Angsthasen spielen zu wenig
Interview mit Mentalcoach Werner Schweitzer: „Handle mutig und du wirst mutig!“
Tipps für eine höhere Spielstärke
Der Mentalcoach ist Wiener, aber hat auch schon in Deutschland und in Salzburg gelebt. Bis 2015 betreute Schweitzer auch die Spieler und Spielerinnen des österreichischen Schach-Nationalkaders individuell und als Team im mentalen Bereich. Der Zweitliga-Spieler beim ASV Pöchlarn, der auch für den SK Währing in der Wiener Landesliga sowie in der Betriebsliga für „Schwarze Dame“ ans Brett geht, gibt sein Know-how und seine Erfahrungen seit vielen Jahren in Einzelcoachings, Seminaren und Vorträgen weiter. Für SchachspielerInnen besonders lesenswert war seine monatliche Kolumne in „Schach-Aktiv“, dem österreichischen Verbandsorgan.
Diese Kolumnen gipfelten in zwei empfehlenswerten ChessBase DVDs: „Mental gewinnen“ und den gerade erschienenen „33 Mentaltipps“ (Preis: jeweils 29,90 Euro). „Da ist für Spieler jeder Spielstärke etwas sofort Umsetzbares dabei, was sich in mehr Erfolgen niederschlagen wird. Das Wichtigste ist allerdings die tatsächliche Umsetzung! Nur durch Anhören und Wissen verändert sich gar nichts“, betont der Mentalcoach mit Blick auf spannende psychologische Themen wie „Wissen Sie, wie Sie Ihre Mutspirale in Gang bringen“ oder „Wie spielen Sie mit mehr Freude Schach?“.
Hartmut Metz hat sich mit Werner Schweitzer über die Bedeutung der mentalen Verfassung und ihre Auswirkungen unterhalten. Der Mentalcoach gibt nicht nur äußerst interessante Antworten, die helfen können, die eigene Spielstärke zu heben. Schweitzer räumt auch mit so mancher Mär auf.
Hartmut Metz: Herr Schweitzer, welchen mentalen Irrtümern unterliegen Schachspieler besonders häufig?
Werner Schweitzer: Ich denke nicht, dass Schachspieler als Spezies einem bestimmten Irrtum unterliegen. Mir ist aufgefallen, dass viele denken, dass Schach etwas mit Intelligenz zu tun hat. Das stimmt insofern, dass intelligentere Menschen eher Schach spielen, bei der Spielstärke wurde aber kein deutlicher Zusammenhang festgestellt.
Das kratzt natürlich etwas am Selbstbildnis des Schachspielers beziehungsweise am Glauben, Schach fördere die Intelligenz. Unterscheidet sich der Schachspieler ansonsten von anderen Sportlern?
Eine Untersuchung hat gezeigt, dass Schachspieler im Vergleich zu anderen Sportlern mit einer größeren Selbstverantwortung und mehr Furchtlosigkeit punkten. Gleichzeitig haben sie weniger Selbstdisziplin und Einsatzbereitschaft und weniger Ziele als andere Sportler.
Interessant. Bis auf die höhere Selbstverantwortung alles Aspekte, die ich so nicht erwartet hätte. Wie äußern sich die höhere Furchtlosigkeit, die geringere Selbstdisziplin und Einsatzbereitschaft, beziehungsweise der Mangel an Zielen?
Es handelt sich dabei um die Selbsteinschätzung der teilnehmenden Personen, wobei fast ausschließlich Spieler mit einer Elo-Zahl von über 2000 an der Untersuchung teilgenommen haben. Es ist der Mangel an Zielen, der eine geringere Selbstdisziplin und weniger Einsatzbereitschaft nach sich zieht. Menschen, die sich erreichbare Ziele stecken, sind meist motivierter im Training und wollen auch in der Partie ihr Bestes geben. In puncto Furchtlosigkeit: Sie ist wohl eine wesentliche Fähigkeit, um im Schach besser zu werden.
Welchen Anteil hat die Psyche am Erfolg eines Sportlers?
