Sandor Kali gratuliert Pete Leko...
... und dem Sieger Viswanathan Anand. Vorsicht beim Klatschen, Peter!
Anand macht Scherze
"Wir werden dieses phantastische Ereignis fortsetzen“
Interview mit dem Bürgermeister
von Miskolc, Sandor Kali
Von Dagobert Kohlmeyer
Sandor Kali ist ein
vielbeschäftigter Mann. Der Bürgermeister von Miskolc, seit sieben Jahren im
Amt, kam erst einen Tag vor dem Match zwischen Anand und Leko aus dem
Ausland. Freundlich begrüßte der Schirmherr des Duells die beiden
Schachstars auf der traditionellen Pressekonferenz und brachte es hinterher
auch fertig, Ungarns neuen Ministerpräsidenten bei der Eröffnungszeremonie
auf die Bühne des Nationaltheaters zu holen. Premier Gordon Bajnai wünschte
den Großmeistern alles Gute für ihren Wettkampf.
Trotz seines
dichtgedrängten Terminkalenders gab Sandor Kali dem Schachreporter am Rande
des Turniers die Gelegenheit, ihn im Rathaus zu besuchen. Das ganze Gebäude
und das Amtszimmer des Bürgermeisters atmen Geschichte, erfuhren wir unter
anderem von dem Stadtoberhaupt. Und der beliebte Kommunalpolitiker erzählte
uns von seinen Visionen zur Entwicklung im Schach und in anderen Sportarten.
Herr Kali, Miskolc ist als ungarische Kulturstadt 2008 geehrt worden. Wer
vergibt diesen Titel?
Es ist eine
Auszeichnung unseres Kulturministeriums gewesen, auf die wir sehr stolz
sind. Miskolc hat ja die bekannten Bartok-Festspiele, das Opernfestival, die
Dixieland-Konzerte in der Burg Diósgyőr, aber auch die Schach-Events kann
man dazurechnen.
Sehen Sie Schach ebenfalls als Kulturfaktor an?
Ja, ich sehe das auch
so. Schach ist derart komplex, dass es sportliche, wissenschaftliche und
auch kulturelle Aspekte in sich hat.
Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise macht auch um ihre Stadt
keinen Bogen. Wie schaffen Sie es immer wieder, Sponsoren für die Matches
von Peter Leko zu gewinnen? Und wird es auch im nächsten Jahr weitergehen?
Auf jeden Fall. Wir
haben das vor und engagieren uns entsprechend. Nicht nur, weil wir
vertraglich bis 2010 gebunden sind. Das Publikum in Miskolc ist sehr dafür,
dass wir dieses phantastische Ereignis fortsetzen. Dazu ermutigt uns auch
die weltweite Resonanz im Internet. Bei Peters Match gegen Wladimir Kramnik
gab es allein auf unserer Miskolc-Homepage vier Millionen Klicks. In diesem
Jahr erwarten wir noch wesentlich mehr, denn Anand und Leko zeigten
großartiges Schach. Das ist doch eine wunderbare Werbung für die Stadt.
Hier haben mit Karpow, Kramnik und Anand schon drei Weltmeister gespielt.
Das ist ja kaum noch zu toppen. Wenn also die hochkarätigen Gegner für Peter
Leko langsam ausgehen, können Sie sich auch vorstellen, mal ein Turnier zu
veranstalten?
Das ist unser Ziel,
hängt aber natürlich von den finanziellen Möglichkeiten ab. Dafür müssen wir
weitere Sponsoren gewinnen. Ich glaube, dass wir nach dem Erfolg mit den
drei Champions noch andere Geldgeber finden müssen, um auch ein kleines
Turnier auf die Beine zu stellen. Das hängt aber vom wirtschaftlichen
Aufschwung ab.
Vielleicht hilft Ihr neuer Premierminister, der ja zu Beginn des Matchs hier
war, damit Miskolc seinen Ruf als Schachhochburg in Ungarn weiter ausbauen
kann?
