Frisch rezensiert: Ein cleveres Reti-Repertoire für den Praktiker

von Hannes Langrock
13.09.2025 – GM Felix Blohberger setzt mit seinem zweiteiligen Reti-Videokurs auf Pfade abseits des Mainstreams. In fast acht Stunden erklärt er, welche Wege er sich im Reti überlegt hat – und berichtet aus der eigenen Praxis. Hannes Langrock ist Lektor bei einem Belletristik-Verlag und Internationaler Meister. Er lebt in Leipzig und spielt für den ESV Nickelhütte-Aue. Er hat sich den Kurs intensiv vorgenommen und berichtet, wie er ihm gefallen hat. | Fotos: ChessBase

In diesem Kurs vermittelt Großmeister Felix Blohberger ein komplettes Eröffnungsrepertoire für Weiß, das sich um den flexiblen Zug 1.Sf3 dreht.
Suchen Sie nach einem vielseitigen und strategischen Eröffnungsrepertoire, das nicht auf dem Auswendiglernen endloser Varianten beruht? In diesem Kurs vermittelt Großmeister Felix Blohberger ein komplettes Eröffnungsrepertoire für Weiß, das sich um den flexiblen Zug 1.Sf3 dreht. Egal, ob Sie ein Vereinsspieler oder ein erfahrener Wettkämpfer sind, dieser Kurs bietet einen soliden und dennoch dynamischen Ansatz, der sich an verschiedene Spielstile und Gegner anpasst. 
Videobeispiel: Einführung
Videobeispiel: Grünfeld - Nebenvarianten

Anfang des Jahres ging ein YouTube-Video von Felix Blohberger viral, in dem sich der junge österreichische Großmeister mit den Schwierigkeiten auseinandersetzt, in Europa als Schachprofi zu leben. Einige Monate nach dem Schauen dieses sehenswerten und nachdenklich stimmenden Videos fiel mir auf, dass Blohberger ein zweibändiges 1.Sf3-Repertoire für ChessBase aufgenommen hatte. Sofort war mein Interesse geweckt – zumal ich Reti gerade erst in mein eigenes Weiß-Repertoire aufgenommen hatte.

Band 1

Der erste Teil des Kurses befasst sich mit Fianchetto-Systemen, sprich schwarzen Aufbauten, die sich etwa an Königsindisch, Damenindisch, Igel oder Grünfeld orientieren.

In seinen Empfehlungen dagegen setzt Blohberger eher auf strategisch fundierte Überraschungseffekte, anstatt dem absoluten Mainstream zu folgen. Hier einige Streifzüge durch seine Variantenauswahl, um dies zu verdeutlichen:

Das Reti Opening Powerbook 2025 hat eine Baumstruktur, welche auf einer Mischung aus über 295.000 Computerschachpartien, ausgetragen im Maschinenraum von Schach.de, und den besten von Menschen gespielten Partien (137.000) basiert.
Für das Reti Opening Powerbook wurde ein Eloschnitt von mindestens 2300 zugrunde gelegt. So überschritten 137.000 Partien aus der Mega und vom Fernschach die Eingangsschwelle des Powerbooks, dazu kommen 295.000 Partien aus dem Maschinenraum von Schach.de. Die originale Zugfolge a la Richard Reti lautet 1.Sf3 d5 2.c4 und danach folgt ein Fianchetto mit g3 oder b3 (bzw. sogar das Doppelfianchetto), aber heutzutage ist der Begriff Reti-Eröffnung viel weiter gefasst und umfasst fast alle möglichen Varianten nach 1.Sf3, die nicht direkt in bekannte „große“ Eröffnungen übergehen. Man spielt flexibler 2.g3 (manchmal auch 2.b3), meistens gefolgt von 3.Lg2 und 4.0-0. Je nach schwarzem Aufbau entscheidet man dann, wie es weiter geht. In das Reti-Powerbook wurden möglichst viele Spielanfänge nach 1.Sf3 aufgenommen, allerdings keine Varianten mit frühem d2-d4, die zum Beispiel zu Katalanisch oder Königsindisch führen würden.

