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Geschichten aus Dortmund
Von André Schulz
Die Stadt Dortmund ist eigentlich viel schöner als ihr Ruf, zumindest die Innenstadt, vom Schauspielhaus nur wenige Gehminuten entfernt.
Das Schauspielhaus
Antike trifft Moderne
Die Oper
Die Kunst schaut dich an
Nachdem man an der architektonisch interessanten Oper vorbei marschiert ist,
kommt man in den Stadtgarten.
Pan lädt m Stadtgarten zum Kuscheln ein
Dort ist auch die gleichnamige U-Bahn-Station, die man als Endpunkt seiner Anfahrt zum Turnier nicht verpassen sollte, falls man per Bus und Bahn kommt.
U-Bahn Station Stadtgarten
Der für die Rasenmäherei im Stadtgarten zuständige Gartenarbeiter hat nicht viel Arbeit - groß ist der Stadtgarten nicht.
Ein großes Denkmal ist allerdings dem unbekannten Bierkutscher gewidmet.
Die Bierbrauerei spielt in der Stadtgeschichte eine große Rolle und das zu dieser Zunft zugehörige Biertrinken sicher auch. Wenn man so will, ist das Westfalenstadion der moderne Tempel dieser Leidenschaft. Wenn die 80.000 Menschen dort immer wieder "Borussia" schreien, ist in Wirklichkeit doch wohl "Bier! Bier!" gemeint.
Schon ist der Besucher am Rathausplatz angelangt. Hier steht noch eines der wenigen älteren Gebäude der ehemaligen Dortmunder Innenstadt, das die Zerstörungswut des Zweiten Weltkrieges überdauert hat.
Dortmund erlebte zwischen dem 5. Mai 1943 und dem 12. März 1945 insgesamt 105 Luftangriffe, davon acht Großangriffe. Bei diesen wurden mehr als 600.000 Bomben auf die Häuser der Stadt abgeworfen und dadurch 70% der Gebäude der Stadt zerstört. Nur weniges konnte restauriert werden.
Der Himmel zieht sich zu
Alte Konsumarchitektur
Riskante Übergänge bei Karstadt
Noble Passagen
Der Juwelier im alten Haus möchte aus Angst vor Überfällen nicht
fotografiert werden
Das zum Sparkassen Chess Festival gehörende Open findet im geräumigen und
lichten Neuen Rathaus statt. Ein Wandteppich im Durchgang des ersten Stocks
erinnert daran, dass Dortmund einmal Hansestadt war.
Und einiges andere, was den Namen Hansa führt auch, z.B. der Schachclub Hansa Dortmund.
Das Open
Nummer Eins der Setzliste im Open ist David Baramidze, Mit bisher 5 aus 6 ist er ganz zufrieden. Heute hat er allerdings relativ schnell Remis gespielt. In der Abtauschvariante des Spaniers war nicht mehr drin, meint der junge Großmeister.
Baramidze mit Remis
Benjamin Tereick, ein weiteres Talent.
Einige Spieler des Opens, die Kommentatoren und weitere Helfer mussten
gestern ihr Hotel in der Hohen Straße unweit des Schauspielhauses verlassen
und wurden nach Herdecke umquartiert. Der Grund ist ein internationales
Treffen der Zeugen Jehovas in Dortmund. Etwa 60.000 Anhänger dieser
Religionsgemeinschaft sollen es sein. Tatsächlich sah man zahlreiche
Personen mit Schildern umherlaufen, auf denen das Wort "Wacht!" bzw. ein
gleichbedeutendes Wort in anderen Sprachen zu lesen war. Am Schauspielhaus
wird für eine Inszenierung der "Blues Brothers" geworben. "Unterwegs im
Auftrag des Herrn, heißt es auf dem Plakat.
Ob der Intendant bei der Auswahl und Plakatierung schon das Zeugen
Jehovas-Treffen im Blick hatte? Man weiß es nicht.
Daneben wird für die Borussia geworben. Die Borussia ist überall gegenwärtig
auch in der Sommerpause der Fußballbundesliga. Da gibt es
Fanbetreuungsstellen (gleich gegenüber von einer Reihe von Wettbüros) und
überall in der Innenstadt wird in Plastiken dem Ball gehuldigt. Dieser ist
zerknautscht: "Das soll wohl die Situation der BVB beschreiben," spötteln
die Anhänger anderer Vereine.
In den Sportgeschäften werden die Trikots des Revierrivalen Schalke zum
halben Preis verhökert. Nun gut, es sind die Auslaufmodelle des letzten
Jahres.
