diplomatisches Geschick wäre das Match wohl schon nach der zweiten Partie gescheitert.

Boris Spasski und Lothar Schmid bei der Schacholympiade 2008 in Dresden
Schmid: „Fischer und Spasski waren zwar Schachfreunde, aber eben aus West und Ost. Dieser Zusammenprall machte es kompliziert und hatte zugleich einen besonderen Reiz. Das Match hing am seidenen Faden - Fischer kam ja nicht pünktlich. Es gelang aber auf diplomatischem Wege und durch die Finanzspritze eines Engländers, ihn doch nach Reykjavik zu holen. Aber Bobby trat zur zweiten Partie nicht an und verlor sie kampflos. Er wollte dann unbedingt in einem separaten Raum spielen. Dem wurde entsprochen, aber vor dem dritten Spiel machte er wieder Theater. Da packte ich ihn und Spasski bei den Schultern, drückte sie in ihre Sessel und sagte: „Spielt jetzt!“, Spasski machte wie automatisch den ersten Zug. Es war der schwerste Augenblick, aber das WM-Match gerettet.“

Als es 1992 in Jugoslawien überraschend zu einem Revanche-Wettkampf zwischen Fischer und Spasski kam, war Schmid erneut als Schiedsrichter mit von der Partie. Außerdem leitete er die WM-Kämpfe Karpow-Kortschnoi (Baguio 1978), Kasparow-Karpow (London/Leningrad 1986), das Kandidatenfinale Fischer-Petrosjan 1971 in Buenos Aires sowie vielen andere Top-Ereignisse. Auf Grund dieser Meriten wählte man Lothar Schmid zum Schachschiedsrichter des Jahrhunderts. Die Auszeichnung wurde ihm 2005 im Rahmen der Jugend-Schacholympiade in Novi Sad im Beisein von Exweltmeister Anatoli Karpow verliehen.

Schmid besitzt eine Sammlung von über 50.000 Schachpublikationen, welche die größte in Deutschland und weltweit die bedeutendste Privatsammlung von Schachliteratur ist. Zu den kostbarsten Stücken gehört das erste gedruckte Schachbuch von Lucena, das 1497 erschien. Es heißt „Abhandlung über die Liebe zum Schach und dessen Kunst“ und war sündhaft teuer. Lothar Schmid überlegte ein halbes Jahr, ob er das Buch kaufen sollte. Dann flog er nach Brasilien und erwarb es bei einer Auktion.

 




Das Kapitel Bobby Fischer

Lothar Schmid erlebte über ein halbes Jahrhundert Schachgeschichte hautnah mit. Seine markantesten Erinnerungen verbindet er mit dem 11. Weltmeister. Kennengelernt hatte er Bobby Fischer beim WM-Kandidatenturnier 1959 in Bled, wo Schmid Augenzeuge wurde, wie der damals 16-jährige Amerikaner nach einer Weiß-Niederlage gegen Paul Keres mit Tränen in den Augen ins Hotel stürmte. „Er zeigte schon damals viele Emotionen, was ich als durchaus menschliche Geste empfand“.

Ein Jahr später setzten die beiden ihre Bekanntschaft bei der Schacholympiade in Leipzig fort, wo Fischer erstmalig am Spitzenbrett der USA spielte. Lothar Schmid lud den jungen Großmeister anschließend nach Bamberg ein, wo Fischer sich etwa eine Woche aufhielt. „Bobby schlief jeden Tag bis zum Mittag und nahm dann sein Frühstück ein. Er aß täglich acht Spiegeleier!“

Bei der Rückfahrt zum Flughafen nach Frankfurt am Main machten beide im Spielcasino von Bad Homburg Station. Fischer war noch nicht volljährig, so dass sich Schmid als sein Onkel ausgab, damit der Amerikaner eingelassen wurde. „Bobby spielte sehr vorsichtig. Er setzte immer nur auf Rot oder Schwarz. Schon damals zeigte sich, dass er das Risiko nicht übertrieb, genau wie in seinen Schachpartien“, schilderte Schmid seine damaligen Beobachtungen.


Linkshänder Schmid beim Signieren eines Buches


Auch für ein aktuelles Buch über Fischer war Lothar Schmid als wichtiger Zeitzeuge gern bereit zur Reflektion:

„Die Zeit geht über vieles hinweg. Manches aber bleibt für immer in unserer Erinnerung. Bobby Fischer, das war ein ganzes Kapitel in meinem Leben! Ich habe ihn sehr geschätzt, er war häufig bei mir zu Gast. Der Mann ist ungewöhnlich gewesen - ein Genie, gar keine Frage. Sicher war Fischer einer der besten Schachspieler, die es je gab. Als solchen habe ich ihn von früh an bewundert.        Als Bobby zum ersten Mal zu uns kam, war er noch sehr jung. Und dann kam er öfter. Ich habe ihn immer gern zu Hause begrüßt, man kann durchaus sagen, wir wurden Freunde. Unser Kontakt war angenehm, der Amerikaner trug sich sogar ins Gästebuch ein.

Auf der anderen Seite habe ich als Schiedsrichter seiner Matches und des harten WM-Kampfes von 1972 in Reykjavik immer darauf geachtet, meine Neutralität zu wahren. So gern ich Bobby Fischer mochte, so sehr war er ja auch Kontrahent nicht nur von Boris Spasski, sondern auch von anderen großen Schachspielern. Dies hat sich auch im persönlichen Umgang gezeigt.

Bobby Fischer war ein Genie, das es so nie wieder geben wird. Mit anderen Worten, er war einmalig, seine Art Schach zu spielen wohl unwiederholbar. Und deshalb habe ich ihn nicht nur geschätzt, sondern ich würde fast sagen auch verehrt. Wie Millionen von Schachfreunden habe ich die großartigen Partien des 11. Weltmeisters der Geschichte sehr genossen. Viele davon erlebte ich als Schiedsrichter als erster Augenzeuge hautnah mit. Das bleibt unvergessen.

Mit 64 Jahren starb Fischer viel zu früh. Kontakt hatte ich noch zu ihm, als er in Japan war. Dann haben die freundlichen Isländer ihn aufgenommen. Leider sah ich Bobby in seinen letzten Lebensjahren nicht wieder. Er war beileibe kein einfacher Mensch, weil er anders als die meisten von uns tickte. Man konnte nicht jede seiner mitunter eigenartigen Meinungen teilen. Dennoch wird dieser außergewöhnliche Meister unseres edlen Spiels für immer im Gedächtnis der Schachwelt bleiben.“ 

 

Lothar Schmid geht es seit einiger Zeit gesundheitlich nicht gut. Er begeht den Geburtstag ganz still, nur im engsten Familienkreis. Lieber Lothar, wir wünschen dir alles Gute!


Alte Rivalen und Gefährten: Andreas Dückstein, Burkhard Malich, Wolfgang Uhlmann, Mark Taimanov, Lothar Schmid, Ewgenij Waskukov und Fridrik Olafsson

Auch der Bamberger hat der Schachwelt schöne Partien hinterlassen. Hier sind zwei feine Siege gegen renommierte Gegner.





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