1925 wurde der Isländische Schachverband "Skáksamband Ísland" gegründet. In diesem Jahr feiert er sein 100-jähriges Bestehen. Schach hat aber auf Island eine viel längere Geschichte. Man weiß, dass das Schachspiel schon unter den Wikingern gepflegt wurde, was nicht zuletzt durch die berühmten Lewis Chess Men dokumentiert wird, die im 19. Jh. auf den schottischen Äußeren Hebriden gefunden wurden, ihren Ursprung bei norwegischen Wikingern haben und vermutlich im 12.-13. Jahrhundert aus Walross-Elfenbein geschnitzt wurden. Island wurde schon im 8. Jh. von Wikingern besiedelt und sicher haben die Wikinger im Laufe der Zeit auch hier Schach gespielt.
Als Begründer des modernen Schachs in Island gilt jedoch der US-Amerikaner Daniel Willard Fiske (1831-1904). In Ellisburgh, New York, geboren, studierte er in Kopenhagen und Uppsala Skandinavistik. Von 1852 bis 1859 war er Bibliothekar an der Astor Library in New York, dann zwei Jahre lang Generalsekretär der American Geographical Society.
Fiske war in den 1850er Jahren einer der besten Schachspieler in den USA und organisierte 1857 den ersten Schachkongress der Vereinigten Staaten. Das Turnier wurde 6. Oktober bis 10. November 1857 in New York im K.o.-Format durchgeführt, Remisen wurden dabei nicht berücksichtigt. Die damals sechzehn besten Spieler der USA wurden eingeladen. Zu diesen gehörte auch der Deutsche Louis Paulsen, der in dieser Zeit in den USA lebte. Die übrigen Teilnehmer waren waren: Daniel Willard Fiske selber, Paul Morphy, William Allison, Samuel Robert Calthrop, William James Fuller, Hiram Kennicott, Hubert Knott, Theodor Lichtenhein, Napoleon Marache, Hardman Philips Montgomery, Alexander Beaufort Meek, Frederick Perrin, Benjamin Raphael, Charles Henry Stanley, James Thompson. Paul Morphy gewann das Turnier mit einem Matchsieg über Louis Paulsen (5:1, bei zwei Remis). Organisator Fiske war schon in der ersten Runde ausgeschieden. Die Partien seines Erstrundenmatches sind überliefert. Von den fünf Partien konnte Fiske immerhin zwei gewinnen.
Auf einer Lithografie zu diesem Turnier sind alle Mitglieder des Kongresses abgebildet, auch diejenigen, die nicht am Hauptturnier teilgenommen haben.

Obere Reihe: Colonel Charles Mead (Vorsitzender), George Hammond, Frederic Perrin, Daniel Willard Fiske, Hiram Kennicott und Hardman Philips Montgomery.
Links: Hubert Knott, Louis Paulsen und William Allison.
Untere Reihe: Theodore Lichtenhein, James Thompson, Charles Henry Stanley, Alexander Beaufort Meek, Samuel Robert Calthrop und Napoleon Marache.
Rechts: William James Fuller, Paul Morphy und Benjamin Raphael.
Im Rahmen der Veranstaltung kam es auch zu einer Beratungspartie mehrerer Spieler, darunter auch Fiske, gegen Paul Morphy.
Daniel Willard Fiske verfasste ein Buch über das Turnier und gab zudem von 1857 bis 1861 zusammen mit Paul Morphy auch die erste Schachzeitschrift der USA heraus, American Chess Monthly.

Quelle: Roaring Pawn
In den Jahren 1861 und 1862 war Fiske Stellvertretender US-Botschafter in Wien. 1864-1866 war er Herausgeber des Syracuse Daily Journal und 1867 Herausgeber der Zeitung Hartford Courant. 1868 erhielt er schließlich eine Professur für skandinavische Sprachen an der Cornell University in Ithaca und war zugleich Bibliothekar der Universitätsbibliothek.
Im Jahr 1879 kam Fiske erstmals nach Island und erkundete die Insel. Von dieser Reise existiert ein Foto, das Fiske mit seinen Reisebegleitern zeigt.

Willard Fiske (sitzend links) mit seinen Reisegefährten Arthur Middleton Reeves und William H. Carpenter. Der isländische Dichter und Übersetzer Matthías Jochumsson, Verfasser des Textes der isländischen Nationalhymne, sitzt rechts. | Fotoquelle: Cornell University Library
Später reiste Fiske auch nach Ägypten und Italien.
Schon 1869 hatte Fiske in Ithaca Jennie McGraw kennengelernt, die aus einer sehr wohlhabenden Familie stammte.

Daniel Willard Fiske | Fotoquelle: Cornell University Library |

Jennie McGraw | Fotoquelle: Cornell University Library |
Fiske hatte sich in sie verliebt, aber der Vater von Jennie McGraw war gegen eine Heirat. Nach dem Tod ihres Vaters war Jennie McGraw eine millionenschwere Erben geworden, erkrankte aber später aber an Tuberkulose. 1878 hatte sie sich zu einer Reise nach Europa aufgemacht, in der Hoffnung, sich von der Lungenkrankheit zu erholen. Auf dieser Reise traf sie in Venedig Daniel Fiske wieder. Das Paar heiratete im Sommer 1880 in Berlin. Jennie McGraws Gesundheitszustand verschlechterte sich jedoch in den folgenden Monaten. Sie starb 1881 und vererbte Daniel Fiske ein Vermögen.
Fiske gab seine Professur an der Cornell University, ließ sich in Florenz als Privatier nieder und begann nun, eine umfangreiche Bibliothek aufzubauen.

