Dvorkovich: "Hoffentlich können wir einen schmutzigen Wahlkampf verhindern"

von Georgios Souleidis
28.07.2018 – Arkady Dvorkovich ist auf Tour für seinen Wahlkampf als FIDE-Präsidentschaftskandidat und besuchte dabei das Schachfestivel in Biel und einen Tag später das Sparkassen Chess-Meeting in Dortmund, wo er die letzte Runde symbolisch am Brett Kovalev-Kramnik eröffnete. Macauley Peterson und Georgios Souleidis sprachen mit ihm u.a. über seine Pläne für die FIDE, seine Verbindung zur russischen Regierung, Agon und politische Ränkespiele. | Foto: Georgios Souleidis

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Interview mit Arkady Dvorkovich

Die FIDE-Wahl findet während der Schacholympiade in Batumi am 3. Oktober statt. Arkady Dvorkovich ist einer von drei Kandidaten neben Georgios Makropoulos und Nigel Short.

Der ChessBase-Chefredakteur Macauley Peterson nahm die Gelegenheit wahr, um mit Dvorkovich kurzfristig in der Schweiz zu sprechen, während Georgios Souleidis (Pressesprecher Sparkassen Chess-Meeting) ihn am letzten Tag des Großmeisterturniers in Dortmund interviewte. Aus den zwei Gesprächen ist dieses Interview entstanden.


Georgios Souleidis: Es gibt im Internet viele Fotos von ihnen, wie sie Fußball oder Basketball spielen, auch bei Wohltätigkeitsveranstaltungen wie UNAIDS. Was mögen sie mehr, Fußball oder Schach?

Arkady Dvorkovich: Beides, es ist nur unterschiedlich. Fußball gibt dir Teamwork, körperliche Aktivität und viel Spaß. Schach ist für mich intellektueller, individueller und gibt dir eine bestimmte Art von Lebenserfahrung. Außerdem denke ich, dass ich beruflich besser im Organisieren von Schachveranstaltungen bin. Es erfordert einen anderen Ansatz Fußballveranstaltungen zu organisieren, was ich auch kann, aber im Schach kann ich erfolgreicher sein, da ich Erfahrung beim Russischen Schachverband, beim Tal-Memorial und anderen Veranstaltungen gesammelt habe. Diese Erfahrung und das Wissen kann ich in die FIDE einbringen.

GS: Sie sagten, sie wären besser im Organisieren von Schachveranstaltungen, aber das hört sich bescheiden an, bedenkt man die Tatsache, dass sie der nationale OK-Chef der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland waren, dem größten Fußball-Event der Welt. Wie lautet ihr Fazit dieser Veranstaltung?

AD:  Es war eine großartige Erfahrung. Wir haben unser Bestes gegeben, um einen Traum wahr werden zu lasssen. Ein Traum mehrerer Generationen von Russen. Außerdem versuchten wir das wahre Russland zu zeigen, nicht das von westlichen Medien und manchen Politikern kreierte Abbild. Das wahre Russland, das offen, gastlich und freundlich zum Rest der Welt ist. Und ich denke, dass die Menschen gezeigt haben, dass sie anders als das kreierte Abbild sind. Bezüglich der Organisation der WM war es eine große Erfahrung, wie die Dinge professionell gelaufen sind. FIFA brachte uns sehr viel Wissen und Fähigkeiten, die wir vorher nicht hatten und unser Team - das Organisationsteam, das ich für eine bestimmte Zeit führte - nutzte dieses Wissen, um es an alle Service-Bereiche, Fans und involvierte Teams weiterzugeben und alle Menschen sagen jetzt, dass es eine fantastische Veranstaltung war. Sie haben nicht erwartet, dass es so gut läuft. Es war ein richtiges Fußball-Festival.

Wichtig ist, dass wir kontrolliert haben, was passierte. Es passierte nicht nur einfach - wir kannten jedes Detail, das mit der Organisation der Weltmeisterschaft zu tun hatte. Ich besuchte 28 Spiele und saß nicht nur im Stadion, sondern ging auch ins Kontrollzentrum und wir hatten dutzende von Leuten, die sich um die Sicherheit, Verpflegung, den Notfalldienst und andere Bereiche, die berücksichtigt werden mussten, kümmerten. Das beste Resultat dieser Veranstaltung ist, dass wir jetzt neue Leute mit unterschiedlichen Fähigkeiten haben, die wissen, wie man arbeitet und die wir auch zum Schach bringen können.

"Die FIFA-Weltmeisterschaft 2018 in Russland ist vorbei! Erfreulich und traurig zur gleichen Zeit...Danke an das gesamte Team  für das Fußball-Fest!"

GS: Glauben Sie, dass sie diese Erfahrung auch für Schachveranstaltungen nutzen können?

AD: Das ist das, was ich sagte. Ich kann jetzt die Erfahrung, das Wissen, die Energie und die Leute in die Schachwelt einbringen. Wir stimmten mit dem FIFA-Präsident, Gianni Infantino, überein, dass wir eine Übereinkunft zwischen FIFA und FIDE treffen werden, in der es um den Transfer von Wisssen und Fähigkeiten gehen wird, falls ich zum FIDE-Präsidenten gewählt werde.

GS: Wann sprachen Sie mit Herrn Infantino darüber?

