Zar Peter

von ChessBase
19.09.2003 – Wenn man die Russischen Meisterschaften gewinnt, dann ist das nicht irgendwas, sondern eine große Leistung. Jedenfalls in diesem Jahr. Deshalb ist es nur gerecht, dass der Gewinner mit einer Krone ausgezeichnet wird, so wie das in Krasnojarsk geschah. Nicht gerade ein Auto, aber immerhin. Und äußert sich hier nicht sogar klammheimlich der tiefe Wunsch nach der Rückkehr der Monarchie? Eugeny Atarov hat seinen Abschlussbericht zu den Russischen Meisterschaften geschickt. Auf der Pressekonferenz zum Abschluss des Turniers hat Ehrengast Anatoly Karpov seine Vorwürfe gegenüber Präsident Ilymshinov wiederholt, der "alle Regeln der Wettkämpfe zerstört hat, so wie sie seit Dekaden gültig waren." Pressekonferenz mit Anatoly Karpov (englisch)...Purpur und Hermelin in Krasnojarsk...

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Purpur und Hermelin in Krasnojarsk
Von Eugeny Atarov

Die 56. russische Meisterschaft in Krasnojarsk übertraf die kühnsten Erwartungen. Ein glänzendes Teilnehmerfeld, herrliche Organisation, hohe Qualität der Partien und die Intrigen, die alle bis zum letzten Augenblick in Hochspannung hielten... Nicht der schönen Worte wegen, und ohne jegliche Übertreibung, nur die nackten Fakten, solch einer Meisterschaft hatten wir etwa 10 Jahre nicht mehr!


Krone und Medaillen


Als Quintessenz des Ereignisses, um seine besondere Wichtigkeit zu unterstreichen, wurde der Sieger mit „der Krone des Schachchampions“ geschmückt. So etwas gab es, so weit ich mich erinnern kann, noch nie, sogar die grandiosen Matche zwischen Karpov gegen Kasparov mussten ohne Thron, Purpur und Mantel aus Hermelin auskommen. Doch Svidler probierte die Krone, genauer gesagt, er hielt sie in den Händen. Sein Haupt mit solch einem zerbrechlichen Bauwerk aus natürlichem Quarz zu krönen, haben sich die Organisatoren nicht getraut, und gaben dem Peter-Sieger die Reliquie auf dem Untergestell...

Dies ist natürlich kein Auto als erster Preis, was schon mehrmals in der Geschichte der Meisterschaften vorkam (übrigens war Svidler in dieser Hinsicht ein „Pionier“, als er 1994 aus den Händen von Ilyumshinov die Schlüssel für einen neuen Hyundai bekam), aber ein Preis, der mehr Pathos hat, und man kann sagen, besser zum Schach passt.

Wegen der Krone wurde sogar extra eine Pressekonferenz einberufen (nach deren Vorstellung wurde dieses Wunder der Krasnojarsker Fabrik der farbigen Metalle, unter Bewachung von großschnäuzigen Wächtern, zum Safe gebracht, um dort auf seinen Besitzer zu warten).  

Der Leiter der Meisterschaft Vladimir Chernych lobte mit Stolz die soeben präsentierte Krone vor den Journalisten: „Richtet eure Aufmerksamkeit auf den Perimeter der Krone, der gesamte Satz Schachfiguren aus künstlichen Quarz ist wie folgt aufgestellt, in der Mitte der Bauer, der sich in die Dame verwandeln möchte. Auf den Giebeln die Wappen von Russland und der Krasnojarsker Region! Die Krone des Schachkönigs ist einzigartig, sie darf man weder kopieren, noch nachmachen...“ 

Auch die Medaillen wurden gezeigt. Man könnte denken, was kann gewöhnlicher sein, aber auch hier war „nicht alles so einfach“. So war die Goldmedaille nicht aus Gold, sondern aus Platin.

Auf der Schlusszeremonie scherzte der Präsident der russischen Schachföderation Zhukov: „Wenn es für den ersten Platz Platin gibt, dann sollte man für den zweiten Gold geben!“ Doch Morozevich, der nur nach Wertung hinter Svidler landete, bekam Silber. Mit „Bronze“ gab es ein kleines Problem. In der gesamten Region, in der man ein Drittel des gesamten Goldschatzes Russlands fördert, fand man einfach keine Bronze. Sie machten die Medaille einfach aus Silber und stäuben sie dann etwas mit Gold nach. Sah fast wie Bronze aus...