Fotoquelle: Cornell University Library
Von Florenz aus reiste Fiske einige Male nach Island und besuchte dort auch die kleine Insel Grímsey, die etwa 40 km nördlich von Island liegt. Er unterrichtete die Bevölkerung auf der Insel (heute: 57 Einwohner) im Schachspiel und brachte ihnen Schachbücher mit. Die Anregung wurde mit Begeisterung aufgenommen, da zu dieser Zeit im Winter Schachspielen die einzige Beschäftigung auf der Insel war. Noch lange Zeit später galten die Schachspieler von Grímsey als die besten von Island. Fiske schloss mit den Leuten auf Grímsey eine enge Freundschaft und stiftete 12.000 Doller für die Ausbildung der Inselbewohner und für die Kultivierung der Insel.
1899 hielt sich Daniel Willard Fiske einige Zeit in Kopenhagen auf, um dort isländische Bücher für seine Bibliothek zu erwerben. Fiske arbeitete auch an einer Bestandsaufnahme isländischer Bücher, die zwischen 1578 und 1844 in Island gedruckt wurden, für das British Museum.

Als Schachliebhaber hatte Fiske auch eine umfangreiche Bibliothek von Schachbüchern angelegt. Im Jahr 1900 schenkte er der Isländischen Nationalbibliothek 2000 Schachbücher aus seinem Besitz. Außerdem hatte er begonnen, Schachbücher ins Isländische zu übersetzen, um in Island das Interesse am Schach zu fördern. Unter dem Eindruck von Fiskes Engagement entstanden in Island viele Schachclubs, darunter auch der 1900 gegründete und heute noch existierende Schachclub von Reykjavik (Taflfélag Reykjavíkur).
Ebenfalls 1900 begann Fiske ein Buch über die Geschichte des Schachs in Island zu verfassen, das er kurz vor seinem Tod 1904 noch fertigstellen konnte. Er erschien im folgenden Jahr: "Chess in Iceland and in Icelandic Litterature", Florenz 1905. Daniel Willard Fiske starb 1904 in Frankfurt.

Von Fiskes Engagement für das Schach auf Island bis zur Gründung des Isländischen Schachbundes 1925 vergingen noch ein paar Jahre. Isländische Landesmeisterschaften wurden allerdings schon seit 1913 durchgeführt. Zu dieser Zeit war Pétur Zóphóníasson (1879-1946) der beste Spieler Islands. Er gewann bis 1917 die ersten fünf Landesmeisterschaften. Pétur Zóphóníasson, in einem Fjord im Nordwesten Islands geboren, war auch ein Mitbegründer des Schachklubs von Reykjavik und ein bedeutender isländischer Genealoge. Er veröffentlichte mehrere Bücher über die Geschichte der Wikinger und auch ein Schachlehrbuch. Zusammen mit seiner Frau Guðrún Jónsdóttir hatte er 12 Kinder.
Aus dem Jahr 1931 ist eine Partie des damaligen Weltmeisters Alexander Aljechin von einer Simultanvorstellung auf Island überliefert.
Mit dem 1935 geborenen Friðrik Ólafsson erhielt Island seinen ersten Schachgroßmeister und einen Spieler der internationalen Weltklasse. Ólafsson spielte um die Weltmeisterschaft mit und wurde sechsmal Landesmeister.

Fridrik Olafsson, Beverwijk, 1961 | Foto: Anefo/Dutch National Archives.
1980 gelang ihm sogar bei einem Turnier in Buenos Aires noch ein Sieg über Anatoly Karpov. Es ist das einzige Mal in der Geschichte des Schachs, dass ein amtierender FIDE-Präsident den amtierenden Weltmeister besiegen konnte.
Mit seinen Erfolgen erlangte das Schach in Island noch größere Popularität. 2015 wurde Friðrik Ólafsson als sechste Person mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Reykjavik ausgezeichnet.
1972 rückte Reykjavik und Schach mit dem Wettkampf um die Weltmeisterschaft zwischen Boris Spassky und Bobby Fischer in den Fokus der Weltöffentlichkeit.
Überall auf der Welt interessierten sich nun Menschen für das Schachspiel und die Schachclubs verzeichneten einen Boom, besonders natürlich auch in Island. Hier zeigte sich die jungen Spieler als besonders talentiert und viele Isländer erhielten den Großmeistertitel. Auch heute noch dürfte die isländische Hauptstadt mit ihren knapp 140.000 Einwohnern weltweit die Stadt mit der größten Großmeisterdichte sein. Bisher konnte 15 Isländer den Großmeistertitel der FIDE erlangen.
Nachdem Bobby Fischer 2004 auf Betreiben der US-Behörden bei der Ausreise aus Japan festgesetzt wurde, fand er in Island Asyl, wurde isländischer Staatsbürger und lebte hier bis zu seinem Tod 2008. Sein Grab an der Kirche Laugardælir in Sellfoss ist inzwischen ein Wallfahrstort für Schachspieler aus aller Welt.
Der isländische Schachverband mit seinem Präsidenten Gunnar Björnsson (seit 2009) organisiert unter anderem alljährlich das Reykjavik Open, das mit der Veranstaltungshalle Harpa seit einigen Jahren einen ganz besonders schönen Turniersaal hat.

Foto: Isländischer Schachverband
2021 war Island Gastgeber der Europaeinzelmeisterschaft. In vier Divisionen spielen zudem die zahlreichen isländische Schachklubs um die Mannschaftsmeisterschaft.
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