AD: Es war in den letzten Tagen der Weltmeisterschaft, als er in Moskau war. Wir sahen uns jeden Tag und diskutierten Themen und wir starteten Diskussionen über eine zukünftige Vereinbarung, natürlich nur wenn ich gewählt werde. Ich bin sicher, dass die FIDE stark von der FIFA profitieren kann. Der Fußball kann aber auch vom Schach profitieren. Zum Beispiel können Kinder in Fußball-Akademien auch Schach spielen, um ihre intellektuelle Kapazität und Denkfähigkeit zu verbessern. Das ist sehr nützlich.

GS: Zuerst übernahmen Sie die Position von Vitaly Mutko als OK-Chef der Fußball-WM und jetzt ersetzen Sie im Prinzip den früheren Präsidenten Kirsan Ilyumzhinov und bewerben sich als FIDE-Präsident. Fühlen Sie sich manchmal als Problemlöser, der die von anderen hinterlassenen Löcher stopfen muss?

AD: (lacht) Manchmal ja, aber viel wichtiger ist, dass ich imeine Erfahrung und Energie in jede Organisation einbringen kann. Ich nehme von allen Leuten, die vor mir gearbeitet haben, das Beste mit. Ich nahm das Beste von Vitaly und ich nehme jetzt das Beste von Kirsan mit ohne aber nicht von den Fehlern zu lernen, das ist normal. Zum Beispiel nehmen auch die Leute, die mich in der russischen Regierung ersetzt haben das Beste von mir mit und korrigieren auch die Fehler, die ich vielleicht gemacht habe. Das ist ein normaler Prozess. Ja, ich habe Erfahrung in der Weiterführung von Projektarbeit. Und ich denke, dass der Projekt-Ansatz jetzt in der FIDE übernommen werden sollte, um sie zu ändern.

Peterson and Dvorkovich

Macauley Peterson spricht mit Dvorkovich in Biel | Foto: Willy Iclicki

Macauley Peterson: Wenn Sie zum FIDE Präsident gewählt werden, was werden die spezifischen Veränderungen in der Schachwelt sein, sagen wir mal nach einem Jahr und nach vier Jahren?

AD: Ich werde mit einigen Änderungen in der Führungsstruktur beginnen. Ich spreche von Managementpraktiken wie das Ändern der Prozedur zur Ernennung von Schiedsrichtern, von Mitgliedern der Berufungskommissionen und Delegationsleiter. Ich werde das alles in ein leistungsbezogenes System überführen, das wiederum auf Erfahrung und Erfolge basiert, statt auf der Haltung gegenüber den führenden Personen in der FIDE-Führungsstruktur, so wie es jetzt unglücklicherweise geschieht.

Wir müssen eine längerfristige Finanzplanung haben. Wir werden zumindest eine Vierjahresplanung haben, so dass jeder weiß, was er zu erwarten hat hinsichtlich der Entwicklungsförderung und Unterstützung von Turnieren und Schachschulen innerhalb dieser vier Jahre. Wir brauchen ein Programm für jedes Land mit Vierjahres-Unterstützung, klares und transparentes Sponsoring für die FIDE selbst und für die nationalen Föderationen von renommierten Unternehmen, die ich sehr gut kenne, da ich lange für die Regierung gearbeitet habe. Außerdem kenne ich die Mehrheit der nationalen Unternehmen und viele von ihnen wollen das Schach unterstützen, wenn die FIDE transparent, effizient und verantwortungsvoll agiert.

Wir müssen Kapazitäten aufbauen, um besseren Zugang zum Schach überall auf der Welt zu ermöglichen. Das beinhaltet die Transformation des Schulschachs im lokalen Bereich in ein systematisches Programm, das von der FIDE überall auf der Welt angestoßen wird. Es sollte in den Schulen auch nicht nur darum gehen Schach einfach nur zu lernen, sondern auch darum Schach als Instrument zur Verbesserung der allgemeinen Bildung zu nutzen. Wir möchten, dass Kinder Schach lernen, damit sie ihre mathematischen und intellektuellen Fähigkeiten im Allgemeinen verbessern. Und das wäre eine Veränderung, die uns erlauben würde mehr Unterstützung vom öffentlichen Sektor und von Regierungen für Schach in Schulen zu erhalten und nicht nur aus der Schachöffentlichkeit, sondern von Regierungen, die an der Verbesserung der Bildungssysteme in allen Ländern interessiert sind. Ich glaube, dass es wichtig ist moderne Technologien zu nutzen für Schach, einschließlich IT-Plattformen. Indem wir das tun, bringen wir mehr Leute zum Schach und machen Schach attraktiver für Sponsoren. Wenn große Unternehmen wissen, dass Schach nicht nur für Millionen sondern für dutzende von Millionen Menschen interessant ist, dann ist das ein ganz anderes Geschäftsmodell für Unternehmen, die jetzt IT-Platformen nutzen für ihre Geschäfte. Anstatt Geld von Kindern und Familien zu nehmen, auch Antrittsgelder, Gebühren für Titel etc., so wie es die FIDE momentan macht - FIDE verdient Geld aus dem Schach, anstatt es dem Schach zu geben - besteht die Idee darin ein Geschäftsmodell zu entwickeln, Geld zum Schach zu bringen.

MP:  Das hört sich an, als ob sie mit Nigel Short einige Ansichten zu diesem Thema teilen würden.

