Mikhail Tal - Ein Liebling Caissas

von Nagesh Havanur
10.11.2015 – Mikhail Tal wurde am 9. November 1936 in Riga geboren und starb 1992 in Moskau. Tals mutige Opferpartien verblüffen noch heute und seine Schachbegeisterung inspiriert. 1959 gewann Tal das Kandidatenturnier, ein Jahr später wurde er Weltmeister, mit 24 Jahren der damals jüngste Weltmeister aller Zeiten. Prof. Nagesh Havanur erinnert an diese Zeit. Mehr...

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Mikhail Tal – Ein Liebling Caissas

Von Prof. Nagesh Havanur

Das Kandidatenturnier 1959 war einer der größten Triumphe in der Karriere Mikhail Tals. Acht Spieler nahmen daran teil: Vassily Smyslov, Paul Keres, Tigran Petrosian, Mikhail Tal, Svetozar Gligorich, Pal Benko, Fridrik Olafsson und der 16-jährige Bobby Fischer. (Tal schlug Fischer 4-0). Tal startete mit Niederlagen gegen Smyslov und Keres ins Turnier, kam dann aber immer mehr in Fahrt. Am Ende des zweiten Umgangs war bereits deutlich, dass Tal und Keres die besten Chancen hatten, das Turnier zu gewinnen. Harry Golombek schildert den Auftakt des dritten Umgangs des Turniers, der in Zagreb stattfand, wie folgt:

"War der Zuschauerandrang in Bled schon überraschend groß, so kamen in Zagreb noch mehr Leute. Der Spielsaal hatte etwa 700 Sitze, aber schon lange vor Beginn des Turniers waren alle Karten ausverkauft und für gewöhnlich sammelte sich die Menge vor jeder Runde vor dem Spielsaal..."

Tatsächlich bekamen die Zuschauer in der ersten Runde in Zagreb Einiges geboten. Trotz des guten Ergebnisses von Tals war es ein offenes Geheimnis, dass Smyslov vom Spiel Tals, in dem ihm zu viel von Zufall und Glück abhängig war, nicht viel hielt.

Tatsächlich hatte Smyslov ein paar Tage zuvor gegenüber einem Reporter der Zagreb Evening News angedeutet, wie viel Glück Tal seiner Ansicht nach bislang in diesem Turnier gehabt hatte, und dass er es als Teil seiner Pflicht als Großmeister verstehen würde, gegen Tal auf ordentliche Weise zu gewinnen, wenn sie das nächste Mal aufeinander treffen würden.''

Smyslov hatte Gründe, unzufrieden zu sein. In Runde acht war der Ex-Weltmeister von dem jungen Senkrechtstarter überzeugend geschlagen worden. Es war Zeit für ihn, den jungen Herausforderer in seine Schranken zu weisen. Den Rest der Geschichte erzählt Tal selbst:

'Bis zu einem gewissen Punkt hat Smyslov die Partie brillant gespielt. Er hatte mich vollkommen überspielt und außerdem hatte ich nur noch zwei oder drei Minuten auf der Uhr, um 15 Züge zu machen. Ich hatte nichts zu verlieren, zum Zögern war keine Zeit und ich habe nur versucht, die Angelegenheit für meinen Gegner so kompliziert wie nur möglich zu machen. Und dann, als mein Blättchen schon hing und ich noch vier Züge machen musste, fiel Smyslov auf den beinahe einzigen Schwindel herein, der mir eingefallen war."