Reti Opening Powerbase 2025 ist eine Datenbank und enthält 10989 hochklassige Partien aus der Mega 2025 bzw. der Correspondence Database 2024, davon sind 1069 kommentiert.
Die 1069 ausgewählten kommentierten Partien bieten ein exzellentes Studienmaterial. Topspieler wie Carlsen (1 kommentierte Partie), Anand (2), Anton Guijarro (1), Aronian (1), Duda (1), Eljanov (1), Firouzja (2), Giri (6), Kramnik (4), Navara (2), Nepomniachtchi (1), Praggnanandhaa (1), Radjabov (1), So (2), Vidit (3), Wojtaszek (1) haben ihre Partien analysiert, dazu kommen die Kommentare von Reti-Experten wie Ribli (181), Horn (140) und Marin (101). Insgesamt sind es 10989 Partien, wobei der Ratingschnitt mindestens 2615 beträgt, außer von Partien mit Kommentaren bzw. der Reti-Experten Hikaru Nakamura (1034) und Rasmus Svane (832) sowie Vladimir Kramnik (310).

Te1 gegen Königsindisch

1.Sf3 Sf6 2.g3 g6 3.Lg2 Lg7 4.0-0 0-0 5.d4 d6 und jetzt 6.Te1!?

Der unscheinbar wirkende Turmzug wird nur in knapp 7 Prozent der Partien gespielt. Weiß möchte schnell e2-e4 folgen lassen. Aber vor allem erschwert der Verzicht auf c2-c4 das typisch königsindische Gegenspiel. Meistens setzt Schwarz mit 6…Sbd7 7.e4 e5 fort, findet sich nach 8.Sc3 allerdings in womöglich ungewohnten Altindisch-Strukturen wieder.

„Ich war selbst erstaunt, wie gut Weiß hier schon steht“, erklärt der österreichische Nationalspieler und zeigt, wie Schwarz vor große Probleme gestellt werden kann.

Te1 gegen Igel

1.Sf3 Sf6 2.g3 b6 3.Lg2 Lb7 4.0-0 e6 5.c4 c5 6.Sc3 Le7 7.Te1

Hier ist 7.Te1 tatsächlich eine bekannte Variante und der zweithäufigste Zug. Falls Schwarz nun auf seinem Igel besteht, landet er nach 7…d6 8.e4 a6 9.d4 cxd4 10.Sxd4 Dc7 11.Le3 Sbd7 12.Tc1 0-0 13.f4 in einer tendenziell gefährlichen Version, in der Weiß in Verbindung mit g3-g4 eine Initiative am Königsflügel entwickeln kann. Natürlich befasst sich Blohberger auch mit Versuchen, dieses Szenario mit 7…d5 oder 7…Se4 zu vermeiden.

Auch gegen den Damenindisch-Aufbau und gegen das Doppelfianchetto mit …b6 und …g6 setzt Blohberger auf frühes Te1 mit der Idee e2-e4. Der österreichische Großmeister hat hier die Praxis seiner Schüler im Blick – denn es ist viel einfacher, ähnliche Varianten zu verinnerlichen, als sich gegen jedes System etwas anderes merken zu müssen.

7.a4!? gegen Symmetrisches Grünfeld

1.Sf3 d5 2.g3 g6 3.Lg2 Lg7 4.d4 Sf6 5.0-0 0-0 6.c4 c6 7.a4!?

Das ultra-solide symmetrische Grünfeld ist eine harte Nuss, sodass man hier unbedingt etwas in petto haben sollte. Laut meiner Datenbank wird das von Blohberger empfohlene 7.a4!?, das ich vor dem Schauen des Kurses überhaupt nicht kannte, in nur circa 2 Prozent der Partien gespielt! Blohberger weist darauf hin, dass diese giftige Nebenvariante auf Top-Niveau zwar schon angekommen ist, man auf Amateur-Level aber sicher viele Gegner damit überraschen kann. Der Zug des Randbauern ist einerseits Prophylaxe gegen sofortiges …dxc4 – nach 7…dxc4?! 8.Sa3 ginge 8…b5? nicht mit dem Bauern auf a4 und auch anders ließe sich der c4 nicht gut decken. Andererseits kann auch a4-a5 mal eine Option sein. Und in vielen Varianten kann Weiß nach späterem …dxc4 einfach auf Kompensation spielen mit einem starken Zentrum nach f4, e4 usw.