AD: Das ist korrekt, wir haben ähnliche Ideen. Der Unterschied zwischen Nigel - einem starken Großmeister - und mir ist, dass ich Management-Erfahrung auf hohem Niveau habe und das ist wichtig. Ich glaube, dass Nigel dem Schach sehr dienlich sein kann und hoffentlich werden wir zu einem bestimmten Zeitpunkt mit ihm sprechen und diese Ideen diskutieren. Wer auch immer die Wahl gewinnt, am Ende müssen wir mit einem Team arbeiten.

Ich möchte mehr Schachprofis in die Führung bringen. Spieler, die noch sehr aktiv sind, aber auch Spieler, die weniger aktiv sind, können für das Schach viel leisten.

MP: Beide Gegner im Wahlkampf haben sich darauf konzentriert Sie als eine Art Schatten von Ilyumzhinov darzustellen bzw. zu viele Bindungen mit dem russischen Staatsapparat zu haben. Können Sie klarstellen welche Rolle Ilyumzhinov in ihrer Kampagne einnimmt?

AD: Wir diskutierten einige Probleme, aber es gibt keine aktive Rolle in der Kampagne. Ich baue mein Team auf andere Art auf, aber ich konsultierte Kirsan bezüglich seiner Erfahrung im Schach im Allgemeinen. Bezüglich einiger Regionen, wo er aktiver war - wie in Asien zum Beispiel - muss ich wissen, wie diese Föderationen arbeiten. Er weiß darüber eine Menge und ich lernte viel von ihm. Außerdem gab er mir einigen Ratschlag, aber es ist keine aktive Rolle, keine formale Rolle. Tatsächlich versuche ich jeden zu konsultieren, der mehr über Schach weiß als ich, da ich das Wissen brauche. Ich weiß viel aber nicht genug, so dass ich über viele Dinge etwas lernen muss. Ich hatte sogar ein dreistündiges Gespräch mit Herrn Makropoulos und ich denke dass war für beide nützlich.

MP: War das in Bukarest?

AD: Genau. Ich glaube letztendlich, dass wir ein breiter aufgestelltes Team bräuchten und nicht nur einen Kandidaten oder ein Team aus fünf Personen. Es sollte ein Team von dutzenden Personen sein, die an die selbe Idee glauben, die die gleiche Plattform unterstützen und die Schach auf ein neues Niveau heben können. Es gab einige gute Dinge vorher aber auch viele schlechte Dinge und wir müssen diese korrigieren und vorwärts schauen.

Bezüglich der Verbindung zur russischen Regierung; natürlich habe ich Verbindungen, da ich für die Regierung über 18 Jahre gearbeitet habe und natürlich kennen mich alle Leute. Ich erhalte aber keine Instruktionen, weder aus dem Kreml noch von der Regierung, da ich kein Teil mehr davon bin. Ja, sie unterstützen mich, sie wissen, wer ich bin und was ich schaffen kann, aber ich benutze nicht ihren Einfluss im Wahlkampf.

Georgios Souleidis: Sie fürchten nicht, dass Ilyumzhinov Sie kompromittieren könnte?

AD: Aber ich spreche doch auch mit Herrn Makropoulos, um seine Informationen zu erhalten. Ich denke, dass wir alles möglich machen müssen zum Wohl der FIDE und unsere persönlichen Animositäten aus dem Bild nehmen müssen. Was gut für die FIDE ist, ist nützlich, was nicht gut für die FIDE ist, ist nutzlos und gefährlich. Kirsan ist kein formales Mitglied meines Teams, aber ich sprach mit ihm, weil er für 23 Jahre der Präsident war.

FIDE 2018 Presidential board meeting

FIDE-Schatzmeister Adrian Siegel, Vize-Präsident Georgios Makropolous, und Dvorkovich | Foto: FIDE.com

Macauley Peterson:  In Bukarest schlugen sie eine Art Vereinbarung für Fairplay-Prinzipien vor. Wie würde so eine Verbeinbarung aussehen und wie war die Reaktion zum Vorschlag?

AD: Die generelle Idee war zu vermeiden, dass die Kandidaten Ressourcen nutzen, die sie früher benutzt haben. Das gilt insbesondere für Herrn Makropoulos, der momentan de facto der Kopf der FIDE ist. Ich glaube, dass er seine Stellung in dieser Kampagne sehr aktiv ausnutzt, indem er Seminare aller Art hält, um allgemein Reisen zu finanzieren, Leute zu treffen und Leute und Föderationen zu finanzieren. Auf meiner Seite ginge es darum meine früheren politischen Kontakte nicht zu nutzen. Dementsprechend sollten wir nicht diese Ressourcen nutzen. Nur wenn es symmetrisch wäre, würden wir eine faire Kampagne haben. Aber er lehnte ab.

MP:  Als ich mit Malcolm Pein über dieses spezielle Thema sprach, fragte ich, wie der Mechanismus aussehen würde, um sicherzustellen, dass er keine FIDE-Gelder für die Kampagne ausgeben würde. Er sagte, das müsste in einem Prüfungsausschuss geklärt werden.

AD: Danach?

