So spielt man heute Caro-Kann

von ChessBase
18.08.2017 – Die Theorie der Caro-Kann Verteidigung hat ín den vergangenen Jahren aufgrund tiefer Computeranalysen rasante Entwicklungen vollzogen. Der indische Top-Großmeister Vidit Gujrathi präsentiert Ihnen auf seinen neuen DVDs nicht nur die letzten Trends sondern auch einige Schätze aus seiner privaten Analysekiste. "Sehr gelungen!" findet FM Hans Wiechert und stellt Ihnen die erste der beiden DVDs in seiner Rezension vor.

The Fashionable Caro-Kann Vol.1 The Fashionable Caro-Kann Vol.1

Das dynamische Spiel, basierend auf einem starken strategischen Fundament, hat mich von jeher fasziniert, und ich habe auf diesen DVDs die Varianten vorgeschlagen, die ich auch persönlich in der Praxis bevorzuge.

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Vidit Gujrathi: The Fashionable Caro-Kann Vol.1: Main Lines and Side Lines

Rezension von FM Hans Wiechert, August 2017

Vidit Gujrathi, 23-jähriger indischer Großmeister und mit Elo 2693 (Stand: August 2017) Spieler der erweiterten Weltspitze, stellt in zwei DVDs mit der Abhandlung der Caro-Kann-Verteidigung ein komplettes Schwarzrepertoire gegen 1.e4 zur Verfügung. In der ersten DVD, die hier zunächst vorgestellt werden soll, werden alle Abspiele außer der Vorstoßvariante, die nach den Zügen 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 entsteht, analysiert.

Den Anfang macht die klassische Hauptvariante 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sd2/c3 dxe4 4.Sxe4 Lf5, die in insgesamt sechs Videoclips vorgestellt wird. Vidit verzichtet dabei auf die beiden Alternativzüge 4...Sd7 und 4...Sf6 und macht dabei auch keinen Hehl daraus, dass er 4...Lf5 für den stärksten schwarzen Zug hält und aus genau diesem Grund die beiden anderen Züge außen vor lässt. Ich persönlich kann ihm in Bezug auf 4...Sf6 folgen, denn ich glaube, dass der Anziehende bei genauem Spiel sowohl nach 5. Sxf6+ exf6 als auch nach 5...gxf6 die besseren Perspektiven besitzt. Bei 4...Sd7 sehe ich die Sache aber anders (s.a. meine Rezension des diesbezüglichen 60-Minuten-Trainingsvideos von Dr. Markus Hochgräfe) und halte die schwarze Stellung nach wie vor für stocksolide, was sich u.a. auch in drei Partien bei den jüngst zu Ende gegangenen Badischen Blitz- und Schnellschachmeisterschaften widerspiegelte, die ich gegen Gegner im 2300er-Bereich zunächst locker ausgleichen und im weiteren Verlauf sogar gewinnen konnte. Doch zurück zur Vidit-DVD, die sich ausführlich mit dem klassischen 4...Lf5 beschäftigt. Hier macht der Autor einen sehr guten Job. Er behandelt die Nebenvarianten nach 5.Sg3 Lg6 ausführlich, nach 6.Sh3, 6.Lc4 und 5.S1e2 werden dem Nachziehenden zuverlässige Konzepte zum Ausgleich an die Hand gegeben, und dies auf eine Art und Weise, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte DVD zieht: Der Autor teilt die Hauptideen mit, ohne den User mit Variantenwulsten zu überfordern und wiederholt diese am Ende jedes Clips noch einmal.

In der Hauptvariante nach 5.Sg3 Lg6 6.h4 h6 7.Sf3 beschäftigt sich Vidit ausschließlich mit dem trendigen 7...e6!?, das bekanntermaßen auch in der zweiten Partie des ersten WM-Kampfes 2013 zwischen Vishy Anand und Magnus Carlsen vorkam, in der Carlsen als Nachziehender problemlos remisieren konnte.

Die Ausgangsstellung der Hauptvariante nach 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sd2/c3 dxe4 4.Sxe4 Lf5 5.Sg3 Lg6 6.h4 h6 7.Sf3 e6!?

Die „alte“ Hauptvariante, die mit 7...Sd7 beginnt, wird von Vidit zwar kurz erwähnt, aber dann nicht weiter analysiert, da der Autor die neue Idee mit ...e6 präferiert aufgrund der Tatsache, dass sich Schwarz die Option ...c5 mit der Idee ...Sc6, ein Feld, auf dem der Springer aktiver steht und unmittelbaren Druck auf das weiße Zentrum ausübt, noch offenhält. Die entstehenden Stellungen werden von Vidit sehr detailliert und akkurat analysiert. Als Fazit stellt er fest, dass Schwarz nach aktuellem Stand der Theorie auf Ausgleich hoffen darf und durch genaues und aktives Spiel in vielen Varianten sogar durchaus in der Lage ist, selbst die Initiative zu ergreifen. Sehr gelungen!

Als nächstes wird in zwei Videoclips der Königsindische Angriff im Caro-Kann unter die Lupe genommen. Hier empfiehlt Vidit die Zugfolge 1.e4 c6 2.d3 d5 3.Sd2 e5 4.Sgf3 Ld6 und handelt die beiden Hauptfortsetzungen 5.g3 und 5.d4 separat ab. Er zeigt wieder wichtige Standardpläne und schließt mit dem Fazit, dass Schwarz letztlich in dieser Variante keine Probleme hat. Besonders gefällt, wie Vidit in der Variante 5.d4 exd4 6.exd5 cxd5 die schwarzen Möglichkeiten aufzeigt und dem Nachziehenden die Angst vor dem Spielen mit einem isolierten Damenbauern nimmt.