"Mit Magath hat Schalke aber jetzt einen guten Trainer," kann man versuchen
mit den Dortmundern über Fußball ins Gespräch zu kommen. "Ach watt!," lautet
die Antwort. "Hö' ma' Gerd, der glaubt, Schalke kommt in die Champions
League," ruft Fußballexperte Carsten Hensel Turnierdirektor Gerd Kolbe
herbei.
Carsten Hensel
Die beiden halten sich die Bäuche vor Vergnügen.
Gerd Kolbe
Die anderen Dortmunder auch.
Pressesprecher Michael Meinders
"Pass auf, was du hier redest," warnt Olaf Heinzel. "Ich darf hier auch erst
wieder rein, seit ich von Bayern weg bin."
Olaf Heinzel
Gerd Kolbe war früher Sprecher der Stadt Dortmund und WM-Beauftragter. Er hat einen Schlüssel zum Westfalenstadion und organisiert manchmal Führungen für die Schach-Großmeister. Außerdem besitzt Gerd Kolbe ein riesiges Sportarchiv, das derzeit gesichtet wird. Ein großer Teil der Dokumente beschäftigt sich mit dem Schach in Dortmund und deshalb wird es bald im Dortmunder Stadtarchiv eine eigene Abteilung für Schach geben. "Das Dortmunder Schach geht bis auf das Jahr 1875 zurück. Insgesamt 120 Vereine hat es gegeben, heute gibt es noch 20 Schachvereine in der Stadt. Das Arbeiterschach spielte besonders in den 1920er Jahren eine große Rolle. Leider wurde vieles der Dortmunder Schachgeschichte zerstört. Man darf auch nicht vergessen: 40% der Dortmunder Schachspieler kamen aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zurück", berichtet der Archivar.
Magnus Carlsens Vater Henrik befindet sich in Begleitung seiner jüngsten Tochter Signa. Die Carlsens haben vier Kinder, von denen drei vom Schachvirus infiziert sind. Ellen ist mit 20 Jahren die älteste und spielt ebenso wie ihre Schwester Ingrid derzeit bei den norwegischen Meisterschaften mit. Bruder Magnus, das zweitälteste Kind, führt beim Dortmunder Turnier. "Signa spielt kein Schach. Sie macht uns vielleicht doch noch zu einer normalen Familie," hofft der stets freundliche Schachvater. Henrik selbst ist ein sehr ordentlicher Clubspieler mit einer Elozahl von knapp 2100. Man findet über 130 Partien von ihm in der Mega Dateenbank. Er und seine drei Schach spielenden Kinder bilden eigentlich schon so einen großen Teil der ja nicht ganz so großen Schachgemeinde des eher bevölkerungsarmen Norwegen. Und wollte man erst nach Elo rechnen...
Henrik und Magnus Carlsen
"Ich habe übrigens 50% gegen Magnus in Turnierpartien," lacht Henrik
Carlsen. "Einmal, es war im Jahr 2000 oder so, habe ich eine Partie
gewonnen. Vor zwei Jahren in Tromsö habe ich verloren. Macht 50%," freut er
sich.
Das Pressezentrum ist groß, schwarz und könnte bei Bedarf extrem intensiv
ausleuchtet werden.
Ein Plakat der kommenden Chess Classic-Turnier in Mainz zeugt vom gutnachbarlichen Verhältnis der beiden großen Turniere in Deutschland. Wahrscheinlich hat es aber Hans-Walter Schmitt, Macher der Chess Classic, hier selber aufgehängt, als er zu Besuch war. Eigentlich ist das Pressezentrum das "Studio" des Schauspielhauses.
Dagobert Kohlmeyer, der große Routinier des Schachjournalismus, zerrt eine
Geschichte in Gestalt des Fahrers des Fahrdienstes für die Spieler, Herrn
Kerkhoff, herbei.
Dessen Dienstmerzedes erlitt nämlich heute einen Plattfuß bei der Zufahrt auf den Parkplatz des Schauspielhauses. "Plötzlich gab es ein Geräusch und dann war bald die Luft weg," erzählte er. Seine Suche nach dem Reservereifen blieb erfolglos. Das Fahrzeug ist mit selbst reparierenden Reifen ausgestattet, teilte der Kundendienst mit. Ein Reservereifen ist deshalb nicht notwendig. Bis morgen wird das Problem sicher behoben sein, so dass die Spieler wohl nicht laufen müssen, obwohl Dmitry Jakovenko heute schon ungewollt geübt hat.
Zum Auftakt der Runde fehlte der Russe nämlich. Offenbar bereitet er sich bis zur letzten Minute auf die Partie vor und hat dann den Fahrdienst verpasst.