MP: Es könnte einen Zeitunterschied geben, aber vermutlich —

AD: — Sie machen es jetzt. Es geht nicht um einen Ausschuss — wenn du die Anzahl der Seminare erhöhst, im Prinzip eine Verdreifachung kurz vor den Wahlen, dann ist das ein Weg, um zu reisen und mit Leuten zu sprechen, das ist klar. Formal kann jeder Prüfungsausschuss sagen, dass das legal ist - man kann Seminare organisieren, aber wenn Leute sich zur Wahl stellen, insbesondere in einer Organisation wie der FIDE, gehen sie normalerweise in den Urlaub. Man sollte Urlaub vom Verband nehmen und die Geschäfte Leuten überlassen, die nicht kandidieren - das ist ein klarer Interessenskonflikt.

MP: Wenn der Prüfungsausschuss kein guter Mechanismus ist, wie würde die Vereinbarung aussehen, die sie vorschlugen - es hörte sich eher wie ein "Gentlemen’s Agreement" an.

AD: Es liegt in den eigenen Händen, ob man Urlaub nimmt für zwei Monate für einen Wahlkampf auf unabhängiger Basis und dabei persönliche Ressourcen nutzt statt administrative Kapazitäten.

MP: Und wie würden Sie vertraglich festlegen, dass sie in jedweder Form keine russischen Staatsressourcen nutzen?

AD: Nun gut, es ist ein "Gentlemen’s Agreement", das ist wahr. Falls Sie mich erwischen würden, wie ich staatliche Ressourcen nutze, dann wäre das ein Bruch des Abkommens. Das gleiche gilt in seine Richtung - falls ich ihn erwischen würde, würde das zu negativen Konsequenzen für die Reputation und für den weiteren Wahlkampf führen. So einfach ist das.

Georgios Souleidis: Ihr Vater war ein bekannter internatioaler Schiedsrichter, der auch mit einem jährlichen Turnier in seiner Geburtsstadt Taganrog geehrt wird, und er organisierte Turniere, an denen Garri Kasparow teilnahm...

AD: Mein Vater war Teil seines Teams bei der Weltmeisterschaft...

GS: Haben Sie noch eine Verbindung zum früheren Schachweltmeister?

AD: Ich glaube ich traf ihn das letzte Mal vor acht Jahren für einige Minuten im Moskau. In den 90ern haben wir während einiger Gelegenheiten miteinander gesprochen und in den 80ern als ich jung war. Ich glaube, dass er ein großartiger Schachspieler ist, ein großartiger Champion, aber er könnte dem Schach viel mehr bringen. Lassen Sie es mich so formulieren.

GS: Apropos Kasparov — und ich zietiere ihn jetzt — er sagte: "Ich denke nicht, dass man sagen kann, dass Arkady Dvorkovich entschieden hat sich zur Wahl zu stellen. Man hat es ihm wahrscheinlich aufgetragen. So funktionieren Dinge in autoritären Regimes". Stimmt das und wie groß ist der Einfluss ihrer Regierung?

AD: Das habe ich gelesen, aber es ist komplett falsch. Ich habe die Entscheidung vollkommen ohne Einfluss aus dem Kreml oder der Regierung getroffen. Sie waren beide überrascht. Sowohl Herr Putin als auch Herr Medvedev, als sie erfuhren, dass ich kandidiere. Sie haben nicht daran gedacht. Ich erzählte ihnen, dass ich kandidieren möchte und sie sagten, dass es eine gute Idee ist. Herr Putin hat mir kürzlich öffentlich Glück gewünscht für dieses Projekt.

Dvorkovich and Putin

Dvorkovich mit dem Präsidenten der Russischen Föderation Vladimir Putin und dem ersten stellvertretenden Vorsitzenden der Duma Alexander Zhukov | Photo: Kremlin.ru

GS: Was ist ihre persönliche Motivation zu kandidieren?

AD: Ich werde drei Dinge erwähnen:

  1. Familientradition. Was mein Vater in seinem Leben machte, ist mir wichtig und ich möchte in seine Fußstapfen treten.
  2. Ich glaube wirklich, dass FIDE eine große Veränderung braucht, eine radikale Veränderung im Management, in der Finanzierung, im Marketing und in der Entwicklung des Schachs weltweit und ich denke nicht, dass das aktuelle Team das schaffen kann.
  3. Ich glaube, dass ich die Erfahrung, das Wissen und die Energie habe, um das zu leisten. Außerdem denke ich, dass meine Verbindung zur Regierung keine schlechte Sache ist für Schach. Wir brauchen die Partnerschaft der FIDE zur lokalen Regierungen weltweit, um Schach weiterzuentwickeln und meine Erfahrungen und Verbindungen auf Regierungsebene sind wichtig für das Schach.

GS: Sie erwähnten die Verbindung zur Regierung. Im Westen fürchten viele Menschen, dass der Einfluss von Russland auf die FIDE zu groß ist und dass die FIDE zu sehr von Russland abhängt, insbesondere finanziell.

AD: Ich stimme voll zu. Wir brauchen mehr Diversifikation.

GS: Viele Turniere wie die WM 2012 in Moskau und 2014 in Sotschi, aber auch die Kandidatenturniere 2014 in Khanty Mansiysk und 2016 in Moskau hätten ohne Russland vielleicht nicht stattgefunden. Wie ist Ihre Sicht auf dieses Problem und wie würden Sie es ändern?

