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Bundesverdienstkreuz für Fritz Baumbach
Von Dagobert Kohlmeyer
Fernschachlegende Fritz Baumbach hat in seinem Leben schon viel erreicht. Der
heute 76-Jährige war Einzelweltmeister, Vizeweltmeister, mehrfacher
Olympiasieger mit der Mannschaft und auch im Nahschach sehr erfolgreich, zum
Beispiel 1970 DDR-Meister. Fast zwei Jahrzehnte leitete er den Deutschen
Fernschachbund. Weniger bekannt ist, dass Baumbach auch über einen langen
Zeitraum hinweg die DDR-Nationalmannschaft der Gehörlosen trainierte. Sie errang
1974 in Dänemark immerhin den Vize-Weltmeistertitel. In Berlin wurde Dr. Fritz
Baumbach jetzt das Bundesverdienstkreuz verliehen. Die Feierstunde fand am
gestrigen Mittwoch in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport statt.
Staatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) nahm die Auszeichnung vor.
In Anwesenheit vieler Gäste, darunter Familienangehörige, Arbeitskollegen und
langjährige Schachfreunde Baumbachs, wurde dabei an die zahlreichen Meriten des
Ausgezeichneten erinnert, der promovierter Chemiker ist und - obwohl längst
Rentner - noch immer als Patentanwalt arbeitet.
Familie,...
... Schachfreunde,...
...Kollegen
Wie immer bei solchen Anlässen gab es feierliche Reden. Staatssekretär
Statzkowski ergriff zuerst das Wort und sagte unter anderem:
„Es ist mir eine große Ehre und Freude, Ihnen, Herr Dr. Baumbach, am heutigen
Tage im Auftrag des Bundespräsidenten, das Verdienstkreuz am Bande des
Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland aushändigen zu können. Der
heutige Tag wird Ihnen sicher als ein großer Moment in Ihrem Leben in Erinnerung
bleiben, denn schließlich ist die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes ein ganz
besonderes, ein herausragendes Ereignis. Diese Ehrung wird nur sehr wenigen
Menschen zuteil. Menschen, die sich in außerordentlicher Weise für andere
einsetzen, Menschen, die in ihrem Wirken ein Vorbild für die Gesellschaft und
die durch ihre Taten und Leistungen gutes für unser Land bewirkt haben. Sie,
Herr Dr. Baumbach, sind ein besonderer Mensch. Ihr Namen ist untrennbar mit dem
deutschen Fernschach verbunden. Fast zwei Jahrzehnte standen Sie als Präsident
an der Spitze des Deutschen Fernschachbundes.“
Der Staatssekretär würdigte dann die großen sportlichen Erfolge Baumbachs und
erinnerte auch an das Kuriosum, dass er fünf Jahre nach der Wiedervereinigung
mit der Fernschach-Olympiade-Mannschaft der DDR noch Bronze gewann.
Andreas Statzkowski und Fritz Baumbach
Sichtlich bewegt dankte Fritz Baumbach und erinnerte in seiner Erwiderung auch
an eines seiner Tätigkeitsfelder, das in der Schachöffentlichkeit nicht so
bekannt ist:
Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
ich danke Ihnen für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes und die lobenden
Worte. Danken möchte ich auch meinen Gästen, die an dieser Feierstunde
teilnehmen. Zu meiner großen Freude sind fast alle meine Kinder anwesend, es
sind Stefan, Beatrice, Friederike und Julia. Die fünfte Tochter Cordula lebt
weit entfernt in Kanada. Ganz besonders freut mich, dass meine älteste Enkelin
Caroline hier ist. Viele Weggefährten sehe ich in der Runde, ich möchte nur drei
davon nennen, es sind Hermann Brameyer und Horst Handel, meine Klubkameraden,
mit denen ich viele Jahrzehnte lang Schulter an Schulter in Mannschaften am
Brett gesessen habe. Und es ist mein Freund Heiner Burger, mit dem ich auch
Jahrzehnte lang viele, viele Fernschachpartien analysiert habe.
