Leko
prüft Schachlegende Karpow
Von Dagobert Kohlmeyer aus Miskolc
Die ersten beiden Partien zum Nachspielen...

Im Theater
von Miskolc begann am Mittwoch der mit Spannung erwartete Wettkampf des
ungarischen Vorkämpfers Peter Leko gegen Anatoli Karpow aus Russland. Beide
Großmeister äußerten vor dem 8-Partien-Match großen Respekt voreinander. Das
ehemalige Wunderkind Leko: "Karpow war immer ein Vorbild für mich. Ich bewundere
sein Schachverständnis und seine elegante Spieltechnik“. Der 12. Weltmeister der
Schachgeschichte kommt mit frischem Ruhm aus Zürich ans Brett. Beim
Jubiläumsturnier der Credit Suisse in Zürich teilte er vorige Woche gemeinsam
mit Garri Kasparow den 1. Platz. Es war Karpows 166 Sieg in einem Einzel- oder
Mannschaftswettbewerb - ein unerreichter Rekord.


Die
Eröffnungsfeier im schönen Nationaltheater von Miskolc war stimmungsvoll.
Künstler der renommierten Bühne zeigten mit Tanz, Akrobatik und Musik einen
Querschnitt durch die Schachgeschichte. Im Foyer begrüßte ein Schachtürke die
Zuschauer.

Bei der
Auslosung mit Weinflaschen wählte Karpow den roten, worauf er in Partie 1 die
schwarzen Figuren führte. Leko zog eine weiße Tokaierflasche, die ihm für das
Auftaktspiel logischerweise die weißen Steine bescherte.


Nach dem
vorjährigen Match des Ungarn gegen Michael Adams und der jetzigen Steigerung
gegen Karpow spricht alles dafür, dass Miskolc sich anschickt, eine
Schachtradition zu begründen und evtl. einmal Schachhauptstadt von Ungarn zu
werden. Bürgermeister Sandor Kali und sein engagiertes Team im Rathaus sowie
viele örtliche Sponsoren jedenfalls sind bereit, alles dafür zu tun (siehe auch
unser Interview mit dem Bürgermeister). Leko Manager Carsten Hensel betonte: „Es
gibt momentan nur eine Plattform in Ungarn, wo Schach auf höchstem Niveau
präsentiert wird: in Miskolc!
Vorhang auf zum Match…!
Hauptschiedsrichterin ist die ungarische Großmeisterin Zsuzsa Veröci. Den ersten
Zug führte Miscolc’ Bürgermeister Sandor Kali aus.

Schiedsrichterin Zsusza Veröci (Mitte)

Nach dem
ersten Wettkampftag steht es 1:1. Das Auftaktspiel war eine muntere
Caro-Kann-Partie, die nach 28 Zügen mit Remis durch Dauerschach endete.

Auch im
Rückspiel, wo es mehr positionell zuging, wurde am Ende der Punkt geteilt. Beide
Spieler konnten damit leben. Peter Leko sagte hinterher: „Auf jeden Fall war es
ein besserer Start als im Vorjahr, wo ich gegen Michael Adams, ehe ich mich
versah, 0:3 zurücklag. Karpow wird von seinem langjährigen Sekundanten Michail
Podgajez unterstützt. Peter Lekos Coach ist sein Schwiegervater Arschak
Petrosjan.

Dr. Tibor Hooz eröffnet die zweite Partie
"Schach
ist eine ernsthafte Sache“
Interview mit dem Bürgermeister von Miskolc, Sandor Kali
Von Dagobert Kohlmeyer

Dagobert Kohlmeyer und Sandor Kali mit einem Buch von Karpow
Der
Schirmherr des Matchs zwischen Karpow und Leko in Miskolc ist ein viel
beschäftigter Mann. Gerade aus dem Urlaub in der Türkei zurück, empfing
Bürgermeister Sandor Kali noch am gleichen Abend - zwei Tage vor Spielbeginn
-beide Großmeister in seiner Stadt. Seine exzellenten Deutsch-Kenntnisse
verdankt Herr Kali einem Studium in Dresden. Im Gespräch mit unserem Reporter
erzählt er über seine Stadt im Wandel der Zeit sowie die Verbindung von Schach
und Politik. Heute setzen die Stadtväter von Miskolc auf Hochtechnologie, Kultur
und Sport.
Welches Bild prägte Miskolc in der Vergangenheit?

Sandor Kali spricht einen Toast beim Eröffnungsbankett
Wir waren
200 Jahre lang eine Stahlstadt. Die Kaiserin Maria-Theresia hatte hier einst
eine Fabrik gegründet. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus, mit dem
sowjetischen Markt als größten Abnehmer, war hier alles pleite.
Wie wirkte sich das konkret auf die Stadt aus?
Die beiden
großen Betriebe mit einer Belegschaft von je 30 000 Menschen schrumpften auf
zehn Prozent. Ähnlich wie es in der europäischen Geschichte anderen Regionen
ging. Denken Sie nur an das Ruhrgebiet oder an Liverpool bzw. Manchester.
Was taten die Stadtväter dagegen?
Wir wollten
unsere Stärken ausbauen. Neben Stahl gab es früher bei uns Maschinenbau, Chemie-
und Zulieferindustrie. Kulturell und sportlich war Miskolc auch immer vorn.
Jetzt haben wir eine neue Entwicklungsrichtung gewählt: die Verbindung von
Tradition und Hochtechnologie. Zum Beispiel wird gemeinsam mit Russland an der
Universität Miskolc ein nanotechnologisches Zentrum aufgebaut. Der Vertrag
darüber ist im Februar beim Besuch von Präsident Putin in Budapest unterzeichnet
worden.