AD: Ich denke es ist eine schlechte Idee die Finanzierung aus Russland zu verringern. Das ist nicht gut. Falls das aktuelle Team aber weitermacht, wird die Finanzierung unglücklicherweise zurückgehen, da die russischen Sponsoren es nicht mögen, wie die Dinge in der FIDE laufen. Es ist nicht transparent und sie ziehen keinen Nutzen daraus. Wenn wir über Sponsoring reden, muss man etwas im Gegenzug erhalten. Wenn es um Wohltätigkeit geht, erwartet man dagegen nichts. Aber geht es um Sponsoring, so erhalten die Unternehmen momentan nichts im Gegenzug von der FIDE.

Ich denke nicht, dass wir diesen Teil reduzieren müssen, wir müssen den anderen Teil erhöhen, sprich Finanzierung von anderen Sponsoren, anderen Ländern, anderen Unternehmen. Da ich in der russischen Regierung verantwortlich war für Investmentprojekte in der Infrastruktur und im Industriesektor, kenne ich Personen von allen großen internationalen Unternehmen. Wir haben sehr gute Beziehungen mit vielen von ihnen und ich habe schon die Entwicklung des Schachs mit manchen von ihnen diskutiert. Sie sind bereit Schach zu unterstützen, aber sie wollen transparante und effiziente Teams innerhalb der FIDE, um das zu tun. Wir werden die russische Finanzierung so lassen, aber darüber hinaus werden wir weitere Finanzierung möglich machen.

GS: Können Sie etwas präziser sein bezüglich der Unternehmen, über die Sie gesprochen haben?

AD: Natürlich haben wir noch keine vertraglichen Verpflichtungen, da ich noch nicht in der FIDE bin, aber ich kann Ihnen ein Beispiel geben: Renault unterstützt jetzt Schach in Russland und natürlich denken sie über ihren nächsten Schritt nach. Wir hatten einige Gespräche über eine mögliche Unterstützung. Darüber hinaus gibt es manche Telekommunikationsunternehmen, die bereit sind Schach zu unterstützen. Es gibt auch einige Unternehmen, die andere Sportarten wie Fußball sponsern, die auch gerne Schach sponsern würden. Wir sprechen natürlich über einen unterschiedlichen Umfang. Im Fußball geht es um hunderte von Millionen und im Schach geht es um Millionen von Dollar. Sie sind bereit zu unterstützen, aber sie müssen wissen, was sie im Gegenzug dafür erhalten - Reichweite und neue Geschäftsmodelle.

GS: Die politischen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sind schwierig, gelinde gesagt. Glauben Sie, dass Schach die Situation verbessern könnte?

AD: Alle nicht-offiziellen Aktivitäten, die konsequent durchgeführt werden - ob auf kultureller Ebene, Bildungsebene, auf sportlicher Ebene oder in Kombination mehrerer Ebenen, können die persönlichen und offiziellen Beziehungen verbessern. Das versuchen wir zu tun und Schach kann seinen Teil dazu beitragen. Als wir im Fußball oder Eishockey aktiver wurden, brachte das mehr persönliche Kontakte und neue Verbindungen und es verbesserte das gesamte Klima für politische Beziehungen im Hintergrund. Es funktioniert mit der Zeit, es geschieht nicht über Nacht [schnippt mit den Fingern], aber es hilft. Und ich möchte betonen, dass Russland es nicht nötig hat, dass die FIDE von Russland beeinflusst und kontrolliert wird. Das ist nicht der Fall. Russland braucht starke internationale Institutionen, starke internationale Organisationen, die die Interessen aller Mitglieder und aller Länder verfolgen. Nur so können wir Vertrauen zwischen Russland und anderen Länfern aufbauen. Wenn nur Russland etwas kontrolliert, wird es keine gute Auswirkung haben -

GS: —Ist das Ihre persönliche Meinung?

AD: Es ist nicht nur meine Meinung. Es ist die Meinung der russischen Regierung. Wir brauchen starke Vereinte Nationen, wir brauchen ein starkes IOC und nicht ein schwaches wie in den letzten Jahren. Wir brauchen starke internationale Organisationen in vielen Feldern, die gleiche und faire Bedingungen für alle kreieren. Daran glauben wir sehr stark.

Dvorkovich in Biel 2018

GS: Lassen Sie uns zur Wahl kommen. 64 Länder nominierten Georgios Makropoulos, 13 Länder nominierten Sie und 6 Länder nominierten Nigel Short als Kandidat für die FIDE-Präsidentschaftswahl. Von außen sehen diese Zahlen wie ein Indikator für die Wahl aus. Stimmen Sie zu?

AD: Ich stimme überhaupt nicht zu. Formal braucht man nur fünf Länder, um nominiert zu werden und ich sagte einfach, dass wir erstmal nur fünf brauchen und nicht übertreiben müssen. Einige Leute sagten mir, dass wir zumindest einige mehr haben sollten zur Sicherheit - falls ein Land in letzter Minute seine Nominierung zurückzieht. Wir hätten mehr als 13 besorgen können, aber wir setzten uns nicht dieses Ziel zum 3. Juli, als wir die Bewerbung abgeben mussten. Ich versuchte nicht die Anzahl zu maximieren - das war nicht mein Ziel. Jetzt erhalten wir immer mehr Unterstützung. Außerdem glaube ich nicht, dass 64 die wahre Zahl der Unterstützer für Herrn Makropoulos ist. Vielleicht gaben einige Leute ihre Unterstützung für Herrn Makropoulos, aber bezüglich der Wahl hatte ich schon einige Gespräche mit manchen der Föderationen und sie befinden sich weiter im Denkprozess. 64 Nominierungen bedeutet nicht, dass sie ihre Stimme für Herrn Makropoulos abgeben werden. Ich denke, dass wir eine sehr intensive Kampagne auf allen Seiten haben und es für jeden schwer wird die Wahl zu gewinnen.

