Ungarn, Peru und Jamaika qualifizieren
sich für Dresden
Partnerschulturnier in Vaterstetten
Nur über die Feinwertung konnte die
Schachnation Ungarn den Angriff der Peruaner auf den Turniersieg beim ersten der
fünf Partnerschulturniere in Vaterstetten abwehren. Dicht hinter den beiden
Siegermannschaften kam Jamaika auf Platz drei. Sieben Runden hatten die 21
Partnerschulen für ihre Länder zu absolvieren, bevor die 5
Länderauswahlmannschaften ermittelt waren, die sich für das Finalturnier in
Dresden während der Schacholympiade qualifiziert haben.
Im Mittelpunkt dieses gelungenen Auftaktes
der Partnerschurturniere stand jedoch die Grundidee, das Auseinandersetzen mit
den Partnerländern, diese zu präsentieren, für sie einzutreten.
Strahlende Sieger: Ungarn gewinnt das erste Turnier der Partnerschulen in
Vaterstetten.
So kamen die meisten der Schulen und
Mannschaften mit Landesfahnen, Länderpräsentationen, Trikots und zeigten mit
Stolz, was sie alles schon über ihre Partnerländer herausgefunden und gelernt
haben. Vieles gab es zu erzählen und zu bestaunen, wie Michael Klein, 2.
Vorsitzende der Deutschen Schachjugend, zu berichten weiß.
Stellwand der Volksschule Unterleinleitner
Stellwand der Volksschule Oberndorf zum Partnerland Bahamas.
Am 26.04. steht in Dortmund das nächste
Partnerschulturnier an. Ob da wieder die kleinen die großen Schachnationen
schlagen?
Triumph einer großen Schachnation: Ungarn
siegt in Vaterstetten
Die Aktion „Partnerschulen der Schacholympiade“ der Deutschen
Schachjugend stößt auf viel Begeisterung
Dass die Ungarn ganz vorne mitspielen
würden, das war zu erwarten. Das Heimatland der berühmten Polgar-Schwestern hat
schließlich schon mehrfach die Schacholympiade für sich entscheiden können. Aber
Peru direkt dahinter, nur durch die zweite Feinwertung vom Spitzenplatz
verdrängt? Und Jamaika auf Rang drei? Ein ungewöhnlicher Ausgang für ein
Schachturnier…
Den zwei Mädchen und fünf Jungs von der
Michael-Poeschke-Grundschule in Erlangen ist das egal. Stolz halten sie die
ungarische Nationalflagge zum Siegerfoto in die Höhe. Die Schule aus Bayern ist
eine von 180 „Partnerschulen der Schacholympiade 2008“ in Deutschland. Der
Schirmherr der Aktion und ehemalige Weltmeister Wladimir Kramnik hatte im
vergangenen Jahr jeder dieser Schulen ein Partnerland zugelost. Und nun treten
die Schulen in fünf Regionalturnieren für „ihr“ Land an. Die besten Teams jedes
Turniers qualifizieren sich für das große Finale, das im November während der
Schacholympiade in Dresden stattfindet.
England gegen die Bahamas
„Dabei sein ist alles“
Zum ersten Regionalturnier Mitte April
kommen 21 Schulen nach Vaterstetten, einem Vorort von München. Ein wirklich
internationales Treffen. Viele Kinder tragen Trikots mit der Nationalfahne auf
der Brust, manche auch Mützen oder Halstücher in den Nationalfarben. Andere
Teams haben sogar eine große Flagge dabei, die sie vor jeder Runde im
Turniersaal schwenken. Ein rotes Kreuz, blau eingerahmt, vor weißem Hintergrund…
Norwegen? England? Nein, es sind die Färöer-Inseln. Auch wenn die Inselgruppe
zu Europa gehört, zählt sie sicherlich zu den „Exoten“ bei diesem Turnier. So
wie Jamaika, Surinam, Sierra Leone und viele andere.
Hätten Sie es gewusst? Das ist die Flagge von Surinam - und davor
das Team der Volksschule Zorneding.
Ein eingespieltes Team: Estland erreichte den fünften Platz und qualifizierte
sich so direkt für das Finale in Dresden.
Bei der kleinen Eröffnungsfeier geht es
schon ein wenig „olympisch“ zu. Alle Teilnehmer sprechen gemeinsam einen
„Olympischen Eid der Partnerschulen“, in dem sie sich zu Fairness und Achtung
vor dem Gegner verpflichten. Als Ehrengast eröffnet Großmeister Stefan
Kindermann von der Münchner Schachakademie das Turnier - und gibt den
Kindern dabei eine ganz wichtige Botschaft mit auf den Weg. „Ich möchte Euch
dazu gratulieren, dass Ihr Schachspieler seid!“, ruft der Großmeister in die
verblüfften Gesichter von Kindern und Erwachsenen.
