Yury Averbakh ist 95!

von Dagobert Kohlmeyer
08.02.2017 – Einer der ganz Großen der Schachgeschichte feiert heute seinen 95sten Geburtstag: Yury Averbakh. In seiner aktiven Zeit als Spieler war er einer der Besten der Welt. Später machte Averbahk sich als Theoretiker einen Namen. Er bereicherte die Eröffnungstheorie und lehrte ganze Generationen von Spielern das Endspiel. Zu seinem Geburtstag wurde ihm eine Endspielstudie gewidmet. Und wir haben eine alte Aufnahme entdeckt. Gratulation, Studie, Video...

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Der Endspielpapst Yuri Averbakh wird 95 Jahre

Yuri Averbakh ist eine lebende Schachlegende. Der dienstälteste Großmeister der Welt aus Russland wird am heutigen Mittwoch 95 Jahre alt. Daher kann der Moskauer von sich sagen, einer der wenigen lebenden Zeitzeugen des vergangenen Jahrhunderts zu sein, die dem Weltmeister Emanuel Lasker noch begegnet sind. Immer wenn man Yuri Lvovitsch trifft, weht ein Hauch Schachgeschichte durch den Saal. So wie im Herbst 2005 bei einer Lasker-Konferenz in Berlin, als ich ihn bat, sich für ein Foto mit zwei anderen Schachlegenden, Viktor Kortschnoi und Isaak Linder, ans Brett zu setzen.

Averbakh, Linder, Kortschnoi

Yuri Averbakh

Über dem illustren Trio thront Lasker - ein Bild mit viel Symbolgehalt. Viktor Kortschnoi und der bedeutende Schachhistoriker Isaak Linder leben nicht mehr, Averbakh aber ist nach wie vor unter uns und interessiert sich noch immer sehr rege für das Schachgeschehen. Auf ihrer Webseite gratuliert die Russische Schachföderation heute dem Jubilar und wünscht ihm Gesundheit, Energie, Optimismus und weitere schöpferische Erfolge.

Der in Kaluga am 8. Februar 1922 geborene Yuri Averbakh ist eine der vielseitigsten Persönlichkeiten der Schachgeschichte. Man kann sagen, sein Beitrag für unser Spiel ist universell. Der Moskauer gilt als hervorragender Theoretiker, nach ihm sind verschiedene Eröffnungen benannt, zum Beispiel das Averbakh-System in der Königsindischen Verteidigung. (1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Le2 0-0 6.Lg5)

Averbakh hat sich als Buchautor weltweit einen Namen gemacht. Jeder kundige Schachfreund kennt zumindest die umfangreichen Endspielwerke des Russen, die in viele Sprachen übersetzt wurden und damit große Verbreitung fanden. Enorm ist auch Averbakhs Beitrag als Schachhistoriker.

Yuri Averbakh zog zuerst die Aufmerksamkeit auf sich, als er 1938 die sowjetische Schülermeisterschaft gewann. Größere Erfolge erreichte er dann nach dem Krieg. 1949 und 1950 wurde er Champion von Moskau und im Jahre 1954 UdSSR-Landesmeister. Zwei Jahre später teilte er den 1.-3. Platz der nationalen Meisterschaft mit Taimanow und Spasski, aber den zweiten Platz in einem weiteren Turnier.

Die 1950er Jahre waren die erfolgreichste Zeit in Averbakhs Schachkarriere. Er spielte 1952 und 1958 im Interzonenturnier und 1953 im legendären WM-Kandidatenturnier von Zürich. Danach war er an den Qualifikationen für den Kampf um die Weltmeisterschaft nicht mehr beteiligt, feierte aber Erfolge in vielen internationalen Wettbewerben. 1956 gewann Averbakh ein Turnier in Dresden, später siegte er in Jakarta, Adelaide, Wien, Moskau, Rio de Janeiro, Christchurch oder beim Rubinstein-Memorial. Mit der Sowjetunion gewann er die Team-Europameisterschaft 1957 sowie 1965 und nahm an Länderkämpfen gegen die USA, England, Schweden und Jugoslawien teil.

Averbakhs Spiel war durch interessante Eröffnungsideen gekennzeichnet. Er verfügte über eine präzise Stellungsbeurteilung und hohe Technik im Endspiel. Für das letzte Partiestadium gilt er bis heute als der Experte schlechthin. Averbakh betrieb quasi Grundlagenforschung im Endspiel, seine Bücher darüber sind Klassiker. „Der Kampf der Ideen war für mich immer das Wichtigste im Schach, denn erst in der schöpferischen Auseinandersetzung wird die Wahrheit geboren“, schrieb er.