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Band 2

Kostenloses Videobeispiel: Einführung

Der zweite Teil des Reti-Repertoires befasst sich mit einer Reihe an weiteren Hauptsystemen wie 1.Sf3 c5, dem „klassischen“ …d5, …Sf6, …e6, …Le7, dem Aufbau mit …d5 und …c5 und einigem mehr. Auch der große Komplex 1.Sf3 d5 2.g3 mit schwarzen Läuferentwicklungen nach g4 beziehungsweise f5 oder auch modernen Abspielen wie 2…Sd7 sowie 2…b6 wird intensiv behandelt.

Blohberger bleibt hierbei seinem Ansatz treu, hochtheoretische Komplexe zu vermeiden. Ein wichtiger Grundpfeiler des Repertoires ist das flexible Doppelfianchetto nach 1.Sf3 d5 2.g3 Sf6 3.Lg2 e6 4.0-0 Le7 5.c4 0-0 6.b3!?:

Ein auf GM-Level ziemlich beliebter Komplex, in dem es vor allem um strategische Kniffe geht.

Englisch gegen 1…c5

Wichtig für das Repertoire ist, dass Weiß nach 1…c5 ausnahmsweise nicht 2.g3 spielt, sondern 2.c4 mit Übergang in englische Gefilde. Im Anschluss folgt häufig schnelles e2-e3 nebst d2-d4, etwa nach 2…Sc6 3.Sc3 e5 4.e3 oder 3…g6 4.e3. In letzterem Fall führt 4…Sf6 5.d4 cxd4 6.exd4 d5 7.cxd5 Sxd5 8.Db3 zu einer Isolanistellung, in der Weiß sehr gut scort, zum Beispiel nach 8…Sxc3 9.Lc4! Sd5 10.Lxd5 e6 11.Lxc6+ bxc6 12.0-0 mit guten Chancen auf den schwarzen Feldern.

Fazit: In angenehmem Vortragsstil präsentiert GM Felix Blohberger in 7 Stunden und 30 Minuten Videolaufzeit ein aussichtsreiches strategisches Reti-Weißrepertoire. Die Variantenauswahl des österreichischen Großmeisters ist ausgesprochen clever. Statt ausgetretenen Mainstream-Pfaden und langen Theorieduellen sucht er tendenziell eher nach Wegen, um praktische Probleme zu stellen. Zugleich gibt es eine gewisse Einheitlichkeit – wie das Te1-Konzept gegen sowohl Königsindisch als auch Damenindisch oder Igel –, was das Lernen erleichtert.

Die im Kurs mitgelieferte pgn-Datei ist in einigen Abspielen etwas knapp gehalten – was daran liegt, dass diese Theorie-Datei exakt diejenigen Varianten enthält, die Blohberger auch in den Videos vorstellt. Da würde ich ab 2000+ Level empfehlen, mithilfe der neuesten Megabase und Engine selbst noch etwas zu analysieren und in die Tiefe zu gehen, um den maximalen Benefit aus dem Kurs mitzunehmen.

Zum Autor:

Felix Blohberger ist nicht nur Großmeister – er ist auch mehrfacher österreichischer Staatsmeister und eine feste Größe in der österreichischen Nationalmannschaft. Mit nur 19 Jahren erlangte Felix den Titel eines Großmeisters und bringt eine Fülle an Erfahrung sowohl als Wettkampfspieler als auch als Sekundant von Spitzenspielern mit.

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Hannes Langrock ist Internationaler Meister und spielt für den ESV Nickelhütte Aue in der 2. Bundesliga. Er lebt mit seiner Familie in Leipzig und arbeitet bei einem Belletristik-Verlag als Lektor.