"Menschen segnen den Ort!"

von ChessBase
05.10.2012 – Kaiser Augustus muss ziemlich sauer auf Ovid gewesen sein, denn er verbannte den Dichter in den hintersten Winkel des römischen Weltreiches - nach Constanta. Wenigstens war das Wetter gut, als der Poet über sein Schicksal in Versen jammerte. Etwas mehr als 2000 Jahre später besuchte Alina L'Ami den Ort anlässlich der rumänischen Mannschaftsmeisterschaften. Anfangs enttäuscht ob der Kargheit des ziemlich menschenleeren Badeortes Mamaia und seines postkommunistischen Charmes konnte unsere Reporterin sich dann doch für das rumänische Strandleben trotz Nachsaison und kaltem Wind erwärmen - dank der Schachspieler. "Menschen segnen den Ort!", sagt ein rumänisches Sprichwort.Turnierseite des rumänischen Verbandes...Bericht, Bilder, Partien, etc...

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"Menschen segnen den Ort!"
Von Almira L'Ami

Vor einigen Jahren war ich in großer Empörung zu hören, dass einige meiner Freunde als Urlaubsziel die bulgarischen Küste gewählt hatten - was für "Verräter". Das konnte ich nicht verstehen: Warum wollte man so weit reisen, um dann im selben Sand zu sitzen, seinen Körper im gleichen Sonnenlicht und seine Leber in den gleichen Getränken am Schwarzen Meer zu laben? Oh nein! Wir haben doch Mamaia - unser Juwel an der Küste! So sagt man jedenfalls...


An rumänischen Schwarzmeerküste


Mamaia liegt auf einer Landzunge

Jetzt bin ich nicht mehr so sicher, auch wenn ich eigentlich nicht negativ sein möchte. Aber das Gefühl, dass ich hatte, als ich den vermeintlich schönsten Strand Rumäniens betrat war: Wo bin ich denn hier...?


Vermutlich war der zackige Wind und der Umstand, dass wir uns bereits in der Nachsaison befanden nicht geeignet mich aufzumuntern. Und vermutlich war auch die Tatsache, dass die rumänische Liga im Begriff war zu starten dafür verantwortlich, dass ich etwas angespannt war. Oder bin ich etwa schon etwas snobistisch geworden, was Strände und Badeorte angeht?

Ja, ich bin einverstanden, er war schön, der Strand, der Strand selbst.


Der Strand von Mamaia

Aber der Ort, der direkt an den Strand angrenzt, vermittelte mir dieses traurige alte industrielle Flair - meine Sache ist das nicht gerade.


Unser Hotel. Es ist nicht gerade ein toller Schnappschuss, aber bei dem Versuch
eine gute Perspektive zu finden, habe ich beinahe meine Kamera verloren


Neben einer Reihe von unvollendeten Gebäuden - seit Jahren stehen sie im Rohbau herum und warten auf ihre Fertiggstellung -  gab es nicht viel, was mein Interesse an der Promenade hätte wecken können, mit Ausnahme dieser seltsamen Mischung von Luxus und Kitsch, der irgendwie so perfekt zusammen passt, wobei der Anteil des Einen oder Anderen am Ganzen je nach Geschmack der Leute vor Ort variiert. Und wenn Sie sich gut fühlen möchten, dann ist Mamaia auf keinen Fall sympathisch, finanziell gesehen. Es verbrennt dich, wo immer es dich einfängt, so wie die Mittagssonne.


Badeort in der Nachsaison. Ich bin sicher, im Sommer bekommt der Ort einen ganz anderen "Spin",
mit lauter Musik, vielen Händlern in den Straßen und wilden Parties.


Dies war kurz gesagt, meine erste Enttäuschung. Aber dann fing ich an, mich an den Ort zu gewöhnen, das Wetter wurde besser und das Turnier fing an und zu meiner eigenen Überraschung sah ich die Dinge mit anderen Augen.


Wer sich für Nachclubs, Kuchen oder Bier nicht begeistern kann, für den ist Angeln eine gute Alternative.

Es war zwar keine 180 Grad-Wende, aber ich kann ehrlich sagen, ich hatte Spaß.