GM Stefan Kindermann stimmte die Kinder auf das Turnier ein:
„Ihr könnt stolz darauf sein, dass Ihr Schachspieler seid!“
Es ist ein Satz, den Kindermann in seiner
eigenen Schachkarriere immer vermisst hat, wie der mehrfache Olympia-Teilnehmer
sagt. „Denn richtige Schachspieler sind klug. Sie sind stark und mutig, weil sie
alleine Entscheidungen treffen und dafür Verantwortung übernehmen. Und sie sind
fair. Ihr könnt stolz darauf sein, Schachspieler zu sein!“ Großer Applaus und
leuchtende Kinderaugen zeigen: Die Botschaft des Großmeisters hat ihr Ziel
erreicht.
Hoher Besuch aus Peru
Von dem Land, dessen Fahne Vincent auf
seinem T-Shirt trägt, kann der Junge zwar nicht viel erzählen. Aber gefallen tut
die Flagge ihm trotzdem, denn die Amerikanischen Jungferninseln haben einen
Adler im Wappen.
Vincent, 4. Klasse, gefällt der Adler im Wappen der
Amerikanischen Jungferninseln besonders.
Und Adler, so sagt Vincent aus der vierten
Klasse, die mag er. Das Turnier ist sein erstes, er spielt noch nicht so lange
Schach: „Es ist mir egal, dass ich eben verloren habe. Es macht mir trotzdem
großen Spaß.“ Auch für das Partnerschulturnier in Vaterstetten gilt eben der
olympische Grundsatz „Dabei sein ist alles!“
Konzentration zu Rundenbeginn
Viele der Grundschulkinder kannten die
Länder, für die sie antreten, bisher nicht - aber lernen sie durch die
Partnerschulaktion nun kennen. Denn die teilnehmenden Schulen starten nicht nur
bei den Regionalturnieren für ihr Land. Sie haben auch die Aufgabe, sich im
Unterricht mit ihrem Partnerland zu beschäftigen. Die besten Aktionen werden mit
Freiplätzen beim großen Finalturnier in Dresden belohnt.
„Zu unserem Aktionstag an der Schule kam
sogar der peruanische Generalkonsul“, erzählt zum Beispiel Martina Berg-Weber
von der Abt-Utto-Grundschule im bayerischen Metten. „Die ganze Schule hat
mitgezogen. Die Eltern bereiteten ein Buffet mit peruanischen Spezialitäten vor,
die Lehrer gestalteten Unterrichtsstunden zum Partnerland Peru und jede Klasse
hat einen eigenen Beitrag zum Fest geleistet: eine ‚Inka-Reise‘, peruanische
Märchen oder eine Ausstellung zur Tier- und Pflanzenwelt. Der Konsul war total
erstaunt, dass unsere Schüler soviel über sein Heimatland wussten.“ Und
vielleicht ergibt sich aus dem großen Fest sogar ein langfristiger Kontakt. Denn
der Konsul war so begeistert, dass er gleich versprach, sich in Peru nach einer
Partnerschule für die Abt-Utto-Schule umzusehen.
Auf den Austausch mit einer Partnerschule
arbeitet auch Gerti Neuburger hin. Sie betreut den gemeinsamen Auftritt der
LingoStar-Sprachschule mit der Schachgemeinschaft Sailauf zum Partnerland
Estland.
Gerti Neuburger und Lukas vor der Stellwand zum Partnerland Estland.
„Der Schachgroßmeister Paul Keres ist in
Estland ein echter Nationalheld. Der ist dort sogar auf einem Geldschein
abgedruckt. Das ist natürlich ein toller Aufhänger für den Unterricht, um die
Kinder für das Land zu interessieren“, berichtet sie. Für die Eröffnung des
Partnerschulenturniers in Vaterstetten haben die acht Kinder und drei Betreuer
sogar extra die estnische Nationalhymne eingeübt. Aber ein Stau in München
verzögerte die Ankunft und so klappt’s diesmal doch nicht mit dem Vorsingen. Die
Jungs grinsen verschmitzt. Sie finden das offensichtlich nicht so schlimm.
„Es geht nur noch um Guatemala oder
Schach“
Die Friedrich-Weinbrenner-Schule im
badischen Neulingen hat auch Großes vor, wie die drei Mütter begeistert
berichten, die ihre Kinder nach Vaterstetten begleiten. Denn das Schulfest im
Juni steht in diesem Jahr unter dem Motto „Partnerland Guatemala“.
