Wer ist Dein Held?
Text: Shay Bushinsky, Fotos: Shulamit Bushinsky
Dan David ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er hat ein Unternehmensimperium
aufgebaut, indem er Sofortfotoautomaten in ganz Europa
aufgestellt hat. Mittlerweile beaufsichtigt er eine Reihe erfolgreicher
internationaler Unternehmen, von denen einige an der Londoner Börse notiert
sind. Das macht David zu einem reichen Mann. Er ist 81 Jahre alt, liebt das
Schach und sagt, dass er sich geistig fit hält, indem er jeden Tag zwei
ernsthafte Schachpartien per Internet spielt.
Vor neun Jahren riefen David und die Universität Tel Aviv eine Stiftung ins
Leben, der Davids Namen trägt. Jedes Jahr vergibt die Stiftung drei Millionen
Dollar an Leute aus aller Welt, die Herausragendes geleistet haben. Die Sieger
werden in jeder Kategorie aus einer Gruppe von vier Kandidaten gewählt. Die
Auswahl erfolgt durch
ein Komitee, das aus Nobelpreisgewinnern und
Prominenten wie Henry Kissinger besteht. Zu den bisherigen
Preisträgern zählen: der ehemalige
US-Vizepräsident und amerikanische Senator Al Gore, Englands Premierminister
Tony Blair, der amerikanische Cellovirtuose Yo Yo Ma sowie Robert Charles Gallo,
der Entwickler des Anti-Aids-HIV-Impfstoffs.
Dieses Jahr wurde eine besondere Auszeichnung hinzugefügt. Er ging an den Sieger
des Wettbewerbs "Wer ist Dein Held?". Dieser einzigartige Wettbewerb wurde
zwischen Studenten aus ganz Israel ausgetragen. Die Studenten wurden gebeten,
einen Aufsatz zu schreiben, in dem sie erklärten, wer ihr Held ist und warum.

Garry zwischen Dan David und Prof. Joseph Klafter, Präsident der Universität von
Tel Aviv
Der Autor des Siegeraufsatzes 2010 erklärte Garry Kasparov zu seinem Helden und
begründete dies mit Kasparovs Erfolgen am und jenseits des Schachbretts. Das
veranlasste David, Schachfan und Philanthrop, Kasparov als Ehrengast zur
Preisverleihung des Dan David Preises 2010 einzuladen, die letzten Monat in Tel
Aviv stattfand.
Wer ist Leonard Kleinrock?
Garry Kasparov wirkte äußerst zufrieden. Er durfte in drei Kategorien Preise im
Werte von je einer Million Dollar überreichen. Die erste Kategorie muss ihm
passend erschienen sein. Es war der "/portals/3/files/10 Vergangenheit – Weg zur
Demokratie"-Preis und er ging an Sen.
Giorgio Napolitano – Spitzname "König
Umberto" – der amtierende Staatspräsident Italiens.
Den Preis in der zweiten Kategorie, hervorragende literarische Leistungen, "/portals/3/files/10
Gegenwart – Literatur: Darstellung des 20. Jahrhunderts" teilten sich die
kanadische Autorin
Margaret Atwood und der indische
Schriftsteller
Amitav Ghosh.
Den Preis in der dritten Kategorie "/portals/3/files/10 Zukunft – Computer und
Telekommunikation" teilten sich drei Giganten der Computerwissenschaft:
Leonard Kleinrock,
Gordon Moore und
Michael Rabin.
Sie haben sich ihren Platz in der Geschichte der Computerwissenschaft verdient
und gelten weithin als herausragende "Großmeister" des Fachs. Moore ist
Mitbegründer von Intel. Seine Beobachtung, dass die Rechenleistung von Computern
exponentiell wächst – und sich ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt – wurde nach
ihm "Moore’s Law" genannt.
Michael Rabin gilt als einer der Urväter der Computerwissenschaft, der Bahn
brechende Beiträge in vielen Teilgebieten der Computerwissenschaften geleistet
hat, insbesondere zur Komplexitätstheorie in der theoretischen Informatik und in
der Kryptologie.
L-O-G I-N
Kleinrock hat die mathematischen Grundlagen für die Funktionsweise des Internets
geliefert. Seine Arbeit entwickelte die Warteschlangentheorie – die neben vielen
anderen Dingen die Kommunikationsprotokolle zur "Datenpaketvermittlung"
unterstützt. Diese Protokolle ermöglichen digitale Netzwerkkommunikation, indem
sie alle übertragenen Daten – unabhängig von Inhalt, Typ oder Struktur – in
Blöcke passender Größe, genannt "Pakete" bündeln. Die Pakete werden gesammelt
und über spezielle Netzwerkknoten in der richtigen Reihenfolge an ihre Empfänger
geschickt...