Präsident Zhukov, Karpov

Selbstverständlich sprach keiner über den Marktwert dieser Juwelierwerke, warum sollte man auch. Eine Runde vor Turnierende gab es die Ergebnisse des „Sponsorenwettbewerbes“, wer mehr Geld gibt, wird zum Hauptsponsor der Meisterschaft ernannt. Der Hauptsponsor wurde die örtliche „SibChelenge“, sie überwies 3100000 Rubel in die Kassen. Ihr könnt ja mal die Rechnermaschine in die Hand nehmen und die Summe durch 30 und paar Zerquetschte teilen... Wenn allein der Hauptsponsor Einhunderttausend Dollar (fast genau die Summe des Preisfonds) gibt, wie viel stand dann insgesamt zur Verfügung?! Und dann hört man immer wieder, dass Schach für Sponsoren nicht interessant sei!

Dazu kommen auch solche Preise, wie z.B. ein Notebook, für den besten jungen Schachspieler, der  während des gesamten Turniers gegen das elektronischen Schachmonster im Musiktheater gekämpft hat. Oder der „Weißer Turm“, andere Preise, Geschenke, Präsentationen und die Erinnerungsbretter... 

Und wie sollte man ohne Bretter auskommen! Ein solches Zeichen wurde mit Hilfe von Exweltmeister Karpov und dem Exgouverneur der Region Zubov auf der örtlichen Urlaubsinsel aufgestellt.

Wie ihr euch sicher erinnert, drehte sich in Krasnojarsk alles um die Zahl 56, die 56. Meisterschafft, der 56. Breitengrad auf dem Moskau und Krasnojarsk liegen, und schließlich stellte sich noch heraus, dass an diesem Turnier auch 56 Großmeister teilgenommen haben! Jetzt ist auch diese Zahl auf Granit verewigt worden...

Und wahrscheinlich auch in den Notizbüchern der örtlichen Kinder, neben dem Autogramm von A. Karpov. Es war sehr wichtig, dass Anatoli Ewgeniewich (zusammen mit dem Präsident der russischen Schachföderation Alexander Zukov), zwar nur für einen Tag, aber doch hier zu Besuch war. Bekanntlich wird das Niveau eines Ereignisses nach dem Niveau seiner Gäste beurteilt. Der zwölfte Weltmeister war zwar sehr beschäftigt, und man munkelte, dass er nicht nach Krasnojarsk kommen würde, aber er ist dennoch gekommen und hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

„Es ist mir sehr angenehm festzustellen, dass die neue Spitze der Schachföderation mit einer ganz anderem Einstellung arbeitet als die vorige. Diese Einstellung fühlen dann auch die Schachspieler. Das ist besonderes angenehm, da es genug Probleme gibt, sowohl bei der FIDE, als auch in der RSF“. Und danach: „Wir gehen nach Osten, erweitern die Geografie des Schachs!“, erzählte er den Zuschauern.

Karpovs Meinung wiederholten die offiziellen Plakate der Meisterschaft, die überall in Krasnojarsk und der Region zu sehen waren: „Sibir macht ihren Zug“ und danach, je nach Laune die unterschiedlichste Anzahl von Ausrufezeichen am Ende eines wahrheitsgemäßen Satzes. 

P.S. Ich hoffe, dass wir uns noch einmal am „Feld von Krasnojarsk“ sehen werden, wir müssen noch die Turnierbilanz ziehen, nun aber kurz und knapp die Medaillengewinner...

Klar, das der Champion P. Svidler, aus (viermaliger) Tradition die Glückwunsche von Alexander Zukov persönlich entgegen nahm und eine kurze Rede hielt. Später, als sich die Strapazen ein wenig gelegt hatten, und die Medaille und die Krone ihren Platz im Gepäck gefunden hatten, nannte Peter dieses Turnier eines der besten seiner Laufbahn.

In diesem Augenblick lächelt auch A. Morosevich, aber auf der Schlusszeremonie hatte er vermutlich es am schwersten, er gab in Krasnojarsk alles, kämpfte mit 100iger Konzentration, erzielte genau so viele Punkte wie Svidler, und nur nach Buchholzzahl blieb ihm der ewige Ruhm verwehrt.

Die Krone, Platin, Autogramme und die Blicke der Zuschauer sind ihm nicht zugefallen...

Malakhov dagegen hatte etwas Glück, nachdem es ihm nicht gelang Svidler zu bezwingen, hatte er nicht ernsthaft auf etwas gehofft. Das gerade er der Beste von acht punktgleichen Spielern wurde, die den dritten Platz geteilt haben, war für Volodja eine angenehme Überraschung.

Der Bürgermeister von Krasnojarsk beglückwünschte ihn dazu!

Impressionen:


Umlagerte Bretter


Semen Dvojris


Dmitrij Jakovenko


Alexander Khalifman


Evgeny Najer


Konstantin Sakaev


Sergei Shipov


Sergei Tiviakov


Pavel Tregubov


Sergey Volkov

 


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