Rezension: S. Williams: Abtauschvariante

von ChessBase
22.02.2016 – Nach 1.d4 gibt es für Weiß gegen das Abgelehnte, Slawische oder Halbslawische Damengambit ein probates Mittel: Die Abtauschvariante. Weiß entledigt sich auf einen Schlag sämtlicher Anforderungen an das Gedächtnis in unzähligen Varianten des Damengambits diktiert selber die Richtung der Partie. So hat vor mehr 50 Jahren schon Botvinnik mit Erfolg gespielt - und es funktioniert immer noch.Mehr...

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Rezension Williams-DVD: "Exchange on d5 in the Slav and Queen's Gambit"

Von Christian Höthe

Auf der vorliegenden DVD empfiehlt Großmeister Simon Williams dem Anziehenden ein Konzept gegen das orthodoxe Damengambit und Slawisch, das bereits vor einem halben Jahrhundert von Ex-Weltmeister Mikhail Botvinnik empfohlen wurde und seitdem nichts von seiner Effizienz eingebüßt hat: nämlich die auf den ersten Blick harmlos erscheinende Abtauschvariante!

Indem Weiss frühzeitig die Bauernstruktur festlegt und den schwarzen Figuren scheinbar auch die Entwicklung erleichtert - der Läufer auf c8 kann im orthodoxen Damengambit wieder frei "atmen", im Slawen bekommt der Springer b8 "sein" Feld c6 zurück - schafft er klare umrissene Verhältnisse für das kommende Mittelspiel.

Ein weiterer großer Vorteil für den Anziehenden: Schwarz erhält nicht die Möglichkeit zu zeigen, welche der unzähligen möglichen Varianten er spielen möchte - vielmehr diktiert Weiß von Zug 3 an das Geschehen, während Schwarz vorerst umsichtig agieren muss, um dem Ausgleich nahe zu kommen. Somit eigentlich ideale Voraussetzungen für ein Spiel auf Sieg!

Dass die weiße Strategie dabei keinesfalls nur harmloser Bluff ist, zeigten sowohl in den 60er Jahren die Partien Botvinniks, aber auch später seines Schülers Kasparov.

Eines der bekanntesten Beispiele der Abtauschvariante gegen Slawisch ist die folgende Partie. Hier gelang es Botvinnik, seinen nach Dynamik strebenden Rivalen Tal klassisch in einer symmetrischen, harmlos erscheinenden Stellung zu überspielen. Tal hatte niemals auch nur den Hauch einer Chance:

 

 

 

Dass die Strategie des Anziehenden bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren hat, zeigt Großmeister Williams eindrucksvoll auf seiner DVD. Die Partiebeispiele sind klug ausgewählt und werden überaus detailliert besprochen.

Als eine Art "Allheilmittel" gegen die slawische Abtauschvariante galt seit geraumer Zeit der Plan des Nachziehenden, mittels frühem ...a6 einen sinnvollen Wartezug zu spielen, um auf Sg1-f3 mit Lg4 und späterem Lg4xSf3 antworten zu können, was die schwarzen Entwicklungsmöglichkeiten wesentlich erleichtern würde, zumal dem Sg1 oft eine wichtige strategische Aufgabe im Spiel um das Feld e5 zuteil wird.

Dass auch dieser Plan nicht ganz so einfach in die Tat umzusetzen ist, zeigt Williams anhand dieser Partie zweier Top-Großmeister:

 

 

Insgesamt 11 Partien zur slawischen Abtauschvariante stellt Williams vor und berücksichtigt dabei auch den Versuch des Nachziehenden, mittels 4.Nc3 e5 5.dxe5 d4 6.Ne4 Qa5 aktiveres Gegenspiel als es in dieser Variante üblich ist, zu erhalten. Dass es Schwarz auch hier nicht leicht fällt auszugleichen, wird in den Analysen mehr als deutlich.

Auch, wenn der Nachziehende statt Slawisch solide das Orthodoxe Damengambit anstrebt - und hier muss der Anziehende auf die Cambridge Springs-, die Wiener-, Ragozin-, Manhatten-, Lasker-, Tartakower-Variante und weitere vorbereitet sein - gilt die Abtauchvariante als eine der stärksten Fortsetzungen, die Weiß zur Verfügung stehen. Auch hier war Botvinnik der Vorreiter, der in mehreren Partien die Effektivität dieser Spielweise unter Beweis stellte. Hier eine seiner bekanntesten Partien:
 

 

 

Besonders die Partien Kasparovs machten die Abtauchvariante auch gegen das orthodoxe Damengambit zu einer gefürchteten Waffe. Vor allem, da Weiß aus einer Reihe attraktiver Mittelspielpläne wählen kann: dem Minoritäts-Angriff mittels b2-b4, dem zentralen Aufbau à la Botvinnik mit f3 und ggf. e3-e4 oder dem vom Karpov eingeführten Plan mittels Sf3 und h3.

Williams demonstriert in souveräner und angenehmer Weise, dass nicht jede Abtauschvariante harmlos oder gar langweilig zu sein hat - im Gegenteil! Wer den britischen Großmeister und seine bisherigen Werke kennt, weiß um seine Vorliebe für scharfes Angriffsspiel!

Dass er auch eher seltene Varianten nicht unberücksichtig lässt, zeigt er in der Diskussion der folgenden Partie. Der Nachziehende wählt einen Plan, den u.a. GM Short gern mit Schwarz spielt. Schwarz nimmt bewusst eine Verschlechterung der Bauernstruktur in Kauf, bekommt dafür aber eine offene Linie und das Läuferpaar in einem damenlosen Mittelspiel. Williams zeigt unter Zuhilfenahme einer Partie des aktuellen Weltmeisters, dass der Nachziehende auch hier nicht auf Rosen gebettet ist:

 

 

 

Die DVD wird abgerundet durch einen interaktiven Test mit diversen, für die Abtauschvariante typischen Fragestellungen sowie einer Datenbank mit 50 Musterpartien.



Fazit: Auf etwas mehr als sechseinhalb Stunden Spielzeit zeigt Simon Williams, dass Schwarz noch immer vergeblich nach einem klaren Ausgleich gegen die Abtauchvarianten gegen Slawisch und das orthodoxe Damengambit sucht. Die Abtauschvariante ist relativ leicht erlernbar, schränkt die gegnerischen Möglichkeiten stark ein und besitzt durchaus Gift! Mein Tipp: probieren Sie sie aus - bereits in einer Ihrer nächsten Partien!

 

 

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