Sehr viel Raum wird im Folgenden der Zweispringervariante 1.e4 c6 2.Sc3 d5 3.Sf3 eingeräumt, in der der Inder den scharfen und interessanten Zug 3...Sf6 analysiert.

Die Grundstellung der Zweispringervariante nach 1.e4 c6 2.Sc3 d5 3.Sf3 Sf6!?

Der dritte Zug von Schwarz ist in letzter Zeit ziemlich häufig gespielt worden, da er aktiveres Spiel als das „alte“ 3...Lg4 bietet, das dem Weißen nach 4.h3 Lxf3 5.Dxf3 das Läuferpaar in einer ruhigen Stellung einbringt. Die nach 3...Sf6 4.e5 Se4 entstehenden Stellungen werden dem User von Vidit wiederum auf sehr lehrreiche Weise nähergebracht, wobei sich der Inder auch nicht zu schade ist, eine zunächst gewählte Fortsetzung aufgrund einer neuen Entwicklung nachträglich in einem Ergänzungsclip, der in Indien und nicht in den Chessbasestudios in Hamburg aufgenommen wurde, zu revidieren und anstattdessen eine andere Fortsetzung zu empfehlen. Die Analysen dieser Variante waren für mich besonders hilfreich, da sie dem Schwarzen aktives Spiel ermöglichen und nicht zu den langweiligen Stellungen nach 3...Lg4 führen, die vor allem für viele schwächere Gegner, die ohne große Theoriekenntnisse als Weißer ein Remis abklammern wollen, die Zweispringervariante als Eröffnungswahl gegen Caro-Kann attraktiv machen.

Die Abtauschvariante 1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.Ld3 wird in nur einem Clip abgehandelt, was auch völlig ausreichend ist, denn dass nach ...Sc6 5.c3 Dc7! der genaueste Zug ist (um Lf4 zu verhindern), ist nun wirklich seit geraumer Zeit kein Geheimnis mehr und wird demzufolge auch von Vidit empfohlen. Der Weiße kann in dieser Variante nicht auf Vorteil hoffen.

Grundstellung der Abtauschvariante 1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4. Ld3 Sc6 5. c3 Dc7!

Der nächste große Themenkomplex ist der Panow-Angriff 1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.c4 Sf6 5.Sc3. Vidit plädiert hier für 5...Sc6 und analysiert alle möglichen weißen Fortsetzungen wie 6.Lg5, worauf ...e6 (und nicht ...Le6) seine erste Wahl ist und 6.Sf3 Lg4 usw., wobei das so genannte „Caro-Kann-Endspiel“ sehr schön erklärt wird und die schwarzen Schlüsselzüge aufgeführt und am Ende nochmals kurz wiederholt werden – allererste Sahne!

Der vorletzte Clip beschäftigen sich dem so genannten Pseudo-Panow-Angriff, der nach 1.e4 c6 2.c4 d5 3.exd5 cxd5 4.cxd5 Sf6 entsteht. Die beiden weißen Hauptfortsetzungen 5.Lb5+ und 5.Da4+ werden wie gewohnt gut analysiert, wobei auch hier die letzten Jahre keine neuen Erkenntnisse dazugekommen sind, Schwarz hat klaren Ausgleich und kann in einigen Varianten sogar auf mehr hoffen.

Abschließend befasst sich der Autor noch mit der Fantasy-Variante 1.e4 c6 2.d4 d5 3.f3!?, die gerne von Angriffsspielern bevorzugt wird. Weiß will den Damenflügel schnell entwickeln, lang rochieren und Schwarz dann am Königsflügel überrollen. Vidit empfiehlt 3...e6! und zeigt anschließend ein einfaches Entwicklungsschema auf, mit dessen Hilfe man als Nachziehender mindestens gleiche Aussichten erreichen und den weißen Aggressionen den Zahn ziehen kann. Ebenfalls sehr lehrreich und richtig gut gelungen!

Zum Schluss wird das Wissen des Users mit Übungsclips abgeprüft. Vidit stellt dabei Fragen, der User gibt den seiner Meinung nach richtigen Zug ein, im Anschluss daran löst der Autor dann die Aufgabe selbst. Sehr schönes Zusatzfeature!

FAZIT:

Der indische (Fast-)Supergroßmeister hat eine absolute Premium-DVD vorgelegt und die Messlatte für kommende Eröffnungs-DVDs sehr hoch gelegt. Der Teil 1 der beiden Caro-Kann-DVDs liefert einerseits sehr hochwertiges Material und ist theoretisch auf dem neuesten Stand, andererseits überzeugt der junge Mann aber auch durch pädagogisches Geschick, indem er das mitunter nicht unbedingt leicht verdauliche Material am Ende jedes Clips nochmals wiederholt, sodass das Gehirn des Users nicht überstrapaziert wird. Die Übungsclips tun ihr Übriges, sodass dem User am Ende ein Komplettrepertoire gegen 1.e4 vorliegt, das theoretisch fundiert ist und dem Nachziehenden eine Fülle von Gegenspielmöglichkeiten liefert.

Ich bewerte das Trainingsvideo mit der Schulnote „sehr gut“. (Teil 2 folgt)

 

Vidit Gujrathi: The Fashionable Caro-Kann Vol.1

  • Videospielzeit: 4 Std. 31 min (Englisch)
  • Interaktiver Test mit Videofeedback
  • Extra: Ausführliche Analysen plus Datenbank mit 50 Musterpartien
  • Niveau: Fortgeschritten, Turnierspieler, Profi

    29,90 €

    Lieferbar auf DVD oder als Download
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    Tipp: Beide Caro-Kann DVDs von Vidit gibt es im ChessBase Shop als Paket für 54,90 € (statt 59,90 € für die einzelnen DVDs)!

 

 

 


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