Als ich die Nachricht über die Auszeichnung bekam, war ich überrascht und habe
es zuerst gar nicht glauben wollen. Sie haben einige Erfolge aufgezählt, auf die
ich natürlich auch stolz bin, aber ich fragte mich zuerst, sind sie auch
herausragend genug? Eigentlich ist es doch ein Talent, das man hat, das man
natürlich mit Fleiß, Energie und Engagement ausbauen muss. Aber Talent an sich
ist ja kein Verdienst, man hat es mit seinen Genen mitbekommen. Und dieses
positive „Merkmal“ baut man aus und wandelt es zu Erfolgen um. Man gewinnt ein
Turnier, man holt sich einen Pokal, besiegt den Konkurrenten, alles meist nur
zur eigenen Freude und Bestätigung.
Sie haben hervorgehoben, dass ich neben dem aktiven Schach verschiedene
Ehrenämter übernommen habe, alle im Sinne der Verbreitung des schönen
Schachspiels auf verschiedenen Ebenen. Das erste war meine Funktion als Trainer
von gehörlosen Schachspielern, die mich gefordert und auch bereichert hat. 1970
wurde mir angeboten, die hörgeschädigten, überwiegend gehörlosen Schachspieler
der DDR zu trainieren. Es handelte sich um die Nationalauswahl mit ungefähr 20
Spielern und einigen Jugendlichen, sie wurden speziell gefördert. 'Warum diese
Sonderbehandlung?' haben manche gefragt, vielen ist das auch heute nicht klar.
Die Hörgeschädigten gehören zum Behindertensport, nicht weil sie sich nicht so
gut verständigen können, sondern weil sie in ihrer geistigen Entwicklung gehemmt
sind. Hören und vor allem Sprechen sind die wichtigsten Elemente der geistigen
Entwicklung des Menschen, ohne Gehör und die sprachliche Verständigung bleiben
sie in der geistigen Entwicklung zurück. Das macht sich auch beim Schachspielen
bemerkbar.
Mich reizte diese Aufgabe, und ich habe sie übernommen und fast 20 Jahre
ausgefüllt. Zunächst musste ich eine Verständigung herstellen und ihr Vertrauen
gewinnen. Nachdem sie gemerkt haben, dass ich ihnen helfen möchte, kamen wir uns
immer näher. Ich führte ein speziell für sie ausgerichtetes Trainingsprogramm
durch, zu welchem Lehrgänge, Wettkämpfe und ein Individualtraining, meist
schriftlich, gehörten. Die Ergebnisse wurden besser, wir haben später
erfolgreich als Mannschaft gegen andere Länder wie Ungarn und Polen gespielt.
Der Höhepunkt war der zweite Platz bei der Mannschaftsweltmeisterschaft in
Dänemark 1974 (der Vizeweltmeistertitel). Für mich war neben der Verbesserung
ihrer Spielstärke auch wichtig, das Selbstvertrauen meiner Schützlinge zu
stärken und ihre Integration in die Gesellschaft zu erleichtern. Sie sind ja
wegen der schwierigen Verständigung doch Außenseiter, also auch in ihren
Schachklubs. Je besser sie spielten, desto mehr wurden sie von anderen
Klubmitgliedern anerkannt und konnten sich Respekt verschaffen.
Nach der Wende wurde diese Struktur aufgelöst (wie ist es heute?), bald übernahm
ich ein anderes Amt, Präsident des Deutschen Fernschachbundes, der mehrere
Tausend Mitglieder hat. Hierzu gehört eine gute Organisation, um allen die
gewünschten Spielmöglichkeiten zu geben. Ich möchte hier nicht alles aufzählen,
sondern nur die wichtigsten Veränderungen in meiner Amtszeit von fast 20 Jahren
nennen. Die Technik hielt auch hier Einzug, das Fernschach mit der klassischen
Postkarte wurde allmählich abgelöst durch Zugübermittlungen per Email, und noch
moderner, durch Verwendung von Servern. Jedermanns Sache war das am Anfang
nicht.
