Bad Wiessee: Edoard und Naumann in Führung

von ChessBase
07.11.2008 – Romain Edoard und Alexander Naumann führen nach sechs Runden mit 5,5 Punkten das Feld bei den Offenen Internationalen Bayrischen Meisterschaften in Bad Wiessee an, gefolgt von einer Verfolgergruppe mit 15 Spielern mit einem halben Punkt Rückstand. Naumann gewann in der sechsten Runde gegen Ilya Schneider und rückt dadurch zu Romain auf, der sich von Elofavorit Burmakin remis trennte. Das Turnier endet am Sonntag nach der 9.Runde. Gerald Hertneck berichtet.Turnierseite...Partien und Bericht...

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Das historische Bad Wiessee in den 20er Jahren
Von Gerald Hertneck

Wenden wir den Blick kurz vom Turniergeschehen ab, und schweifen wir in die Vergangenheit, und zwar in das Jahr 1932, als das das Jod- und Schwefelbad Bad Wiessee einen Kurprospekt auflegte, in dem viel Wissenswertes steht. So wurde im Jahr 1930 die Wilhelmina-Quelle als zweite Heilquelle in Bad Wiessee erschlossen. Die erste Quelle, die „König Ludwig III. Wiesseer Heilquelle“ wurde im Jahr 1909 in einer Tiefe von etwa 700 Metern gebohrt und anschließend in Betrieb genommen. Es handelte sich hierbei um die stärksten Jod- und Schwefelquellen des Deutschen Reiches, wie Prof. Dr. Hintz in einer Zusammenstellung von 106 Quellen Europas ermittelte. Im Bild die Pumpe der Wilhelmina-Quelle.

 

Seither nahm der Tourismus (den man damals noch nicht so bezeichnete) in Bad Wiessee einen unaufhaltsamen Aufschwung. Der Badebetrieb wuchs von 2.000 Bäderkuren im Jahr 1911 auf 10.000 Bäder im Jahr 1913. Im Jahr 1920 waren es bereits über 20.000 Kuren und 1927 über 100.000 Kuren. Der Höhepunkt wurde im Jahr 1929 mit 133.000 Kuren erreicht; danach gingen die Zahlen aufgrund der Weltwirtschaftskrise wieder auf etwa 100.000 zurück. Infolge des starken Andrangs in der Hauptsaison empfahl die Kurverwaltung bereits im Jahre 1931 die Monate Mai, September und Oktober für den Kuraufenthalt zu wählen. Es wurden drei Arten von Kuren angeboten, nämlich Trink-, Bade- und Inhalationskuren. In der Trink- und Badeordnung wird darauf hingewiesen, dass lautes Sprechen, Singen und Pfeifen in den Badekabinen und sonstigen Räumen des Badehauses nicht gestattet ist – anscheinend dachte man auch damals schon an die für Schachspieler erforderlichen Turnierbedingungen. Das Badehaus enthielt in getrennter Herren- und Damenabteilung 126 modern eingerichtete Badekabinen, 52 Ruheräume, Massageräume, und ein neuzeitlich eingerichtetes Inhalatorium. Das Haus war mit Dampfheizung versehen, und wurde elektrisch ventiliert. Ferner war eine Trink-Wandelhalle vorhanden, in der heutzutage mitunter Schach gespielt wird.

Aus dem bei Dr. E. Alt in Auftrag gegebene klimatischen Bericht ist zu entnehmen, dass das Tegernseer Tal die Vorteile einer gesunden Alpenluft mit ihren würzigen aber strömungsschwachen Lokalwinden. Bei klarem Wetter steigt regelmäßig am Vormittag von der Talöffnung eine Brise talaufwärts und des Abends senkt sich die erkaltete Luft der Höhen ins Tal hinab; an den Berghängen ist die Luft in ständiger Zirkulation nach oben und nach unten. Die Wassermassen des Tegernsees speichern in den Sommermonaten Wärme auf und geben sie an die umgebende Luft ab. Das Tegernseer Gebiet verdankt dem Einfluß des Sees eine Abkühlung der Sommerhitze und relativ milde Winter. Bad Wiessee, am westlichen Ufer des Tegernsees, in einer Meereshöhe von 730 Metern gelegen, ist von München nur 53 km entfernt.