Irina Bulmaga erfreut sich an der Sonne.

Unser zweites Brett bei Politehnica Iasi ist nicht nur eine talentierte Spielerin, sondern auch noch sehr mannschaftsdienlich. In der letzten Runden kämpfte sie gegen Corina Peptan um den Sieg, drückte und drückte und vermied das Remis um jeden Preis. Am Ende verlor sie zwar, aber ihre Einstellung ist nur zu loben. Wenn es doch nur mehr solche Spieler gäbe...


Ihr Reporter in guter Stimmung. Anscheinend sorgt ein Besuch an der See,
auch in der Nachsaison für reichlich Ausschüttung von Endorphinen.
Vielleicht ist es sogar noch besser als in der hektischen Sommersaison


Smaranda Padurariu spielt bei uns (Politehnica Iasi) an Brett drei
und ist die Freundin von GM Jan Smeets.




Ivan Salgado


Unser beliebtester Platz an der Promenade...



... tagsüber...



... und abends.


Eine echte Schachfamilie: Ovidiu Foisor, Cristina Foisor und die jüngste Tochter Veronica Foisor.
Sabina Foisor, ihre Schwester, spielt nun für die USA.


Ein Ausflug mit dem Schiff...



... zur Insel Ovidiu, wo der Dichter Ovid begraben sein soll.


Publius Ovidius Naso, bekannt als Ovid. Der römische Dichter war der Schöpfer dreier großer Gedichtsammlungen, der Heroides, Amores und Ars Amatoria, außerdem schrieb er im Exil in Constantia die Tristia und Epistulae ex Ponto.


Die örtliche Lebensrettungsbrigade - mindestens so effektiv wie die Truppe in "Baywatch".

Kein Witz: Ein abenteuerlustiger Schachspieler schwamm hinter die Markierung und wurde dann von einer ganzen Flotte von Seenotrettungsbooten wieder an Land gebracht. Er hätte diese Hilfe nicht nötig gehabt, aber wenn es mal wichtig ist, sind sie da!



Der Seevogel schlechthinh...



... die Möwe.


Und hier das Seemonster!

Vielleicht finden Sie heraus, wer es ist. Sein Name lautet so ähnlich wie die die englische Bezeichnung für Möwe (Kleiner Scherz in rumänischen Schachkreisen).


Jack Sparrow macht hier auch Urlaub


Palmen und einheimische Bäume. Die Erstgenannten sind exotischer... Um dieses Thema ist eine Kontroverse entstanden.
Ich mag die einheimischen Bäume mehr, weil sie besser mit den rumänischen Wintern zurecht kommen.


Ein Überbleibsel aus der kommunistischen Zeit, wie ich vermute

Anders konnte es auch nicht sein, denn wir waren unter Freunden und wir spielten Mannschaftskämpfe, was immer interessanter ist, als wenn man nur für sich selber kämpft.




Der Turniersaal, rechts ist die Frauenabteilung


Dafür kämpfen wir ;-)


Im Männerturnier wird an sechs Brettern gespielt, eins davon für einen U20-Jugendlichen reserviert. Im Frauenturnier wird an drei Brettern gesielt, auch hier ist ein Brett für eine Nachwuchsspielerin reserviert. Da drei Bretter nicht gerade viel ist und die Farbverteilung immer ungleich ist - entweder hat eine Mannschaft zweimal Weiß oder zweimal Schwarz, hat der Verband beschlossen, die Anzahl der Bretter im Frauenturnier auf vier zu erhöhen.


Marin Luiza (links, die Gattin von of Mihail Marin) und ihre Zwillingsschwester Otilia Baciu.
Ich habe immer Angst, dass ich die beiden verwechsle und ich hoffe, man versteht, warum.


Volokitin in Aktion



Nisipianu, auch mit Schwarz gefährlich

Es gibt aber auch eine bedauerliche Entwicklung. Immer weniger Vereine haben Geld, auch ihre Frauenmannschaften zur Meisterschaft zu schicken. Diesmal kamen nur acht Frauenteams. Trotzdem waren mit  Ekaterina Atalik, Ketewan Arachamia-Grant, Anna Zatonskih und Corina Peptan (unsere beste Frau in Rumänien) einige prominente Namen am Start.