Der Besuch von Herrn
Bajnai am Eröffnungstag war eine wunderbare Sache. Er hat in Miskolc einen
Vortrag gehalten und ein Podiumsgespräch mit Unternehmern geführt. Ihm ist
sehr daran gelegen, die ungarische Wirtschaft wieder in Ordnung zu bringen.
Deshalb gibt es harte Maßnahmen der Regierung. Ich habe zu ihm gesagt, hier
besteht die seltene Gelegenheit, den regierenden Schachweltmeister zu
erleben. „Miskolc ist immer für nette Überraschungen gut“, sagte er auf der
Bühne, als er neben den Großmeistern stand.
Welche Vorzüge hat der neue Regierungschef?
Er ist vor allem ein
Wirtschaftsmann, das halte ich für sehr wichtig. Die ungarische Regierung
braucht dringend Leute mit Fachkenntnissen. Der Knackpunkt ist, dass die
Probleme im Moment sehr stark sind.
Auch die FIDE hat große Probleme. Sie findet für die wichtigen Events keine
Sponsoren. Sie sind auch ein Wirtschaftsfachmann, was würden Sie dem
schwächelnden Weltschachbund raten bzw. tun, um Geldgeber für das Schach zu
gewinnen?
Eine sehr harte Frage.
Wir müssen bei den Unternehmern einfach Leute finden, die vom Schach
fasziniert sind. Es sind etliche darunter, die gern bereit sind, etwas zu
riskieren. Hier bei uns geht es ja nicht nur um ein Rapid-Match zwischen
Klassespielern, also nicht nur um die großen Stars, sondern auch um den
Nachwuchs.
Sie haben auf diesem Gebiet in Miskolc mit Peter Lekos Schachschule schon
Pionierarbeit geleistet.
Richtig. Deshalb haben
wir hier in Miskolc vor zwei Jahren diese Leko-Schachschule eröffnet.
Spitzenschach und Breitenschach muss man irgendwie koppeln. Sie gehören für
mich einfach zusammen. Und die Förderer freuen sich, wenn sie sehen, dass es
nicht nur um einen geht, sondern um viele Kinder, die im Kollektiv lernen
und etwas Vernünftiges tun. Wir wollen nicht nur ein Ereignis machen,
sondern wirklich so viele junge Leute wie möglich auf einen guten Weg
bringen.
Wie läuft Peters Schachuniversität für den Nachwuchs?
Sehr erfolgreich.
Peter Leko kann natürlich nicht so oft hier sein, er hat aber fähige
Mitarbeiter. Wir fördern dort nicht nur die großen Schach-Talente, auch
normale Kinder profitieren von dieser Einrichtung. Ein Vater hat mir zum
Beispiel erzählt, dass seine Tochter Konzentrationsschwierigkeiten in der
Schule hatte. Seit sie Schach spielt, hat sie diese überwunden und ist
wesentlich disziplinierter geworden. Also ein ganz nützlicher Nebeneffekt.
Hat Schach für Sie ein besonderes Erziehungspotenzial?
Selbstverständlich.
Eine wichtige Frage ist doch heutzutage, wie bekommt man bei dem ganzen
Nachwuchs die Disziplin wieder. Weil es eigentlich überall in Europa beim
Lernen und Studieren Probleme gibt und die Kenntnisse der jungen Generation
deshalb nicht tief genug sind. Wenn die Kinder aber eine sinnvolle
Beschäftigung haben, die das Lernen fördert, dann sind die örtlichen
Sponsoren auch gern bereit, sich zu engagieren.
In welchen anderen Sportarten glänzt Miskolc noch, und wofür begeistern Sie
sich?
Im Fußball sind wir
erste Liga, aber unser Klubfußball ist international sehr schwach. Die
Basketballer von Miskolc sind nicht mehr in der obersten Spielklasse. Ich
interessiere mich für Fußball, Handball und Eishockey. Die meisten Ungarn
sind Fußball-Fans. Wir sind damals mit Puskas und Albert aufgewachsen. Das
waren Weltklasseleute. Ähnlich wie im Schach sollte man auch im Fußball
wieder mehr auf den eigenen Nachwuchs setzen und nicht nur Spieler kaufen.
Dieser Weg ist langsamer, aber wesentlich sicherer.