Wir alle haben in verschiedenen Bereichen, auch im Sport, ein Potenzial – es setzt sich aus Talent und Training zusammen. Training ist der wichtigere Teil. Auch mit viel Talent wird man ohne Training nicht weit kommen. Eine wirklich hohe Leistungsfähigkeit haben nur diejenigen, die Begabung mitbringen und viel trainieren. Jetzt kommt die Psyche ins Spiel: Wir werden durch außen und durch unsere Gedanken in der Ausschöpfung unseres Potenzials gestört. Egal, ob diese Störung gering oder groß ist: Es bedeutet, dass wir unser Leistungsvermögen nie vollständig ausnützen. Wir können nur die Störungen so gering wie möglich halten. Die Besten schaffen das. Auch deswegen, weil sie häufig mit Sportpsychologen oder einem Mentalcoach arbeiten.
Was ist für einen Schachspieler am wichtigsten?
Ein wesentlicher Teil für den Erfolg jedes Sportlers ist die Trainingsmotivation und ein starker Kampfgeist, um zu gewinnen und besser zu werden. Das gilt auch für Schachspieler, aber es gibt für sie weitere wichtige Fähigkeiten wie Konzentrationsfähigkeit im Sinne von Fokussierung, Entschlusskraft und der kluge Umgang mit der eigenen Unzulänglichkeit, die einem beim Schach viel stärker vor Augen geführt wird als in den meisten anderen Sportarten.
Sie meinen durch die später mögliche Analyse, bei der die Engines einem schonungslos vor Augen führen, wie schlecht man eigentlich gespielt hat und was alles übersehen wurde? Dem Skispringer wird ja noch nicht durch einen Roboter gezeigt, wie weit er bei den aktuellen Wetterbedingungen eigentlich hätte springen können ...
Ja, man kann daraus lernen – sofern man die eigene Partie mit stärkeren Spielern analysiert, denn sie erklären einem, warum der eine Zug besser ist als der andere. Es ist allerdings weniger empfehlenswert, sich sofort nach jeder Partie anzusehen, wie schlecht man diesmal wieder gespielt hat – außer schlechter Laune bringt das normalerweise gar nichts. Ein 100-Meter-Sprinter vergleicht sich ja auch nicht mit einem Ferrari.
Fritz kann helfen - wenn man will.
Was konnten Sie bei der österreichischen Schach-Nationalmannschaft verbessern?
Das ist sehr individuell und nicht allgemein zu beantworten. Bei den österreichischen Damen ist es gelungen, eine sehr gute Mannschaft zu formen und den Teamzusammenhalt optimal zu gestalten. Dadurch schneiden sie bei großen Events regelmäßig besser ab, als die Ranglistenplatzierung erwarten lässt. Verbesserungen bei einzelnen Spielern sind immer individuell.
Zieht Schach mehr „Verrückte“ an als zum Beispiel Fußball?
Ich denke, dass im Schach der Durchschnitt der Menschheit vertreten ist. Es gibt genauso viele interessante Menschen und genauso viele sogenannte „verrückte“ Menschen wie in anderen Bereichen.
Lassen Sie uns einige berühmte Spielertypen durchgehen: Bobby Fischer wird gerne als Soziopath bezeichnet. Garri Kasparow ist cholerisch und aggressiv, Stalinist Michail Botwinnik war unbelehrbar. Sind Killerinstinkt, Selbstüberschätzung und Glaube an die eigene Unfehlbarkeit von Nutzen, weil sie den Gegner kleiner machen und schwächer wirken lassen?
Siegeswillen: Bobby Fischer beim WM-Kampf 1972 gegen Boris Spassky
Das unbedingte „Gewinnen wollen“ setze ich mit Killerinstinkt gleich und das ist bei all diesen Ausnahmespielern besonders ausgeprägt vorhanden. Selbstüberschätzung ist bis zu einem gewissen Maße gut, darüber hinaus hat es wahrscheinlich mehr Nachteile als Vorteile. Auch Magnus Carlsen hat von sich behauptet, seine Stellungen grundsätzlich leicht zu überschätzen, was dazu führt, dass er häufiger auf Gewinn spielt als andere. Eine zu starke Überschätzung der eigenen Fähigkeiten oder auch der Stellung am Brett führt leicht zu einem Überziehen von Stellungen. Wenn ich überzeugt bin, besser zu sein als der Gegner, werde ich gleiche Stellungen weiterspielen. Auch wenn das im Durchschnitt keine besseren Ergebnisse bringt, führt es dazu, dass ich zusätzliche Erfahrungen sammele, die dauerhaft zu besseren Ergebnissen führen. Es gibt erfolgsorientierte und misserfolgsorientierte Menschen. Der Erfolgsorientierte will gewinnen, der Misserfolgsorientierte will nicht verlieren. Es ist nicht zwangsläufig der Erfolgsorientierte erfolgreicher, aber er wird viel mehr Spaß und Freude haben – und er wird langfristig meist auch für seinen Mut belohnt.