GS: Heutzutage scheint es innerhalb eines Wahlkampfs eine typische Strategie zu sein, den Gegner auf sozialen Kanälen zu beschuldigen. Allgemein betrachtet, glauben Sie, dass das die richtige Strategie ist, um die Wahl zu gewinnen?

AD: Ich schlug Herrn Makropoulos eine Fairplay-Kampagne vor. Er lehnte es ab und begann fast umgehend mich zu beschuldigen. Ich musste mich dazu äußern. Hoffentlich werden wir in der Lage sein einen schmutzigen Wahlkampf zu verhindern. Aber falls ich etwas als falsch betrachte, sollte ich sagen, dass es falsch ist. Ich denke nicht, dass ich den Leuten die Wahrheit vorenthalten sollte.

Macauley Peterson:  Kürzlich hat Makropolous’ Team unterstellt, dass die Einladung von Delegierten zur Fußball-WM in Verbindung zu ihrem Wahlkampf steht. Warum haben Sie 15 Leute zur Fußball-WM eingeladen? Welche andere Erklärung könnte es dafür gelten?

AD: Ich lud in meiner Eigenschaft als OK-Chef viele Leute zur Fußball-WM ein: politische Freunde, Geschäftsleute, Eishockeyspieler, Tennisspieler, auch Schachspieler - z.B. lud ich Magnus Carlsen ein, aber er konnte nicht kommen wegen seiner Vorbereitung für Biel und andere Turniere - und ich versuchte auch Personen aus der Schachcommunity allgemein einzuladen. Manche von ihnen zeigten Interesse, manche nicht und ich habe im Gegenzug nie um ihre Unterstützung oder Stimme für die Wahl gefragt. Ich denke einfach, dass die Fußball-WM eine Veranstaltung ist, die jeder Fußballfan auf der Welt gerne besuchen würde, insbesondere die Leute, die dazu nie die Chance hatten - von fernen Ländern oder den unterentwickelsten Ländern. Menschen in Europa konnten schon viele Turniere besuchen. Wenn wir über Afrika sprechen - ja, es gab die WM in Südafrika, aber wie viele Afrikaner konnte dahingehen - dachte ich, dass es eine gute Idee ist sie einzuladen und mir einen Hinweis zu geben, was in der Schachwelt in Afrika los ist. Ich habe nicht nach ihrer Stimme gefragt, ich habe von ihnen aber gelernt, was auf der Welt passiert.

MP:  Haben Sie sie einzeln getroffen?

AD: Nein. Manche von ihnen kamen individuell, manchen von ihnen in Gruppen und wir hatten halbstündige Treffen, bevor sie zu den Spielen gingen und danach Russland wieder verließen. Ich dachte einfach, dass es eine gute Gelegenheit für sie ist Russland zu besuchen, das Land kennenzulernen und ein Fußballspiel anzuschauen ohne irgendeinen Bezug zur Wahl.

MP:  Sie waren also nicht beunruhigt, dass das wie ein Bestechungsversuch aussehen könnte?

AD: Zuallererst, das geschah alles hauptsächlich nach meinem Treffen mit Herrn Makropoulos, als ich ihn fragte nicht das Gleiche zu tun. Er lehnte ab und ich teilte ihm mit, dass ich dementsprechend einige Leute zur Fußball-WM einladen werde und ich glaube, dass das symmetrisch ist mit dem was er tut. Aber ich denke nicht, dass es sich hier um irgendwas Illegales handelt - das Gleiche, was FIDE mit seinen Seminaren gerade macht - es ist nicht illegal. Die Einladungen waren außerdem legal und transparent. Ich habe nichts falsch gemacht.

MP:  Und das haben sie Herrn Makropoulos sogar vorher mitgeteilt in Bukarest?

AD: Ja. Wenn wir die Regeln vereinbart hätten, hätte ich es vielleicht vermieden, aber nochmal. Es handelt sich hier um eine Interpretationssache anstatt um legal/illegal. Es gab hier keine Korruption, keine Bestechung oder sonstwas.

Georgios Souleidis: Wie ist Ihre Sicht auf den Vertrag der FIDE mit Agon und würden Sie mit Agon weiterarbeiten?

AD: Ich habe den Vertrag mit Agon nicht gesehen, so dass es schwierig ist darüber zu urteilen. Es ist eine legale aber auch inhaltliche Angelegenheit. Ich denke, dass jeder Vertrag Leistungskritieren beinhalten sollte: Qualität, Sicht- und Reichweite und Nutzen für die FIDE und ihre Sponsoren. Falls irgendeine Firma, also auch Agon diese Kriterien erfüllt, dann sollte sie bleiben, falls nicht, dann sollte sie gehen. Deswegen muss man alles überprüfen. Ich habe von vielen Leuten gehört, dass sie nicht zufrieden sind, so dass jeder Präsident, der gewählt wird, die Situation überprüfen sollte. Es sollte nicht das WM-Match in London beeinflussen, da es zu nah an der Wahl ist, aber danach sollten wir die Situation überprüfen und einen klaren, transparenten WM-Zyklus etablieren, auch für die Frauen. Das ist sehr wichtig.