"Kultur baut Stadt“:
Das Nationaltheater in Miscolc
Auch als Kulturstadt hat sich Miskolc einen Namen gemacht.
Seit der
Wende handeln wir nach dem Grundsatz: "Kultur baut Stadt“. Sie prägt das Image
von Miskolc. Unser Flaggschiff ist das Opernfestival. In diesem Jahr kamen schon
130 000 Besucher. Unser Theater, wo auch das Schachmatch stattfindet, ist eines
der größten in Mitteleuropa. Die Idee ist „Bartok +“. Jedes Jahr kommt etwas
Neues hinzu. Also Bartok plus Verdi oder Puccini zum Beispiel.
Hat Bela Bartok hier gelebt?
Nein, nein.
Einen solchen Zusammenhang gibt es nicht. Aber der Komponist Bela Bartok steht
als Symbol für die ungarische Kultur. Zudem gab es bei uns viele Veranstaltungen
auch außerhalb des Theaters.
Wo finden sie statt?
Zum Beispiel
in unserer Burg. Es ist mehr ein Schloss. Die so genannte Diosgyör war die Burg
der ungarischen Königinnen. Früher war es Brauch, dass die Frauen des Königs ein
Schloss geschenkt bekamen. In dieser Burg ist zum Beispiel damals die
Stadtgründungsurkunde von Kosice vom König unterzeichnet worden.

Zu Ihrer Person. Hätten Sie gedacht, dass sie einmal
Bürgermeister werden?

Das Spielerhotel in Miskolc
Nein. Ich
habe in den 1970er Jahren in Dresden Informationstechnik studiert. Später
arbeitete ich als Projektant im Bereich der technischen Akustik und
Lärmbekämpfung.
Wie lange sind Sie in Ihrem politischen Amt?
Seit vier
Jahren. Wir haben jetzt Neuwahlen. Ich bin Sozialdemokrat und bewerbe mich
erneut um das Amt. Meine Frau ist nicht so begeistert davon, weil ich nur selten
zu Hause bin. Vier Jahre lang war ich zweiter Bürgermeister in Miskolc. Dann bin
ich wieder in meinen Job zurückgegangen. Ich habe auch einige Zeit in
Deutschland gearbeitet. Das war in der schönen Stadt Soest bei Dortmund. Dann
rief die Politik mich wieder.
Und welches Verhältnis haben Sie zum Schach?

Karpow, Bürgermeister Kali und leko
In meiner
Jugend, auch an der Uni, habe ich viel Schach gespielt. Sehr viel Talent hatte
ich wohl nicht. Es war Kneipenschach, das wir damals spielten. Aber es machte
großen Spaß.
Nun wollen Sie in Miskolc eine Schachtradition begründen.
So ist es.
Nie hätte ich früher daran gedacht, einmal so ein Turnier auszurichten. Es kam
durch die freundschaftlichen Kontakte zu Peter Leko. Vor drei Jahren machte er
Urlaub hier in unserer Gegend. Wir lernten uns kennen und schlossen
Freundschaft. Schon das vorjährige Match Leko- Adams war ein großer Erfolg. Den
größten Anteil daran hat Peters Manager Carsten Hensel.
In diesem Jahr gibt es mit Karpow – Leko ja noch eine Steigerung!

Peter und Sofia Leko
Es war mir
eine Ehre und Freude, mit dem 12. Weltmeister Anatoli Karpow eine lebende
Schachlegende in Miskolc zu begrüßen. Und das Nationaltheater ist eine würdige
Spielstätte für das Turnier.
Sehen Sie eine Verbindung zwischen Schach und Politik
Schach ist
eine ernsthafte Sache. Politik hingegen … (lacht). An erster Stelle steht das
strategische Denken. Ich meine, in beiden Bereichen ist Strategie wichtig. Was
Ungarn angeht, so haben wir nicht die Voraussetzungen wie vielleicht andere
europäische Länder, aber das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Gefragt
sind deshalb Flexibilität, Kreativität und Eigenverantwortung der Menschen.
In der Politik werden wie beim Schach manchmal Bauern oder andere
Steine geopfert. Mussten Sie das auch schon tun?
Ja. Ja. Aber
da ich aus einem anderen Bereich, der Technik, komme, habe ich immer versucht,
die Dinge sachlich zu lösen. Weil ich analytisch denke und immer das Ziel im
Auge habe, dass Miskolc eine lebenswerte europäische Stadt wird. Und im
Interesse dieser Sache muss manchmal ein schlechter Bauer geopfert werden.
Text und
Fotos: Dagobert Kohlmeyer