Schach in Berlin fürs Guinness Buch
Von Dagobert Kohlmeyer
Ein solches Schachereignis hat die Hauptstadt noch nicht erlebt! Die Berliner
Mannschaftsmeisterschaft wurde am Sonntag, dem 30. April, erstmals in einer
zentralen Endrunde entschieden. Schauplatz war das Estrel Convention Center
in der Sonnenallee. Exakt 1 504 Schachspieler aus den 60 Berliner Vereinen setzten
in dem riesigen Saal des gleichnamigen Hotels ihre Figuren.
Der Spielsaal
Großer Andrang vor dem Hotel
Der Analyseraum
Das Hotel Estrel - beste Werbung für das Schach
1504 Schachspieler
Der Eingang zum Hotel
Spiritus Rector der einmaligen Veranstaltung war Dr. Matthias Kribben, Präsident
des Berliner Schachverbandes. Der bekannte Anlageberater hatte die Werbeagentur
Dorland noch als Co-Sponsor mit ins Boot genommen. Die Saalmiete im riesigen
Convention Center, wo sonst Megaevents wie Rockkonzerte oder Boxkämpfe stattfinden,
kostet pro Tag mehr als 20 000 Euro. "Wir haben den Saal von der Größe eines
Fußballfeldes aber zu sehr günstigen Kondition bekommen", erklärte Kribben.
"Es wäre wünschenswert, wenn sich im nächsten Jahr ein anderer Sponsor oder
eine Gruppe von Förderern findet, um dieses großartige Event wiederholen zu
können."
Dr. Matthias Kribben
Der Berliner Schachverband wollte seinen Mitgliedern an diesem Tag nicht nur
etwas Besonderes bieten, sondern mit der Veranstaltung auch ins Guinness Buch
der Rekorde. Weil es weltweit noch nie ein so großes Schachturnier für Vereine
gegeben hat. Dafür waren eine enorme Vorbereitung und viele Helfer nötig. Auf
den 752 Brettern mussten über 24 000 Figuren und 24 000 Bauern aufgebaut sowie
752 Uhren exakt justiert werden. 23 Schiedsrichter wachten über den ordnungsgemäßen
Ablauf des Geschehens.
"Es gab keinen einzigen Streitfall", konstatierten die Macher am Ende zufrieden.
Die Veranstaltung verlief absolut reibungslos. Wo sonst vorwiegend laute Events
stattfinden, herrschte an diesem Sonntag wohltuende Stille. Um 9. 30 Uhr hatte
Kribben mit dem Megafon das Startzeichen gegeben. Nach sechs Stunden Spielzeit
standen Sieger und Verlierer, Auf- und Absteiger in den 20 verschiedenen Spielklassen
Berlins fest.
Ältester Teilnehmer war Walter Wuthcke vom Schachclub Rochade. Der fast 92-Jährige
hat schon Generationen von Schachspielern ausgebildet. Auch heute noch schlägt
der ehemalige Mathematiklehrer auf dem Brett eine scharfe Klinge. Am Sonntag
stellte er seinem um viele Jahre jüngeren Gegner eine listige Mattfalle. Walter
hatte weiter gerechnet und gewann!
Walter Wuthcke
Unter den mehr als 1 500 Spielern war auch der 70-jährige Dieter Berthold, ein
früherer Nationalspieler der DDR. Er hatte bei der Schacholympiade 1958 in München
mitgewirkt und danach aus beruflichen Gründen jahrzehntelang nicht aktiv Schach
gespielt. Heute im Rentenalter tut er es wieder, und zwar für den SV Turbine.
Auch Horst Strehlow vom SC Friesen Lichtenberg, Jahrgang 1931 wie Viktor Kortschnoi,
wirkte an diesem denkwürdigen Tag mit und feierte herzliches Wiedersehen mit
vielen Schachfreunden.
Horst Strehlow
Etliche Zeitungsjournalisten und Fernsehleute verfolgten das Geschehen, worüber
sich besonders der Pressereferent des Berliner Schachverbandes Reinhard Müller.
Der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) schickte ein Kamerateam. Der Präsident
des Landessportbundes Berlin, Peter Hanisch, kam auch vorbei. Mit Interesse
schaute der Polizeidirektor a. D. den Schachspielern bei ihren Manövern über
die Schulter. Ex-Innenminister Otto Schily, ein bekennender Schachfreund, war
ebenfalls eingeladen worden, ließ sich aber entschuldigen. Er weilt derzeit
in der Toscana.
Smalltalk
Matthias Kribben und Reinhard Müller vor dem Start...
... und nach dem Event
Draußen im Foyer gab es an einem langen Tisch die neusten Schachbücher sowie
Produkte von ChessBase zu kaufen. Manfred Mädler war zu diesem Zweck mit seiner
Ehefrau Monika extra von Dresden angereist. "Ich bin seit 1972 in diesem Geschäft
und damit wohl der älteste aktive Schachhändler", erklärte der 71-Jährige nicht
ohne Stolz.
Manfred und Monika Mädler
Rundum eine sehr gelungene Veranstaltung, die möglicherweise 2007 wiederholt
wird. So etwas tut Popularisierung des Schachs gut und wird unserem königlichen
Spiel ganz sicher neue Freunde gewinnen.
(
Schiedsrichterin Bettina
Zur Spielhalle - hier wurde noch geübt.
Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer