Schach in Afrika

von Maurice Ashley
01.02.2017 – Letzes Jahr erfüllte sich Maurice Ashley einen lang gehegten Wunsch: Er reiste nach Afrika. Die Armut, die Hoffnung und der Optimismus vieler Afrikaner hinterließen einen bleibenden Eindruck und das Schach schien ihm ein gutes Mittel, um den Menschen in Afrika zu helfen. Deshalb rief er mit Graham Jurgensen, der Paul Allen Foundation und der Kasparov Chess Foundation ein Trainingsprogramm für Afrika ins Leben. Mehr...

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Manchmal geschehen Wunder!

Letztes Jahr habe ich eine Reise gemacht, von der ich schon immer geträumt habe: ein Kurztrip nach Afrika. Ich war nur drei Wochen unterwegs und habe nur drei Länder besucht - Kenia, Südafrika und Madagaskar - aber was ich dort gesehen und erlebt habe, wird mich ein Leben lang begleiten.

Afrika steckt voller Widersprüche. Es ist der ärmste Kontinent der Welt, aber voller Geschichte, Dynamik und Energie. Schon die Fahrt durch die chaotischen Straßen Nairobis, der Hauptstadt Kenias, wo meine Reise begann, war ein Erlebnis! Man konnte glauben, die vielen Fußgänger waren der festen Überzeugung, Fahrzeuge könnten ihnen nichts anhaben. Das Nachtleben der Stadt ist robust und jeden Tag - sogar Sonntags! - wird die ganze Nacht hindurch getanzt, und so ist es kein Wunder, dass die Stadt Partiegänger aller Art und aus aller Welt anlockt. Außerdem ist der idyllische Strand von Diani nur 45 Flugminuten entfernt und dort am blauen Meer lässt man alle Sorgen und Nöte, die man aus der Hektik und dem Chaos der so genannten Zivilisation mitgebracht hat, schnell hinter sich.

Nairobi

Diani Beach

Aber die Realität des Landes sieht anders und sehr viel weniger idyllisch aus. In den großen Städten ist Armut weit verbreitet, und das sah ich bei meinem Besuch der Slums von Mukuru in Nairobi mehr als deutlich. Dort leben über 700.000 Leute in kleinen zusammengeschusterten Hütten, die Straßen sind unbefestigt und voller Abwässer und Müll. Es hat mir in der Seele weh getan, die vielen verwahrlosten Kinder zu sehen, deren Eltern es sich einfach nicht leisten können, sie zur Schule zu schicken, und die den ganzen Tag herumsitzen und nichts haben, was ihren Geist stimuliert.

Aus der Ferne fällt es vielleicht schwer zu begreifen, wie dieser Ort zugleich von tiefer Verzweiflung und unerschütterlicher Hoffnung geprägt ist. Bei aller Verzweiflung herrscht bei vielen Müttern, Vätern, aber vor allem jungen Leuten, die gegen alle Widerstände ein besseres Leben leben wollen, doch ein unerschütterlicher und entschlossener Optimismus. Es ist dieser Optimismus, der vielen Organisationen immer wieder Mut macht, Hilfe anzubieten.

Angesichts solcher Zustände kann man verzweifeln...

... oder aktiv werden. Maurice Ashley wurde aktiv!

Bei den vielen drängenden Problemen war es schön zu sehen, wie die Kasparov Chess Foundation Africa und Sports Outreach Kenya zusammen arbeiten, um Kindern, denen geistige Anregung so viel helfen kann, Schach beizubringen.

Sports Outreach Kenya ist eine der lokalen Organisationen, die versucht, Kindern mit Sport zu helfen.

Während der Reise habe ich oft mit meinem Gastgeber Graham Jurgensen, dem Leiter der Kasparov Chess Foundation Africa, darüber gesprochen, wie man Schach in Afrika fördern könnte. Ich wusste, dass Graham den gleichen Wunsch hat. Er stammt aus Südafrika, hat einen gut bezahlten Job in der Wirtschaft aufgegeben, um für die Kasparov Foundation zu arbeiten, und war in den letzten Jahren überall in Afrika in Sachen Schach unterwegs. Doch am Ende meiner Reise, als ich wieder in den USA war, überkam mich ein Gefühl der Verzweiflung, denn ich spürte, dass wir der Lösung der drängenden Probleme nicht näher gekommen waren.

Weniger als zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Afrika arbeitete ich bei der Schacholympiade 2016 ehrenamtlich als Betreuer der Mannschaft der Elfenbeinküste. Dr. Essoh Essis, der Präsident des Schachverbands der Elfenbeinküste, hatte mich darum gebeten. Während der Olympiade erfuhr ich, wie wenig Gelegenheiten die meisten afrikanischen Mannschaften haben, in Turnieren zu spielen. Ich war von Spielern umgeben, die eine große Leidenschaft für das Schach hatten, aber nicht die Mittel und die Infrastruktur hatten, um ernsthaft Turnierschach zu spielen.

Die geopolitische Situation der Erde zeigte sich auch bei der Olympiade. Großmeister oder Spitzentrainer zieht es nicht in arme Länder, um dort das Schach nach vorne zu bringen. Außerdem fehlen in armen Ländern die Ressourcen, um sich leistungsstarke Laptops und Software zu leisten, die man einfach braucht, um bei Turnieren mitzuhalten. Natürlich war es beeindruckend zu sehen, wie die Mannschaft des Südsudans Bulgarien - das von Veselin Topalov angeführt wurde - bei der Olympiade ein Unentschieden abnahm, aber solche Ergebnisse sind leider die große Ausnahme und nicht die Regel.