Dasha und Garry Kasparov mit Shay Bushinsky
Als ich Kasparov vor der Verleihung des Dan David Preises traf, erzählte er
gerade begeistert Kleinrocks Geschichte – von dem Moment, in dem Kleinrock
"praktisch das Internet erfand": 1969 wurde der erste Netzwork-Gateway (ein
Netzwerkknoten, den man als "Router" kennt) gebaut und an Kleinrock geschickt.
Er testete sein neues Protokoll, indem er versuchte, durch diesen Router eine
"logon-Nachricht" zu schicken. Das "l" und das "o" wurden erfolgreich
übermittelt, aber der Buchstabe "g" brachte das System zum Absturz. Kleinrock
und sein Team behoben den Fehler und tatsächlich
funktionierte der erste Network-Logon dann auch.
Ein Chirurg bei der Arbeit
Am nächsten Tag kam Garry Kasparov hellwach, gut gerüstet und in Begleitung
seiner Frau ins Smolersh Auditorium der Universität Tel Aviv, um vor Hunderten
von Zuschauern eine Simultanvorstellung an 30 Brettern zu geben. Zugegeben, die
Gegner waren nicht allzu stark. Dennoch wird sich Kasparov an die schönen, aber
auch die
unangenehmen Momente erinnert haben, die er
bei vorherigen Simultanveranstaltungen in Israel erlebt hat. Eine dieser
Simultanveranstaltungen fand 1998 statt (als Teil der 50-Jahrfeier der
Unabhängigkeit des Staates Israel) und war vielleicht einer der Höhepunkte in
Garrys Karriere: In einem Uhrensimultan überrannte er die Israelische
Nationalmannschaft (die einen Elo-Durchschnitt von mehr als 2600 aufwies und
Spieler wie Alterman, Smirin, Huzman und Sutovsky in ihren Reihen hatte) mit
7-1. Bei ein paar anderen Simultanveranstaltungen gegen weniger elostarke
israelische Spieler erlitt Kasparov jedoch ein paar unerwartete Niederlagen…
Dasha Kasparova ging nervös auf der Bühne umher und prüfte die Beleuchtung.
"Garry braucht gutes Licht!", rief sie. Nachdem sie dafür gesorgt hatte, dass
alles in Ordnung ist, setzte sie sich in eine der vorderen Sitzreihen, um das
Spektakel auf einem der großen Fernsehbildschirme zu verfolgen, die man im
Hintergrund aufgestellt hatte. Die Simultanveranstaltung wurde live im Fernsehen
und im Internet übertragen und von den Internationalen Schiedsrichtern Mordechai
Sorek und Yedael Stepak, beide Veteranen ihres Fachs, beaufsichtigt.

Er nimmt diese Dinge sehr ernst: Kasparov vor Beginn des Simultans
Die Eröffnungsansprache hielt Prof. Joseph Klafter, Präsident der Universität
von Tel Aviv. Klepter empfing Kasparov herzlich und meinte, er sei ein guter und
treuer Freund Israels – vielleicht unterrichtet Kasparov ab nächstem Jahr sogar
in der wirtschaftlichen Fakultät der Universität! Dan David hob Garry Kasparovs
Leistungen im Schach als Modell für Spitzenleistungen hervor und sprach über
seine Erfahrungen als Schachspieler und über die Schlüsselrolle, die Schach
seiner Ansicht nach in der Bildung spielen sollte.

Dan David bei seiner Ansprache vor Beginn des Simultans
Dann begannen die Partien: Garry trat mit seiner üblichen Energie an die Bretter
und variierte seine Eröffnungen systematisch. "Die relativ besser bewerteten
Gegner machten einen strategischen Fehler, indem sie anfangs zu aggressiv
spielten", meinte Garry hinterher. Andererseits errichtete einer der Studenten,
der begabte Mohammed Nashef, gleich aus der Eröffnung heraus eine Festung, die
Kasparov im späteren Verlauf des Simultans jedoch knacken konnte. Die Zuschauer
genossen jede Minute der Veranstaltung – und verfolgten insbesondere die Partie
des kleinen Drori, die Kasparov mit größerer Anstrengung zu spielen schien als
die anderen Partien.