AEM Luxten Timisoaras Mannschaft mit Anna Zatonskih an Brett eins,
Cristina Foisor am zweiten Brett und ihre Tochter Veronica Foisor am Mädchenbrett. Sie wurden zweite.


Ekaterina Atalik vs Anna Zatonskih


Ketevan Arakhamia-Grant spielt am ersten Brett des neuen Meisters,
CSM Bucuresti; außer ihrem Titel als Großmeisterin beeindruckt Kety mich mit ihrer eleganten Erscheinung
und ihrer warmherzigen Persönlichkeit. Auch wenn sie mich in der letzten und entscheidenden Runde ohne jede Gnade vernichtete...

Bei den Männern konnte man Partien zwischen so starken Spielern wie Andrei Volokitin, Ferenc Berkes, Liviu-Dieter Nisipeanu, Ivan Salgado, Illya Nyzhnyk und weitere Spieler über 2600 Elo beobachten.


Im Hintergrund: Volokitin und Berkes spielen für das Siegerteam - AEM Luxten Timisoara


Dieter erläutert, wie er seinen Gegner in der vorherigen Runden erwürgt hat.


Dieter Nisipeanu - von vielen Frauen aus offensichtlichen Gründen beneidet


Illya Nyzhnyk


Mihail Marin, berühmter Autor und Großmeister


Andrei Volokitin


Ferenc Berkes

Jetzt, zurückblickend, stimme ich mit dem rumänischen Sprichwort überein: "Menschen segnen den Ort!" Mit anderen Worten: Dank des Turniers, dank der Schachspieler, die den Strand bevölkerten, dank des inspirierenden Meerwassers am Horizont, wurde Mamaia zu einem lebendigen Ort. Ich bin mehr als 1000%ig sicher, hier gibt es einiges Potenzial. Auch wenn die Gegenwart ein paar Lücken zeigt, die Zukunft lacht uns an.

 

Endstand Superliga Männer
 

Loc Echipa 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 TB1 TB2 TB3
1 CS AEM Luxten Timisoara * 3 5 6 17 0 38.0
2 Clubul de Sah al Municipiului Baia Mare * 3 4 15 2 34.5
3 ACS Sah Apa Nova Bucuresti 3 * 4 4 4 5 15 0 36.0
4 CS Studentesc Medicina Timisoara 2 * 4 4 5 4 12 0 34.0
5 CS Politehnica Iasi 3 2 2 * 4 4 9 0 27.0
6 CSM Lugoj 1 2 2 * 3 4 4 7 0 23.5
7 CS Victoria Techirghiol 0 1 2 3 * 1 3 4 6 0 19.0
8 CSU Ploiesti 2 ½ 5 * 3 3 4 0 20.5
9 CS Sinandrei Timis 1 2 2 3 3 * 3 3 0 19.5
10 Sah Club Cugir ½ 2 2 2 3 3 * 2 0 18.0

Partien:

 

 

Endstand Superliga Frauen
 

Loc Echipa 1 2 3 4 5 6 7 8 TB1 TB2 TB3
1 CSM Bucuresti * 1 2 2 3 3 12 0 16.0
2 CS AEM Luxten Timisoara 2 * 1 3 2 2 3 11 0 14.5
3 CS Studentesc Medicina Timisoara 1 2 * 2 0 2 2 10 0 11.5
4 CSM Lugoj ½ 0 1 * 2 3 8 2 11.5
5 CS Politehnica Iasi 1 3 ½ * 3 3 8 0 13.5
6 Clubul Central de Sah Bucuresti ½ 1 1 ½ 0 * 3 2 7.0
7 ACS Sah Apa Nova Bucuresti 0 1 1 1 ½ * 3 3 0 8.0
8 CS Universitatea Arad 0 0 ½ 0 0 0 * 1 0 2.0

Partien:

 

 


Die Siegerfotos (Bilder des Verbandes) CSM Bucuresti bei den Frauen,

,

AEM Luxten Timisoara bei den Männern.

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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