Nach der Olympiade war ich sicher, dass viele afrikanische Mannschaften Talent und Motivation genug hatten, um Erfolge zu feiern, aber die Frage, wie man ihr Training verbessern könnte, blieb ungelöst. Graham arbeitete während der Olympiade ehrenamtlich für das Team von Ghana und wir entwickelten einen Plan, der funktionieren sollte.... mit genügend Unterstützung.

Maurice Ashley mit...

...potenziellen Schachtalenten.

Zwei Monate später erhielt ich eine Nachricht von Graham. Er schrieb, dass er meine Hilfe braucht, um finanzielle Unterstützung für unser Projekt zu sichern. Wenig später telefonierte ich mit zwei Vertretern der Paul Allen Foundation (ja, der Paul Allen, der Mitbegründer von Microsoft!). Ich erzählte von den Dingen, die ich in Afrika erlebt hatte, und erläuterte, warum ein umfassendes Schachtrainingsprogramm vor Ort die größte Wirkung erzielen würde. Das Telefongespräch dauerte weniger als eine Stunde, aber dann verging noch einmal fast ein Monat, bevor ich wieder von Graham hörte. Dafür hatte er unglaubliche Neuigkeiten… Die Paul G. Allen Family Foundation hatte sich bereit erklärt, die notwendigen Mittel für professionelle Trainingstouren in sechs Ländern zur Verfügung zu stellen: in Kenia, Ruanda, Botswana, Namibia, Tansania und Sambia! 

Schach begeistert

Solche Nachrichten hört man nicht alle Tage, und obwohl es mir immer noch wie ein Wunder vorkommt, so wäre all das ohne die Kasparov Chess Foundation, die nach Sponsoren gesucht hat und am Ball geblieben ist, doch nicht möglich gewesen.

Nach weiteren zwei Monaten stand das Programm. GM Pontus Carlson, GM Kenny Solomon und ich sind dabei sowie etliche der besten Trainer im südlichen Afrika. 18 Wochen lang werden wir in den sechs ausgewählten Ländern Trainer ausbilden und Spieler und junge Leute trainieren. Das ist ein Anfang, der Beginn von etwas Neuem und eine großartige Chance, unser geliebtes Spiel weiter zu verbreiten.

Stellen Sie sich vor, wie dieses Projekt zukünftige Großmeister hervorbringt, Spieler, die nicht nur eine neue Generation von Schachspielern inspirieren, sondern auch Vorbild für andere sind, die sehen, dass man in allen Bereichen Erfolg haben kann. Das wäre tatsächlich das schönste Wunder von allen!

Mitmachen!

Das “Chess Masters for Africa” Programm besteht aus 18 Wochen strukturiertem Schachtraining, das von Februar bis Juni 2017 in sechs afrikanischen Ländern stattfindet. Das Programm umfasst Training in Botswana, Namibia, Sambia, Kenia, Ruanda und Tansania und soll mehr als 60 einheimischen Trainern und mehr als 1.500 Kindern aus ganz Afrika zugute kommen.

Zugang zu Büchern und Trainingsmaterial ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen für viele afrikanische Länder und die Lösung dieses Problems ist eines der Kernziele des Programms. Jeder, der Zugang zu guten Schachbüchern hat und diese Initiative unterstützen möchte, ist eingeladen, sich an Graham Jurgensen zu wenden, den Leiter des Programms. Die Email-Adresse lautet info@kcfafrica.com.

ChessBase hilft

Auch ChessBase hilft und liefert kostenlos Software an Talente in Afrika: ChessBase 13, ChessBase 14 sowie eine große Auswahl von Trainingsvideos mit Daniel King, Karsten Müller und Maurice Ashley.

Die Kasparov Chess Foundation Africa

Die Kasparov Chess Foundation Africa ist eine gemeinnützige Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Schach als Mittel zur Erziehung und sozialen Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent zu fördern. Die Stiftung operiert unter der Schirmherrschaft und dem Vorsitz von Garry Kasparov und arbeitet mit zahlreichen internationalen Partnern zusammen, um das Schach in Afrika zu fördern.

Die Kasparov Chess Foundation (USA)

Die Stiftung fördert die Beschäftigung mit Schach als Lerninstrument in privaten und öffentlichen Schulen. Die gemeinnützige Organisation organisiert außerdem regionale, nationale und weltweite Turniere, Förderungsprogramme für Talente und Veranstaltungen zur Förderung des Schachs.

Die Paul G Allen Family Foundation

Die Paul G Allen Family Foundation wurde 1988 von Paul Allen, dem Mitbegründer von Microsoft, ins Leben gerufen, und unterstützt Menschen in Afrika mit Bildung, Technologie und Zugang zum Gesundheitswesen.

Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Johannes Fischer


Der Internationale Großmeister Maurice Ashley ist bekannt für seine dynamische Art der Schachkommentierung und seinen effektiven Coachingstil. Dabei fungierte er unter anderem als Kommentator beim Weltmeisterschaftskampf Anand-Kasparov sowie sämtlichen epischen Computermatches von Kasparov.

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