Aber weit wichtiger war, die Schachprogramme wurden immer stärker und immer mehr
zum Helfer der Fernschachkontrahenten. Sie beeinflussten den Partieverlauf
erheblich. Das hat dazu geführt, dass sich nicht wenige Mitglieder vom
Fernschach abgewendet haben „Ich möchte nicht gegen einen Computer spielen“,
hieß es in vielen Austrittserklärungen. Unsere Aufgabe bestand darin, diesen
Rückwärtstrend zu stoppen und neue attraktive Angebote zu machen. Ich habe in
dieser Zeit viele Gespräche geführt, wie ich auch sonst immer Wert darauf gelegt
habe, mit Mitgliedern trotz der Entfernungen von Ort zu Ort direkten Kontakt zu
halten. Man kann jetzt sagen, dass sich der Deutsche Fernschachbund in guter
Verfassung befindet. Allerdings kann man vorhersehen, dass das Interesse am
Fernschach künftig in dem Maße abnehmen wird, wie die Schachcomputer stärker und
stärker werden.
Einen besonderen Stellenwert hatten für mich die internationalen Beziehungen,
die besonders auf den jährlichen Weltkongressen gepflegt wurden. Stolz bin ich
auf die beiden in Deutschland organisierten Kongresse, in Bad Neuenahr 1996 und
in Dresden 2006. Hier ging es darum, im Mutterland des Fernschachs neue Impulse
für das Fernschach weltweit zu setzen. Die Kongresse waren immer die Gelegenheit
für neue Beschlüsse, Vereinbarungen über die Zusammenarbeit und neue Regelungen,
aber nicht zuletzt eine gute Gelegenheit zum persönlichen Kennenlernen von
Mitstreitern in anderen Ländern unter dem Motto „AMICI SUMUS“ - Wir sind
Freunde.
Die vielfältigen Aufgaben konnte ich natürlich nicht im Alleingang bewältigen.
Ich hatte das Glück, immer gute Mitarbeiter und Helfer zu haben, einige sind
auch hier anwesend. Ich möchte ihnen herzlich danken. Auch meine Familie und
meine Kollegen haben mir geholfen. Meine Kinder - auf die ich sehr stolz bin -
sind durch mein zeitintensives Hobby manchmal wohl zu kurz gekommen. Aber sie
haben doch Verständnis dafür aufgebracht. Auch meine Kollegen haben manchmal
mehr arbeiten müssen - wenn ich nicht da war - aber auch sie sind
verständnisvoll gewesen. Allen möchte ich sehr, sehr herzlich danken.
Es war eine sehr gelungene Feier, und alle waren sich einig: Fritz Baumbach hat
diese Ehrung wahrlich verdient, immer legte er viel Ehre für sein jeweiliges
Heimatland (es waren ja zwei Staaten) ein. Der Tag klang eine Straße weiter im
urigsten Berliner Lokal „Zur letzten Instanz“ aus, wo wir in gemütlicher Runde
Erinnerungen aus den vergangenen Jahrzehnten austauschten. Die Schachspieler
Horst Handel und Hermann Brameyer kennen Fritz Baumbach über 50 Jahre, Heiner
Burger und der Schreiber dieses Berichts mehr als 30 Jahre. Jeder konnte
mindestens eine nette Anekdote erzählen oder einen der großen Vorzüge des
Geehrten nennen. Gegessen wurde in dem berühmten Lokal auch gut. Die Speisekarte
des ältesten Berliner Restaurants bietet vom Anwaltsfrühstück (Lammwürstchen)
über die Einstweilige Verfügung (Grillhaxe) bis zum Justiz-Irrtum (Kabeljau)
Gerichte für jeden Geschmack. Die Stunden vergingen wie im Fluge.
Schachmüde ist Fritz Baumbach noch lange nicht: Bei der laufenden
Fernschach-Olympiade spielt er wie gewohnt am ersten Brett der deutschen
Nationalmannschaft. Zudem auch aktiv im Oberliga-Team seines Vereins SC Friesen
Lichtenberg sowie im Betriebsschach (Deutsche Bahn). Im März startet die lebende
Legende mit einer Berliner Auswahl bei der Senioren-Team-EM in Slowenien. Viel
Erfolg, Fritz!