Jakovenko müsste ganz rechts sitzen, fehlt aber.
Das Spielerhotel Drees liegt zwar nicht sehr weit vom Schauspielhaus
entfernt, aber zu Fuß sind es dann doch ca. 20 Minuten. Jakovenko kam etwa
zehn Minuten zu spät. "15 Minutes, then game is lost," erläuterte
Schiedsrichter Andrzej Filipowicz den wartenden Fotojournalisten. "That is
the rule."
Zuvor hatte Turnierdirektor Gerd Kolbe das Publikum mit einer Einleitung in
Stimmung gebracht. Stefan Koth erläuterte dann, welche Partien heute auf der
Bühne zu sehen sein würden.
Den Eröffnungszug erledigte heute Dr. Helmut Pfleger am Brett von Magnus Carlsen und Peter Leko.
Es ist das erste Jahr, dass Pfleger nicht mehr als Kommentator fungiert,
nachdem er Jahre lang zum Dortmunder Inventar gehört hatte. "Wir haben
zusammen bei der Schacholympiade in Tel Aviv 1964 gegeneinander gespielt,"
erinnert sich Fillipowicz. Eine scharfe Partie und Helmut hat gewonnen."
Neben der Fotopresse sind auch heute auch Kamerateams des WDR und von SAT 1
auf der Bühne und nehmen ein paar Impressionen für ihre Berichte mit.
Das ist ein Einsatz
Während Bacrot und Kramnik ihre Russische Partie eröffnen und Carlsen gegen
Leko eine Spanische Antimarshall-Variante wählt, wartet Naiditsch auf
Jakovenko, der dann aber doch noch rechtzeitig eintrifft. Hier steht dann
bald die Drachenvariante auf dem Brett und der Kampf dieser beiden Spieler
wird für die meiste Unterhaltung sorgen.
Arkadij Naiditsch
Als Erste verlassen Thomas Trella und Markus Schäfer vom IM-Turnier die
Bühne. Ihre Remispartie erlebte den 20sten Zug nicht. Schäfer steckte noch
seine lange Partie von gestern in den Knochen.
In Carlsen gegen Leko entwickelte sich die Diskussion um ein Paar schwacher
Bauern auf der a-Linie. Der Norweger hatte mit a2-a4-a6 den schwarzen Bauern
a6 festgelegt, aber sein Bauer a5 schien schwächer als Lekos Sorgenkind auf
a6. Sorgen hatte der Ungar keine und er akzeptierte das Remis "aus einer
Position der Stärke", wie Klaus Bischoff im Kommentar meinte.
Magnus Carlsen und Peter Leko
Bacrot und Kramnik folgten einer langen und scharfen Variante der Russischen
Verteidigung, bei der es noch Vorgängerpartien um den 20sten Zug herum gab.
Es schien, als suchte der Russe nach Möglichkeiten, Vorteil zu
erwirtschaften, aber der Franzose ließ nichts zu. Schließlich endete die
Partie remis durch dreifache Stellungswiederholung.
Die Partie zwischen Naiditsch und Jakovenko wurde die längste des Tages.
Zunächst sah es für den Deutschen gar nicht gut aus. Dann gewann er die
Oberhand in einer Drachenvariante. Doch am Ende entglitt ihm der Sieg
irgendwie doch noch. Sebastian Siebrecht wies im Kommentar darauf hin, dass
Jakovenko derzeit in der Eloliste der beste Russe ist. Auf Rang fünf.
"Früher war der beste Russe auch immer der beste Spieler. So ändern sich die
Zeiten," sinniert Siebrecht.
Neben den Kommentatoren sitzt Technikchef Guido Kohlen und heute ist
Shredder-Programmierer Stefan Meyer-Kahlen zu Gast. Stefan freut sich über
sein drittes Kind, alles Töchter. Schachprogrammierer zeugen immer Mädchen
ist seine Theorie. Fritz-Programmierer Frans Morsch hat auch drei Töchter.
Neben dem GM-Turnier gibt es seit einem Jahr ein IM-Turnier, "Helmut Kohls-Turnier" genannt, zu Ehren des früheren Sparkassen-Chefs, der sehr viel für das Schach in Dortmund getan hat.
Mit Tanguy Ringoir spielt hier Belgiens größtes Talent mit.
Der 15-Jährige hat bereits über 2400 Elo und wird als kommender belgischer
Spitzenmann gehandelt.
Aber wo ist eigentlich Helmut Pfleger geblieben? Wir finden ihn im Flur
zusammen mit der langjährigen Übersetzerin des Turniers und einigen Kindern.
Tja, die Dortmunder Schachfamilie...