Die Motorschiffahrt auf dem Tegernsee existierte bereits im Jahre 1932 und wurde vom 1. Mai bis zum 31. Oktober durchgehend angeboten, und brachte Wiessee in den regsten Verkehr mit den übrigen am Tegernsee gelegenen Orten: Tegernsee, Egern, Rottach (Gmund ist nicht genannt). Dank der regen Bautätigkeit in den 20er Jahren war die Zahl der in der Gemeinde Bad Wiessee zur Verfügung stehenden Betten in Pensionen, Hotels und Privathäusern derart gestiegen, dass von einem Wohnungsmangel keine Rede mehr sein konnte. Die Mietpreise lagen zu der Zeit bei 7,50 bis 12,50 Reichsmark.

Zurück zum aktuellen Turniergeschehen. Nach der vierten Runde gibt es nur noch 8 Spieler mit den vollen vier Punkten. Die Begegnungen lauten wie folgt:

 

1          Lauber,Arnd, Dr. IM    -  Burmakin,Vladimi GM 

2          Schneider,Ilja               - Eingorn,Vereslav GM  

3          Edouard,Romain IM    - Zude,Arno IM

4          Meister,Peter IM         - Naumann,Alexander GM
 

 

Im Ergebnis endeten alle vier Partien remis, dafür wurden aber an den darauf folgenden Brettern drei von vier Partien entschieden. Somit sehen sich die Großmeister morgen an den Spitzenbrettern mit maximal 4,5 Punkten sitzen. Besonders schön anzusehen war aus meiner Sicht der Endspielsieg von Ulf Andersson. Scheinbar aus dem Nichts heraus verlor sein Gegner eine scheinbar ausgeglichene Partie. Das ist eben wahre Meisterschaft!

Chaostheorie im Schach

Heute hatte der Berichterstatter Gelegenheit ein paar Worte mit Dr. Arnd Lauber zu wechseln.  Mit seinen 32 Jahren darf er als einer der aufstrebenden deutschen Spieler bezeichnet werden, was in diesem Alter ungewöhnlich ist. Von Januar bis Oktober 2008 schoss er von Elo 2417 auf 2497, gewann also 80 Punkte dazu, und auch hier auf dem Turnier schlägt er sich bisher mit 4,5 Punkten hervorragend. In der laufenden Bundesligasaison errang er für die Schachfreunde Berlin am 5. Brett bisher 3,5 Punkte.

Arnd Lauber studierte in Barcelona, Paris, Rio de Janeiro und Mexiko Mathematik mit Schwerpunkt Chaostheorie und promovierte im Jahre 2004. Den häufigen Ortswechsel erklärt er so, dass es nur wenige wissenschaftliche Fachgruppen für das Spezialgebiet der Chaostheorie gibt. Da er sich sehr stark auf sein Studium konzentrierte, spielte er viele Jahre gar kein Schach. Zwischen Oktober 2002 und Januar 2008 sind gerade einmal 8 international gewertete Partien eingetragen. Dann hat er sich entschieden, ein Jahr lang Schach zu spielen, auch um Großmeisternormen zu machen.  Nun hat er eine GM-Norm, und hofft hier in Wiessee und / oder in der Bundesliga noch eine zweite zu machen. Ab Januar wird er aber dann so richtig ins Berufsleben einsteigen und bei einer Beraterfirma arbeiten. Wir wünschen ihm auf seinem weiteren Lebensweg viel Erfolg!

An den Spitzenbrettern war die mit Abstand wichtigste Partie des Tages die am Spitzenbrett, wo sich der führende Franzose Edouard gegen den Elo-Favoriten Burmakin behaupten musste. Nach langem Kampf endete diese Partie schließlich Remis, wobei der Russe lange am Drücker war.

Eine unangenehme Überraschung war das Aussetzen von Ulf Andersson. Offensichtlich hatte ihn die gestrige Partie so stark mitgenommen, dass er um eine Pause bat. Schade, bei einem Punktekonto von 4,5 aus 5.

Die für mich inhaltsreichste Partie war die von Henrik Teske gegen Peter Meister. Sie ist im Partienteil ausführlich kommentiert.

An der Spitze des Turnier stehen nur zwei Spieler mit 5,5 Punkten: Edouard und Naumann. Mal sehen ob die morgige Spitzenpaarung Remis ausgeht !?

 



 

 

 

 


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