Die Figuren werden vor der Partie zurecht gerückt

In Erwartung des gegnerischen Zugs

Garry beobachtet, wie sein Gegner zieht
Die Spieler saßen bereits. Sie bildeten eine interessante Gruppe. Dan David
wollte, dass die Mehrzahl der Teilnehmer junge Leute sind. David teilte die
Simultanspieler in zwei Mannschaften auf; zur ersten gehörten David selbst, aber
auch Prominente wie Yona Fogel und Moshe Spitzer, beides Manager israelischer
Gasunternehmen. Die Gruppe der restlichen 20 Spieler setzte sich Studenten der
Universität Tel Aviv und Kindern zusammen. Eins dieser Kinder, Saar Drori, war
erst acht Jahre alt und hat vor kurzem die israelische Meisterschaft der U-9
gewonnen.
Kommentar: "Garry Kasparov war viele Jahre unangefochten Schachweltmeister.
An der Universität von Tel Aviv University in Israel feierte er ein
außergewöhnliches Comeback. Kasparov spielte gegen dreißig Studenten der
Universität und gegen Kinder, die an einem wissenschaftlichen Forschungsprogramm
teilnehmen. Nach vier spannenden Stunden hatte Kasparov den letzten seiner
Gegner besiegt. Manche der Kinder, die an diesem Simultan teilnahmen, waren noch
nicht einmal neun Jahre alt. Der jüngste Spieler war der achtjährige Saar Drori,
ein Schachmeister. Er hat bereits oft gegen ältere Kinder gespielt, aber gegen
Kasparov anzutreten, war ein denkwürdiges Erlebnis. Saar Drori: "Er spielte sehr
aggressiv. Ich konnte Widerstand leisten, machte dann aber einen Fehler." Der
junge Spieler hatte seine Hausaufgaben gemacht. "Mein Trainer und ich haben uns
eine Menge von Kasparovs Partien angeschaut, um von seiner Technik zu lernen."
Saars Traum ist es, noch einmal gegen Kasparov Schach zu spielen. –
NTD Tel Aviv, Israel.

Eine Reihe nachdenklicher Gegner

Wie alt ist dieser Junge?? Kasparov gegen den achtjährigen Saar Drori

Die Gegner: Der Zweite von links ist Yona Fogel, gefolgt von Mohammed Nashef
und Saar Drori
Während des Simultans waren manche Zuschauer der irrigen Meinung, Kasparov sei
in ein paar Partien in Schwierigkeiten. Manche bezweifelten, dass Kasparov noch
in Form sei und meinten, er hätte sich schon vor fünf Jahren vom professionellen
Schach zurückgezogen... Aber sie irren sich. Kasparov erzählte mir, dass sein
Blitz-Trainingsmatch mit Carlsen 3-3 Unentschieden ausgegangen ist… Wenn man
Kasparov bei der Arbeit genau zusah, dann erkannte man, dass er wie in den guten
alten Tagen an allen Bretter die Dinge unter Kontrolle hatte. Er kam an jedem
Brett zu Plus-Gleich Stellungen und wusste genau, wann er Druck auf seine Gegner
ausüben musste. Es war, als schaute man einem Chirurgen bei der Arbeit zu. Ohne
Ausnahme schlug Kasparov methodisch jeden einzelnen seiner 30 Gegner.

Garry in charakteristischer Konzentration

Konzentriert bei der Arbeit während des Simultans an der Universität von Tel
Aviv

Ein Chirurg bei der Arbeit – Kasparov gewann alle dreißig Partien
Für die Zuschauer und Spieler war es ein großartiges Erlebnis und eine
großartige Veranstaltung. Vielleicht ist das bei solchen Simultanveranstaltungen
normal. Doch für Kasparov war es eine besondere Simultanveranstaltung, aber
nicht, weil er 30-0 gewonnen hat (ich glaube, er hatte nichts anderes erwartet).
"Die bloße Anwesenheit der herausragenden Gewinner des David-Preises, die meine
Partien verfolgt haben, war eine Inspiration für mich und das allein war mir
alle Anstrengungen wert", meinte Kasparov abschließend.
Simultanpartie
Angefügt ist eine Partie aus der Simultanveranstaltung gegen den jungen und
talentierten Oz Tal. Die Partie endete mit einem hübschen Damenopfer Kasparovs…
Kasparov,Garry - Tal,Oz [D00]
Tel Aviv, Simultan, 05.10.2010
1.d4 Sf6 2.Lg5 g6 3.Lxf6 exf6 4.e3 d5 5.c4 Lb4+ 6.Sc3 c6 7.cxd5 cxd5 8.Sge2
Sc6 9.a3 Lxc3+ 10.Sxc3 0-0 11.Le2 Te8 12.0-0 Lf5 13.Db3 Le4 14.Sxe4 dxe4 15.Dxb7
Sa5 16.Db4 Tb8 17.Dc3 Tb3 18.Dd2 Db6 19.Tab1 Tb8 20.g3 Sc6 21.Dc2 Sa5 22.Dxe4
Txb2 23.Ld3 Dd6 24.Txb2 Txb2 25.Da8+ Kg7 26.Dxa7 Dxa3 27.Le4 Tb5 28.Dd7 Tb6
29.Ld5 Df8 30.Tc1 Tb8 31.Tc7 Td8 32.Db5 Dd6 33.Txf7+ Kh6 34.Le4 De6

35.Dh5+!! Schwarz gab auf, denn er wird in vier Zügen Matt gesetzt:
35.Dh5+ gxh5 36.Txh7+ Kg5 37.f4+ Kg4 38.Tg7+ Kh3 39.Lg2#.
1-0.