Ist es von Vorteil, wenn man den Gegner hasst oder zumindest nicht mag? Ich spiele gegen Freunde stets weniger stark. Es fehlt an Siegeswillen.
Den Gegner nicht zu mögen, fördert die Kampfkraft. In den anderen Fällen ist es wichtig, die Schachpartie von der Freundschaft zu trennen. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Wenn einem das gelingt, ist es leicht, auch gegen Freunde mit voller Kampfkraft zu spielen.
Viswanathan Anand wird dagegen gerne als zu freundlich bezeichnet.
Ich denke, Anand ist es gut gelungen, seine Kampfkraft beim Schachspiel und seine Freundlichkeit außerhalb des Schachbretts zu trennen. Sonst wäre er nicht von 2007 bis 2013 Weltmeister gewesen.
Vishy Anand
Magnus Carlsen wirkt genauso stoisch wie Wladimir Kramnik. Sind Stoiker im Vorteil? Anatoli Karpow war auch stets die Ruhe selbst.
Gelassenheit bedeutet, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind, und das Beste daraus zu machen. Gelassenheit ist in vielen Lebenssituationen von Vorteil, warum nicht auch im Schach? Wenn wir jedoch uns Magnus Carlsen in den letzten Monaten angesehen haben, sei es bei der Weltmeisterschaft in New York oder bei der Blitz- und Schnellschachweltmeisterschaft in Doha, dann war es in einigen Situationen nicht gerade bestens um seine Gelassenheit bestellt. Gelassen zu sein, wenn man erfolgreich ist, ist leicht. Allein durch die völlig unterschiedlichen Spielertypen, über die wir gerade geredet haben, sehen wir, dass es den optimalen Schachspieler nicht gibt.
Carlsen nach seiner Niederlage gegen Alexander Grischuk
bei der Blitz-Weltmeisterschaft 2015 in Berlin (Quelle: youtube)
Und ist die Psychologie, die bei Emanuel Lasker im Spiel gewesen sein soll, nur ein Mythos?
Ich denke, es ist ein wesentlicher Vorteil, sich psychologisch mit seinem Gegner auseinander zu setzen und dessen Stärken und Schwächen zu kennen. Nur dadurch ist es möglich, im Zweifelsfall mir selbst angenehme und dem Gegner unangenehme Stellungstypen aufs Brett zu bringen. Ob Lasker das gemacht hat? Es sieht so aus. Wenn ja, dann war er seiner Zeit weit voraus. Ich kann es mir vorstellen. Heutzutage gehen die meisten Spitzenspieler bei ihrer Vorbereitung so vor.
Kann man aus Eigenschaften von Spielern am Brett auf deren Verhalten im Leben schließen und umgekehrt? Ist ein chaotischer Charakter auf den 64 Feldern im Alltag genauso chaotisch?
In vielen Fällen lässt sich beobachten, dass die Eigenschaften, die wir im „normalen“ Leben haben, sich am Schachbrett wiederfinden. Mutige Menschen im Leben sind auch beim Schach eher bereit, Risiken auf sich zu nehmen.
Was sagen Sie dann zu teilweise genialen Spielern wie Wassili Iwantschuk, Alexander Morosewitsch oder David Navara, die unsicher sind, teilweise stottern – am Brett werden jedoch Abenteurer aus ihnen?
Es gibt Menschen mit ganz besonderen Ausprägungen, die nur in speziellen Konstellationen ihr gesamtes Potenzial ausleben können. Dafür ist Schach im Vergleich zu vielen anderen Bereichen natürlich optimal geeignet, weil es ein begrenztes und ganz eigenes Universum ist. Schön, dass es Schach gibt, bei dem außergewöhnliche Persönlichkeiten ihr Potenzial nutzen können.
Auf der ChessBase DVD fordern Sie die Leser auf, mutiger zu sein. Mut kann man nicht kaufen. Wie setzt man die „Mutspirale“ in Gang?