[Event "Candidates Tournament"] [Site "Bled/Zagreb/Belgrade"] [Date "1959.10.03"] [Round "15"] [White "Smyslov, Vassily"] [Black "Tal, Mihail"] [Result "1/2-1/2"] [ECO "B42"] [PlyCount "80"] [EventDate "1959.09.07"] [EventType "tourn"] [EventRounds "28"] [EventCountry "CRO"] [Source "ChessBase"] [SourceDate "1999.07.01"] 1. e4 c5 2. Nf3 e6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 a6 5. Bd3 Nc6 6. Nxc6 bxc6 7. O-O d5 8. Nd2 Nf6 9. Qe2 Be7 10. Re1 O-O 11. b3 a5 12. Bb2 a4 13. a3 axb3 14. cxb3 Qb6 15. exd5 cxd5 16. b4 Nd7 17. Nb3 e5 18. Bf5 e4 19. Rec1 Qd6 20. Nd4 Bf6 21. Rc6 Qe7 22. Rac1 h6 23. Rc7 Be5 24. Nc6 Qg5 25. h4 Qxh4 26. Nxe5 Nxe5 27. Rxc8 Nf3+ 28. gxf3 Qg5+ 29. Kf1 Qxf5 30. Rxf8+ Rxf8 31. fxe4 dxe4 32. Qe3 Rd8 33. Qg3 g5 34. Rc5 Rd1+ 35. Kg2 Qe6 36. b5 Kh7 37. Rc6 Qd5 38. Qe5 $2 {[#]} (38. Qh2 { gewinnt sofort.}) 38... Rg1+ $1 39. Kh2 (39. Kxg1 Qd1+ 40. Kh2 Qh5+ $11) 39... Rh1+ $1 40. Kg2 (40. Kxh1 Qd1+ 41. Kh2 Qh5+ 42. Kg2 Qf3+ $11) 40... Rg1+ 1/2-1/2

“Wie ich später erfuhr, hatte er mein Turmopfer auf g1 gesehen, aber das auf h1 - aber das Opfer auf h1 hatte er übersehen. Smyslov ist am Brett normalerweise unerschütterlich, aber hier änderte sich sein Gesichtsausdruck nach 39...Rh1+ trotzdem, und nachdem er etwa drei Minuten nachgedacht hatte, spielte er seinen Zug und drückte seine Uhr danach mit wütender Kraft. Ein paar Figuren fielen um, aber im Gegensatz zu dem, was ich in solchen Fällen normalerweise mache, gab ich zuerst mit meinem Turm ein Schach auf ...g1, drückte dann die Uhr und fing erst dann an, die Ordnung auf dem Brett wiederherzustellen. Weiß konnte dem Dauerschach nicht mehr entkommen.''

Das Ergebnis war kein Zufall. In der 22. Runde trafen die beiden wieder aufeinander. Dieses Mal gab Tal eine Figur, wie er später sagte, “zur Hälfte Opfer, zur Hälfte Einsteller”. Aber die entstehenden Komplikationen erwiesen sich als zu schwer für Smyslov und er war es, dem beim Erreichen der Zeitkontrolle ein Fehler unterlief.

Tal-Smyslov in Runde acht, beim sechsten Zug - Tal gewann in 26 Zügen

Tal gewann das Kandidatenturnier und ein Jahr später, 1960, besiegte er Botvinnik im Weltmeisterschaftskampf. Mit nur 24 Jahren war er damals der jüngste Weltmeister der Schachgeschichte. Doch das Nachspiel sollte nicht unerwähnt bleiben. Im Revanchewettkampf wurde er von Botvinnik geschlagen. Tal hatte den Titel verloren, aber nicht seinen Humor. Mit typischer Ironie scherzte er, “Ich habe einen neuen Titel, ich bin der jüngste Ex-Weltmeister.”

Jahrzehnte später gewann er die Blitzweltmeisterschaft vor Kasparov und anderen bekannten Namen. Einmal mehr konnte ihn niemand aufhalten. Aber da war er schon über 50 und hatte nur noch vier Jahre zu leben. Er starb am 28. Juni 1992 in Moskau.

Ergänzend sollte ich noch Folgendes hinzufügen: Smyslov überwand seine Enttäuschung und nahm es Tal nicht übel, dass er im Kandidatenturnier vor ihm gelandet war. Tatsächlich behandelte er den jungen Tal danach mit seltener Zuneigung. Immer wieder besuchte Tal Smyslow auf dessen dacha, wo sie dann einen schönen Tag verbrachten, Blitzpartien spielten oder sich Partien von Smyslov anschauten. Hier eine Kombination, die Tal bewundert hat. Smyslov spielte sie, als er gerade 14 war, ein Jahr bevor Tal geboren wurde.