Das war noch nicht der ganze Mann. Yuri Averbakh war viele Jahre Präsident des sowjetischen Schachverbandes und einige Zeit auch Mitglied der FIDE-Exekutive. Als Chefredakteur von „Schach in der UdSSR“ sowie als stellvertretender Herausgeber der Enzyklopädie „Chess“ und Moderator einer Schulschach-Fernsehsendung leistete er einen gewaltigen Beitrag zur Popularisierung des Spiels.

Smyslov und Averbakh

Auch als Sekundant war Yuri Averbakh sehr gefragt. So half er unter anderen Michail Botwinnik in den 1950er Jahren vor dessen WM-Kämpfen und Tigran Petrosjan 1971 in dessen WM-Kandidatenmatch gegen Bobby Fischer. Mit Augenzwinkern erzählt der Jubilar noch heute gern diese Anekdote: Botwinnik zeichnete sich bisweilen durch übertriebenes Misstrauen aus. Einmal chauffierte er mich, als ich ihm bei der Vorbereitung auf die WM-Kämpfe gegen Wassili Smyslow half, mit dem eigenen PKW nach Hause. Ich bat Botwinnik, etwas früher anzuhalten, weil ich zu Fuß gehen wollte. Botwinnik schaute stirnrunzelnd zu mir und sagte zu Jakow Estrin, der auch im Auto saß: „Alles klar, jetzt geht er zu Smyslow und zeigt ihm unsere Analysen.“

Zu Ehren Averbakhs

Die bekannten russischen Schachkomponisten Oleg Perwakow und Karen Sumbatjan widmeten Yuri Averbakh zum 95. Geburtstag folgende Endspielstudie.

Weiß gewinnt

1.Ld8!

Verfrüht wäre 1.Kb3? e2 2.c4 a6! 3.a4 e1D 4.b5+ Kc5! 5.Lxe1 dxc4+!, und der weiße König erhält zur unpassenden Zeit ein Schach - Remis.

1...d4! 2.cxd4

Auch jetzt ist 2.Kb3? zu hastig wegen 2...d3! 3.Lh4 (oder 3.Lg5 e2 4.Ld2 Kd5 5.c4+ Kd4! 6.c5 e4 7.c6 e3 8.Lc3+ Ke4 9.c7 d2 10.c8D d1D+=) 3...Kd5 4.c4+ Ke4! 5.Kc3 d2 6.Kc2 Kf3! 7.Kd1 Ke4! 8.Kc2 (8.Ke2 Kd4) 8...Kf3 mit positionellem Remis.

2...exd4 3.Kb3 d3 4.a4!

Remis ergibt auch die Variante 4.Kc3? d2 5.Kc2 Kb5 6.Be7 a5 7.a3 axb4 8.axb4 Kc4.

4...e2



5.La5!

Eine präzise Rückkehr des Läufers! Das übereilte 5.b5+? Kc5 6.La5 wird durch zwei schöne Bauernzüge widerlegt: 6...a6! 7.Lb4+ Kd5! (nicht aber 7...Kd4? 8.bxa6 Ke3 9.a7 d2 10.Lxd2+ Kxd2 11.a8D e1D 12.Da5+; 7...Kb6? 8.Kc4) 8.b6 a5! 9.Lxa5 Kc6=.

5...a6 6.Kc4 e1D

Es folgt der entscheidende Schlag:

7.b5+ axb5+ 8.axb5+ Kb7 9.Lxe1 mit Gewinn.

An diesem feinen Stück dürften nicht nur der Endspielpapst, sondern auch viele Schachspieler ihre Freude haben.

Wir wünschen Yuri Averbakh zu seinem seltenen Jubiläum ebenfalls alles Gute!


Eine alte Aufnahme

Anlässlich einer Versammlung der Chess Collectors im Jahr 2008  in Hamburg, nahm Yuri Averbakh, damals war er noch "jung", 85 Jahre alt, im damaligen ChessBase-Studie eine kleine Endspiellektion auf. Diese Aufnahme ist hier erstmals zu sehen:

 

 


Dagobert Kohlmeyer gehört zu den bekanntesten deutschen Schachreportern. Über 35 Jahre berichtet der Berliner bereits in Wort und Bild von Schacholympiaden, Weltmeisterschaften und hochkarätigen Turnieren.

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