Handle mutig und du wirst mutig! Einfach mit kleinen, mutigen Handlungen beginnen, anstatt zu zögern. Dadurch entsteht die Zuversicht, dass nichts passiert, und die Freude am Experimentieren wächst. Mit jedem weiteren Mal nimmt der Mut zu. Da Mut nicht bedeutet, keine Angst zu haben, sondern sich ihr zu stellen, werden wir mit jeder positiven Erfahrung mutiger. Das gilt auch umgekehrt: Mit jeder vorsichtigen Handlung werden wir vorsichtiger, da die Angst größer und der Bewältigungsglaube kleiner wird.
Hat vor allem der schwache Spieler Angst vor Niederlagen? Ich stelle bei meiner Rochade Kuppenheim häufig fest, dass die Leute mit 1500 bis 1700 Rating bloß nicht verlieren wollen und gerne ein frühes Remis anbieten.
Ich denke nicht, dass der schwache Spieler mehr Angst vor Niederlagen hat. Wer große Angst vor Niederlagen hat, bleibt schwächer. Wenn jemand 25 Partien im Jahr spielt und davon 15 schnell Remis gibt, hat er nur zehn wirklich gespielt. Im Vergleich zu dem, der 25 Partien mit vollem Einsatz und Kampfgeist gespielt hat, hat er also viel weniger Erfahrungen gemacht. Genau das wirkt sich dauerhaft in der Spielstärke aus.
Ich finde es vor allem immer nervend, wenn die Angsthasen dann auch noch ellenlange Ausreden präsentieren, warum sie nun in der Stellung remisierten. Wissen sie um ihre Schwäche und neigen deshalb zur Rechtfertigung, weil sie die Verantwortung in Mannschaftskämpfen auf andere abwälzen?
Das ist die Misserfolgsorientierung, von der ich bereits gesprochen habe. Leider wird sie in der frühen Kindheit mitgegeben. Es ist ziemlich aufwendig, später ein Umdenken zu erreichen. Diese Spieler sind insofern selbst am meisten bestraft, weil ihnen Erfolge oft versagt bleiben und Lernen viel seltener passiert. In einer Mannschaft sind sie es, die die sicheren halben Punkte machen, aber sie werden nie zum Matchwinner werden.
Ich habe meinen Klubkameraden schon Ihre Ausführungen in die Hand gedrückt, damit sie sehen: Spielen lohnt sich! Andererseits frage ich mich manchmal selbst, ob es nicht dumm von mir ist, kaum Remisangebote zu unterbreiten? Von 60 Partien remisierte ich zwar im letzten Jahr nur acht – aber kassierte dadurch auch einige „unnötige“ Niederlagen, weil ich auch gegen deutlich Stärkere bis zu 2600 einfach spielte und gute Stellungen versemmelte.
Sie haben dafür aber sicher auch einige unverdiente Siege eingeheimst, weil die Gegner unnötige Niederlagen produzierten.
Das stimmt allerdings. Aber sollte man manchmal trotzdem ein Remis anbieten, um den Gegner unter Druck zu setzen? Ein Freund von mir meint immer, er müsse das „Remisangebot aus dem Kopf haben“.
Eine Möglichkeit dafür ist, sich bereits bei der Vorbereitung zur Partie verschiedene Szenarien zu überlegen, wann ein Remisangebot angemessen ist. Damit reduziert man den Entscheidungsaufwand während der Partie. Ich selbst handhabe es so, dass ich Remisangebote grundsätzlich nicht mache und auch ablehne, außer es ist unter normalen Bedingungen ein Sieg völlig ausgeschlossen. Ausnahmen bestätigen die Regel – speziell in Mannschaftskämpfen oder in entscheidenden Turniersituationen –, aber in die kommt der Amateur eher selten. Ich lehne gegen schwächere Spieler auch schon mal in klaren Verluststellungen Remisofferten ab, da ich die Erfahrung gemacht habe, dass ich auch diese Partien noch oft gewinne – besonders nachdem ich ein Remisangebot abgelehnt hatte.
Klingt vernünftig. Was empfehlen Sie sonst noch, um während einer stundenlangen Partie auf der Höhe zu bleiben? Mancher trinkt nichts, isst nichts und wird matt.
Viel trinken: Wasser, Tee oder Schorle, keine Energydrinks. Trockenfrüchte oder Energieriegel essen und alle 90 Minuten 15 Minuten Konzentrationspause einlegen. Auf keinen Fall nach jedem Zug aufstehen und an allen anderen Brettern im Turniersaal die Stellung bewerten und berechnen.