[Event "Moscow Championship"] [Site "Moscow"] [Date "1935.??.??"] [Round "?"] [White "Gerasimov"] [Black "Smyslov, Vassily"] [Result "0-1"] [ECO "D05"] [PlyCount "48"] [EventDate "1935.??.??"] [EventType "game"] [EventCountry "URS"] [Source "ChessBase"] [SourceDate "2009.11.30"] 1. d4 d5 2. Nf3 Nf6 3. e3 e6 4. Bd3 c5 5. b3 Nc6 6. Bb2 Bd6 7. O-O Qc7 8. a3 b6 9. c4 Bb7 10. Nc3 a6 11. Re1 cxd4 12. exd4 O-O 13. Na4 Bf4 14. Ne5 dxc4 15. bxc4 Nxe5 16. dxe5 Qc6 17. Bf1 Rfd8 18. Qb3 Ng4 19. h3 Rd3 $1 20. Qxb6 {[#]} Rxh3 $1 21. Bd4 ({If} 21. Qxc6 Bh2+ 22. Kh1 Nxf2#) 21... Bh2+ 22. Kh1 Bxe5+ { und Weiß gab auf. Nach} 23. Kg1 Bh2+ 24. Kh1 Bc7+ {gewinnt Schwarz die Dame.} 0-1

Mittlerweile leben Tal und Smyslov beide nicht mehr. Einer war Meister der Phantasie, der andere Meister der Harmonie.

"Der Finger, der sich bewegt, schreibt, und bewegt sich weiter, nachdem er geschrieben hat…" (Omar Khayyam).

Master Class Vol.2: Mihail Tal

Von Dorian Rogozenco, Dr. Karsten Müller, Mihail Marin, Oliver Reeh

Kein anderer Schachweltmeister hat jemals die Schachwelt so begeistert wie Mihail Tal. Sein Stern als Weltmeister glühte nur kurz, aber er glühte mit nie gekannter Intensität. Mit seiner Kombinationskunst, seinen intuitiven Opfern überrollte der junge Tal seine Gegner, begeisterte die Schachwelt durch sein riskantes kompromissloses Angriffsspiel und wurde zum Vorbild vieler nachfolgender Spieler. 1960 bezwang er den amtierenden Weltmeister Botvinnik, verlor den Titel allerdings im folgenden Jahre in einem sportlich zweifelhaften Revanche-Wettkampf. Doch auch ohne Weltmeistertitel gehörte Tal weiter zu den besten Spielern der Welt. Mit der UdSSR-Mannschaft gewann er achtmal Gold bei Schacholympiaden. Sechsmal wurde er Landesmeister der Sowjetunion. 1973/74 blieb er in 93 Partien hintereinander ungeschlagen, ein ungebrochener Rekord. 1988 gewann er die Blitzweltmeisterschaft. Trotz labiler Gesundheit genoss Tal das Leben in vollen Zügen und war ein humorvoller und geistreicher Zeitgenosse, der nichts mehr liebte als Schach. Mit dieser DVD erhält man über Mihail Tals Partien einen einzigartigen Zugang zum Reich der Schachtaktik. Tals Kollegen nannten ihren Taktik-Guru den „Magier“, denn wie von Zauberhand fügten sich scheinbar unverständliche Züge am Ende zum erfolgreichen Ganzen. Doch auch auf dem Gebiet der Strategie und im Endspiel war Tal ein Meister seines Fachs. Dorian Rogozenco, Mihail Marin, Oliver Reeh und Karsten Müller stellen den 8. Schachweltmeister und seine Eröffnungen, sein Verständnis der Schachstrategie, seine Endspielkunst und nicht zuletzt seine unsterblichen Kombinationen in Videolektionen vor und laden im interaktiven Test zum Mitkombinieren ein. Die DVD enthält zudem alle Partien von Mihail Tal, viele davon kommentiert, mit Erläuterungen und Turniertabellen.

  • Videospielzeit: 4 Std. 22 min (Deutsch)
  • Interaktiver Taktiktest mit Videofeedback
  • Alle Tal-Partien, Tabellen, Hintergrundwissen, Kurzbiographie
  • „Tal-Powerbook“: Das Eröffnungsrepertoire des Weltmeisters als Variantenbaum
  • Taktik-Training mit 245 Aufgaben aus Tal-Partien
  • Mit ChessBase 12 Reader

Nagesh Havanur (auch als "Chessbibliophile" bekannt) ist Wissenschaftler und Forscher. Er hat über 30 Jahre Englisch in Mumbai unterrichtet und lebt jetzt in Bangalore, Indien. Beim Schach interessiert ihn vor allem die Schachgeschichte, die Biographien herausragender Spieler und die Eröffnungstheorie. Seit mehr als zehn Jahren schreibt er regelmäßig im Internet und in Zeitschriften über Schach.

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