Macauley Peterson:  Kirsan Ilyumzhinov hat eine lange Geschichte mit Agon, den Eigentumsrechten und auch mit Ilya Merenzon. Tatsächlich war das sogar entscheidend bezüglich der Trennung mit Herrn Makropoulos im letzten Jahr. Wie ist Ihre Beziehung zu Merenzon?

AD: Wir trafen uns zwischen fünf und sieben Mal, meistens während der WM-Duelle und auch kürzlich einige Male. Er erklärte mir, was sie machen, aber er zeigte mir nicht den Vertrag. Ich besuchte einige Partien. Ich denke, dass die Organisation in Ordnung war, aber es hätte besser sein können, viel besser als sie es gemacht haben. Es gibt viel Raum zur Verbesserung. Ich organisierte mit meinem Team und dem Russischen Schachverband das WM-Duell in Sotschi - Magnus und Vishy in 2014 - und viele Leute denken, dass es eine gute WM war, in vielerlei Hinscht besser als die folgenden Turniere.

MP:  Und da haben sie in gewisser Hinsicht zusammengearbeitet.

AD: Sie waren verantwortlich für das Design und für manche Elemente des Turniers, aber sie waren nicht verantwortlich für die Organisation. Wir waren verantwortlich für die Organisation. Falls sie in London zeigen, dass sie die Dinge viel besser machen können, dann können wir vielleicht damit leben, aber sie müssen es beweisen.

Ich werde verfolgen, wie die Vorbereitungen laufen. Ich stehe in engem Kontak mit manchen der Sponsoren des Turniers - sie möchten natürlich, dass es ein Erfolg wird und das Maximum rausholen, insbesondere bezüglich der Qualität und der Sichtbarkeit.

MP:  Es ist offensichtlich, dass die Sponsoren dieser Events in den letzten Jahren die selben waren wie diejenige des Russischen Schachverbands.

AD: Ich denke, dass ungefähr 80% des FIDE-Geldes aus Russland kommt.

MP:  Aber ist es wirklich FIDE-Geld oder geht es —

AD: — Es ist russisch, es ist Geld von Sponsoren —

MP:  — Korrekt, aber es geht in die Events —

AD: — Aber FIDE erhält 20% vom Preisfonds, so dass das meiste Geld aus diesen Ressourcen stammt oder FIDE verdient Geld von Leuten, von Kindern, von Eltern, von Kinderturnieren - FIDE nimmt Geld von den Familien - gibt nicht Geld, sondern nimmt Geld. Organisatoren von FIDE-Turnieren buchen Hotels und erhalten, denke ich, 100% Profit von den Hotelbuchungen, wieder von Eltern, von Kindern, von jungen Leuten. Ich denke, dass wir das so schnell wir möglich stoppen sollten. Am Tag nach der Wahl würde ich diese Praxis stoppen. Es ist nicht angemessen von Schachspielern Geld zu nehmen, du musst ihnen Geld geben.

MP:  Haben Sie Hinsichtlich der Weltmeistershaft den Eindruck, dass Unternehmen wie PhosAgro mit dabei sind wegen ihrer Affinität zum Schach oder weil sie eine Rendite erwarten?

AD: Sie mögen Schach als intellektuelle Aktivität, als einen intellektuellen Sport, eine Kombination von Sport, Wissenschaft, Kunst - sie lieben Schach - aber es ist auch ein Teil ihres Geschäfts, es ist ein Teil der Sichtbarkeit eines jeden Unternehmens. Es ist auch verantwortungsvolles Unternehmertum in Russland. Sie möchten sichtbar sein, aber um sichtbar zu sein, brauchen sie eine hochqualitative Arbeit der Organisatoren. Es ist erforderlich, das die Arbeit auf wirklich professionellem Niveau abgeliefert wird - aber es ist auch ein Teil des Geschäfts, nicht nur Wohltätigkeit. Zum Teil ist es vielleicht auch ein wenig Wohltätigkeit, aber nur zum Teil. 

MP:  Ich frage mich, ob ich über Ihre Fachkompetenz bezüglich russischer Unternehmen verfügen dürfte. Wenn eine russische Firma ein Schachevent sponsern möchte wie die Weltmeisterschaft in England, können sie nicht einfach einen Scheck [eine normale Banküberweisung] schreiben an World Chess PLC - Wie findet das Sponsoring statt? Was wir jetzt mit der World Chess PLC in England haben, ist, dass die Anteile bei fast 100% bei Ilya Merenzon liegen. Ein Bruchteil davon wurde überwiesen zu einem Unternehmen auf Zypern namens ArnoInvest Holding und diese Anteile haben einen Wert - der nicht der nominelle Wert ist - von 404 Euro (pdf) - ein sehr spezifischer Betrag - wodurch diese Anteile €2 Millionen wert sind - ungefähr die Kosten für die Organisation des WM-Matches. Ist das ein normaler Weg, um ein Event zu sponsern?

AD: Nein, bei russischen Turnieren machen wir das normalerweise durch den Russischen Schachverband. Die Finanzierung läuft über den Verband und dieser organisiert das Turnier und zahlt auch für die Werbung und Ähnliches, um dem Sponsor auf diese Weise die Sichtbarkeit zu geben und das ist alles transparent. Der Verband berichtet dem Sponsor über seine Aktivitäten, sehr sichtbar und sauber. Ich kenne nicht die Gründe, vielleicht hat das etwas mit der Besteuerung zu tun oder etwas anderem, aber, noch einmal, ich habe nicht den Vertrag gesehen.