Sehr gute Tipps. Vor allem das Flanieren an die Bretter der Mannschaftskameraden lockt doch stets. Wie reagiert die Psyche in Zeitnot? Wird jeder automatischer panischer und patzt vor allem deshalb?
Jeder spielt schlechter, wenn er weniger Zeit hat. Und manchmal stellt man da auch was ein. Die meisten patzen weniger, wenn sie in Zeitnot blitzen. Manchen, wie zum Beispiel Alexander Grischuk, gelingt es in Zeitnot, perfekt auf den Blitzmodus umzuschalten. Diese Entscheidung bewusst zu treffen und den Spielmodus zu verändern, erleichtert das Umgehen mit der Situation.
Zeitnotkandidat Alexander Grischuk
Gerät man vor allem durch einen Mangel an Entschlossenheit in Zeitnot? Oder sind es eher die Perfektionisten, die immer den besten Zug spielen wollen?
Es gibt viele mögliche Ursachen für Zeitnot, das ist individuell sehr unterschiedlich. Gute Ratschläge helfen meist wenig, sondern machen die Sache nur schlechter. Mangelnde Entschlossenheit und Perfektionismus sind ja sehr ähnlich, aber die Ursachen sind sehr vielfältig – und es gibt leider keine einfachen Lösungen dafür.
Früher kam ich nie in Zeitnot. Kann das am langsameren Denken liegen im Alter?
Es hängt vom Spielstil ab, ob die Geschwindigkeit des Denkens eine Auswirkung auf den Zeitverbrauch hat oder nicht. Bei taktisch orientierten Spielern gibt es wahrscheinlich eine größere Auswirkung. Bei eher positionellen Spielern gleicht die Intuition viel länger den Geschwindigkeitsverlust aus. Generell wird die Leistungsabnahme des Gehirns überschätzt. Die Leistungsfähigkeit des Gehirns reduziert sich bis zum 70. Lebensjahr kaum. Die meisten hören aber mit dem Training auf, nur dadurch werden sie langsamer. Der zweite wesentliche Faktor ist, dass die Konzentrationsfähigkeit im Alter stärker nachlässt.
Zudem neige ich dazu, Berechnungen immer wieder aufs Neue zu wiederholen. Fehlt es da an Vertrauen in die eigenen Künste? Oder ist das normal und nicht abzustellen?
Das hat etwas mit Selbstvertrauen zu tun und lässt sich bis zu einem gewissen Maß verbessern.
An Selbstvertrauen mangelt es bei mir eigentlich nicht ...
Hartmut Metz am Brett
Das hat auch oft mit einer angelernten Verhaltensweise zu tun, weil zu Beginn der Schachentwicklung keine akkurate Variantenberechnung erlernt wurde.
Das trifft bei mir den Kern.
Wenn diese im höheren Alter umgestellt werden soll, ist zunächst ein Verlernen und im nächsten Schritt ein neues Erlernen erforderlich. Das ist einer der Gründe, warum ab einem gewissen Alter die Verbesserung im Schach aufwendiger wird.
Sie haben eine Elo von 2048, was angesichts des späten Einstiegs sehr gut ist. Woran scheitert es bei Ihnen an einer noch höheren Zahl? Mental sind Sie ja zu 100 Prozent auf der Höhe.
Nur weil ich mental stark bin, gelingt es mir nicht, den Mount Everest zu besteigen. Es ist eine Zutat, aber nur eine von mehreren. Ich habe erst mit 35 ernsthaft mit Schach begonnen und bin zu diesem Zeitpunkt erstmals einem Verein beigetreten. Meine zwei, drei Jugendjahre haben es ermöglicht, dass ich recht gut einsteige. Das Alter hat auch im Schach Vorteile, man greift auf Erfahrungen zurück. Allerdings nur, wenn man sie gemacht hat und das habe ich eben nicht. Trotzdem verläuft die schachliche Entwicklung ab einem gewissen Alter langsamer. Wenn ich also weniger Potenzial – also Talent und Training – zur Verfügung habe, weil mir 20 Schachjahre fehlen, kann ich zwar mein Potenzial auszuschöpfen. Es bleibt trotzdem begrenzt und wird nicht größer. Abgesehen davon ist Schach für mich ein Hobby. Ich investiere schon auch Zeit in Training und ins Spielen, aber nur im Ausmaß eines Hobbys. Aber ich freue mich immer wieder, wenn ich gegen einen starken Spieler ein gutes Resultat erreiche.
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