Fair Play, nein danke!
Ein ungewöhnlicher Fall von mangelndem Verständnis für Fair Play, gefolgt
von Inkompetenz und fehlendem Fingerspitzegefühl bei FIDE-Schiedsrichtern
und dem FIDE-Appelationskomitee wird von der zurückliegenden Jugend-WM
berichtet.
In der Partie zwischen dem belgischen Spieler Nils Nijs und dem
Kanadier Mai Lloyd (10. Runde U14) reklamierte der Belgier - zurecht -
dreifache Stellungswiederholung beim Schiedsrichter, machte aber - entgegen
den Regeln - noch den Zug, der zur dreifachen Stellungswiederholung führte,
bevor er reklamierte. Technisch korrekt wäre es
gewesen, zunächst den Schiedsrichter herbei zu rufen, zu erklären, dass er
mit seinem nächsten Zug nun eine dreifache Stellungswiederholung
herbeiführen werde und dann erst den Zug auszuführen. Der herbei gerufene Schiedsrichter akzeptierte
die Reklamation dennoch.
Der Kanadier verweigerte jedoch seine Unterschrift unter das
Notationsformular,
da er die dreifache Stellungswiederholung wegen einiger dazwischen liegender
Züge nicht erkannte und holte einen Betreuer zur Klärung. Als dieser eintraf, waren
Schiedsrichter samt Notation bereits verschwunden. Als die Kanadier den Fall
untersuchten, stellten sie fest, dass bei der Reklamation der beschriebene
technische Fehler geschehen war und legten Protest gegen die Wertung der
Partie ein.
Das später tagende Schiedsgericht, bestehende aus so hohen Würdenträgern wie
Georgios Makropoulos, Zurab Asmaiparashvili und Florencio Campomanes kam
nach längerere Verhandlung schließlich zu einem Beschluss. Es erklärten die Remis-Reklamation für ungültig. Um 23 Uhr
ließen sie den 14-Jähriger Belgier aus dem Bett holen und ihm mitteilen, er
müsse die Partie nun fortsetzen. Der Kanadier, der Gelegenheit hatte, die
Partie inzwischen zu analysieren, gewann.
Was hätte man sich stattdessen gewünscht?
- die Regeln sind so gefasst, dass auch Kinder damit klar kommen
- der Schiedsrichter ist in der Lage, den Fall korrekt zu entscheiden
- beim Streitfall wartet der Schiedsrichter auf die Anhörung eines Protests
und regelt den Fall angemessen
- Die Kanadier verzichten auf einen Protest wegen eines Formfehlers eines
unerfahrenen Jugendlichen, da die dreifache Stellungswiederholung
offensichtlich ist.
- Das Appeals Committee tagt schnell und kommt rasch zu einem Beschluss.
(Wie viele Fälle waren denn täglich zu bearbeiten?)
- Das letzte Idee, die ein pädagogisch geschultes Appeals Commitee hat, ist,
den betroffenen Jugendlichen am späten Abend aus seinem Bett zu holen.
- Der belgische Betreuer zeigt den an der Tür stehenden Mitgliedern des
Appeals Commitee einen Vogel.
Augenzeugen berichten u.a. auf der Webseite
Chessvibes , aber nicht nur
dort, zudem von häufigen Betrugsvorfällen bei der Jugend-WM. So sollen
Spieler selbst oder Helfer laufende Partien mit Hilfe von Computern
untersucht haben. Die Schiedsrichter waren bei der Überwachung offenbar
überfordert, was einen angesichts der riesigen Teilnehmerfelder nicht
besonders wundert.
André Schulz
Link:
Diskussion bei Chessvibes...