Das Team der Friedrich-Weinbrenner-Schule aus Neulingen mit
Trikots und selbstgemachten Plakaten zum Partnerland Guatemala
Es wurde sogar ein eigenes Festkomitee
gegründet, denn das Schulfest wird durch die Partnerschulaktion deutlich größer
als sonst. „Wir haben viele Vereine eingeladen, sich unter diesem Motto zu
beteiligen. Das Interesse ist sehr groß. Sogar die Botschaft hat zugesagt, dass
der Botschafter oder ein Attaché zu uns nach Neulingen kommen wird“, erzählt
eine Mutter. Und eine andere ergänzt: „ Bei unseren Kindern geht’s daheim nur
noch um Guatemala oder um Schach. Die sind wirklich mit Feuereifer dabei.“
Dass das stimmt, merkt man beim elfjährigen
Oliver gleich. Er kennt nicht nur das Wappentier, einen besonderen Vogel,
sondern kann auch etwas über die Geschichte der Majas in Guatemala erzählen. Und
dass „Tikal“ nicht nur ein bekanntes Brettspiel, sondern auch eine antike
Maja-Stadt in dem lateinamerikanischen Land ist, weiß er ebenfalls. Schließlich
haben die Schülerinnen und Schüler das Partnerland schon intensiv im Unterricht
behandelt.
Die Ungarn mit Halstüchern in den Nationalfarben, die Engländer
mit Wimpeln an den Bretter.
Ein „typischer“ Turniersaal: Mexiko mit Mützen, Aserbaidschan mit
Nationalflagge auf den Pullovern und im Hintergrund die Fahne Palästinas.
Sichtschutz: Mexiko mit Kopfbedeckung.
Europäischer Wettkampf: Polen gegen die Färöer-Inseln.
Luxemburg am Zug.
Um halb fünf ging es für das Team aus der
Nähe von Pforzheim am Samstagmorgen los, erst um kurz vor Mitternacht werden sie
wieder zuhause sein. Sie sind nicht die einzigen, die einen weiten Weg nach
Vaterstetten auf sich genommen haben. Dreieinhalb Stunden dauerte die Anfahrt
für die acht Kinder und zwei Betreuer aus dem österreichischen Imst. Aber der
Weg hat sich gelohnt, wie Karl Mantl bestätigt.
Erst sieben und schon Landesmeisterin: Die Tiroler U8-Meisterin Jutta
präsentiert mit ihren Mannschaftskollegen Simon und Lukas sowie Betreuer Karl
Mantl Bilder aus dem Kunst-Unterricht, die das Team aus dem österreichischen
Imst nach Vaterstetten mitgebracht haben.
Übers Internet hat er von der
Partnerschulen-Aktion erfahren: „Die Idee fand ich gleich sehr gut.“ Und seine
Schützlinge sind mit großer Freude dabei. Stolz zeigen die erst siebenjährige
Jutta und ihre Mannschaftskollegen Lukas und Simon die Bilder, die sie im
Kunst-Unterricht zum Thema „Albanien“ gemalt haben.
Gelungener Auftakt für die
Partnerturniere
Nach sieben Runden und einem spannenden
Finish neigt sich ein begeisterndes Turnier dem Ende entgegen. Das
Organisationsteam der Schachjugend Vaterstetten um Walter Rädler und die
ehrenamtlichen Helfer der gastgebenden Volksschule Vaterstetten an der
Gluckstraße ernten viel Lob. Carola Heinlein hat ihre Tochter und das Team der
Volksschule Unterleinleitner zum ersten Mal zu einem Schachturnier begleitet und
ist überzeugt: „Das Turnier war wirklich super!“
Die Volksschule Unterleinleitner ließ extra Pullis bedrucken: vorne drauf die
Flagge
des Partnerlandes Aserbaidschan, hinten das Logo der Schacholympiade.
Martina Berg-Weber von der Abt-Utto-Schule
sprang kurzfristig für ihren erkrankten Kollegen ein. Bei ihrem ersten
Schachturnier erstaunte sie vor allem der Eifer der Kinder. „Die Kinder sind
ganz anders als im Unterricht, wirklich hochkonzentriert. Und ich hätte nie
gedacht, wie sehr der Körper beim Schach mitspielt: Die einen sind während des
Spiels ganz aufgeregt, die anderen völlig ruhig. Es war wirklich eine besondere
Atmosphäre.“
Als Flaggenträger zur Olympiade
Bis Ende Juni sind auch die vier anderen
Regionalturniere der Partnerschulen in Dortmund, Arnstadt, Hamburg und Leipzig
ausgespielt. Zum Finale nach Dresden fahren aber nicht nur die besten Teams aus
den Regionen und die Schulen mit den kreativsten Aktionen zu ihren
Partnerländern. Denn alle Partnerschulen können jeweils zwei „Diplomaten“ nach
Dresden entsenden, die als Fahnenträger gemeinsam mit „ihrer“ Nationalmannschaft
bei der großen Olympia-Eröffnungsfeier einmarschieren werden. Dabei sein ist
eben auch bei der Schacholympiade alles!
(Michael Klein – 2. Vorsitzender DSJ)
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