MP:  Es gibt keinen Weg, um zu sehen, ob die Besitzverhältnisse des Unternehmens auf Zypern irgendwas mit den kommerziellen Sponsoren zu tun haben.

AD: Wir haben keine Ahnung — in Russland machen wir das nicht.

MP: Sagen wir mal Sie wären PhosAgro [der führende Sponsor der letzten großen Events -Red.] oder jemand anderes, und sie hätten schon mitgeteilt, dass sie ein Event sponsern möchten, gäbe es keinen Grund, warum sie das über ein Unternehmen in Zypern regeln wollen würden?

AD: Ich habe keine finanziellen Details mit den Unternehmen diskutiert...[an dieser Stelle schlug Willy Iclicky, der während des gesamten Interviews anwesend war, vor, dass Mitglieder des FIDE-Vorstands diejenigen sein könnten, die etwas über die Details der FIDE-Vereinbarung mit Agon sagen könnten -Red.] Ich denke, dass nicht der Vertrag oder die Struktur am wichtigsten sind, sondern und ich wiederhole mich die Qualität der Organisation, die Sichtbarkeit von Schach, die Sichtbarkeit großartiger Schachspieler, Weltmeister, Kaniddaten, anderer anwesender Spieler und die Fähigkeit der Unternehmen Schach zu unterstützen, Kinder zu mobilisieren, Vorbilder im Schach zu kreieren. Wenn all diese Dinge getan sind, dann sind Vertragsdetails von geringerer Bedeutung. Aber falls all diese Dinge nicht getan worden sind, dann muss man genauer in den Vertrag schauen.

MP:  Haben Sie Kinder, die Schach spielen?

AD: Ich habe drei Jungs. Einer ist zu jung, um zu spielen, aber die älteren können es - na ja, sie wissen, wie die Figuren ziehen.

MP:  Es hört sich an, als ob sie einen gewissen Enthusiasmus für das Schulschach übrig hätten.

AD: Ich denke, dass das wirklich wichtig ist. Schach in Schulen macht den gesamten Bildungsprozess besser. Es ist sogar wissenschaftlich bewiesen, dass Kinder bessere Resultate erzielen, wenn sie Schach in der Grundschule lernen.

MP:  Mein Eindruck über das FIDE-Projekt Schach in Schulen ist, dass es sehr langsm vorangeht und nicht viel erzielt wurde.

AD: Da stimme ich zu. Um es wirklich effizient zu machen, braucht man eine öffentlich-private Partnerschaft. Man braucht die FIDE als Motor für den Prozess, man braucht Regierungen als Partner und private Unternehmen, die im lokalen Bereich wohltätig auftreten, um das Projekt voranzutreiben. Wenn man diese drei Sektoren - und nationale Föderationen natürlich - kombiniert, kann man systematisch bessere Resultate auf höherem Niveau erzielen.

MP:  Sehen Sie irgendein Model von irgendeiner Föderation oder Region, das wirklich heraussticht?

AD: Ich studiere gerade die Erfahrung einiger Länder. Ich weiß, dass die Türkei einige gute Resultate hatte. Die russischen Regionen hatten wirklich gute Resultate: Rostov, Khanty Mansiysk, Tomsk und einige andere. Ich hörte, dass es auch gute Resultate in Mittel- und Osteuropa gibt, in der Slowakei. Usbekistan ist ein tolles Beispiel - ich habe kürzlich die Schachakademie in Taschkent besucht. Sie ist riesig, es ist fantastisch. Sie haben wirklich gute Ergebnisse erzielt. Sie haben noch nicht das ganze Land erfasst, aber sie haben ein Programm in den großen Städten und ich denke, dass sie sich wirklich schnell bewegen und in vielleicht zwei oder drei Jahren werden sie das gesamte Land abgedeckt haben und sie werden viele Talente hervorbringen. Durch dieses System entstehen viele junge und talentierte Spieler...aber man muss Schach mindestens für eine Schulstunde im Curriculum der Grundschule unterbringen - die ersten zwei oder drei Jahre. Ich denke das ist eine Sache, die jedes Land braucht - man muss Trainer bilden, aber für diese Art des Schachunterrichts müssen es keine Profis sein, man braucht vernünftig spielende Trainer, die auch die Psyche der Kinder verstehen. Man muss es als Spiel beibringen und die Liebe zum Spiel vermitteln können.

Georgios Souleidis: Sie befinden sich auf Wahlkampftour. Sie waren in Usbekistan, bevor sie mit Biel und Dortmund zwei Superturniere besuchten. Wie sieht Ihr Zeitplan aus für die nächsten Monate und welche sind Ihre nächsten Stationen?

AD: Ich werde nächste Woche Afrika und Lateinamerika besuchen. Danach kehre ich nach Europa zurück und danach werde ich auch nach Asien fliegen im August.

GS: Welche Orte werden Sie genau besuchen?

AD: Ich werde Johannesburg, dann Brasilienl, Peru und Jamaika besuchen. Für danach überlegen wir noch, welche Orte sich für unsere Meetings am besten eignen.

Herr Dvorkovich, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.

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