Deutsch-Russischer
Jugendaustausch
Eine
Kulturenbegegnung in der Karnevalszeit
Vom neunten bis zum sechzehnten Februar wurde das
Jugendgästehaus Central im Berliner Stadtteil Wilmersdorf Treffpunkt
Jugendlicher aus zwei Ländern, nämlich Russland und Deutschland.
Hintergrund dieser Veranstaltung ist eine
deutsch-russische Partnerschaft, die 2008 mit einer Fahrt der Deutschen
Delegation nach Obninsk, einer Stadt bei Moskau, eingeleitet wurde und nun
durch die Rückeinladung nach Berlin fortgeführt wurde. Eine ähnliche
Partnerschaft besteht mit Frankreich (sehr erfolgreich!) bereits seit vielen
Jahren und nun soll so ein Projekt auch mit Russland, einer solch
schachbegeisterten und auch erfolgreichen Nation auf die Beine gestellt
werden. Ziel dieser Veranstaltung ist es einerseits gemeinsam Schach zu
trainieren und auch gegeneinander zu spielen. Ziel ist es aber vor allem
auch neue Leute und eine andere Kultur kennen zu lernen.
Da es die erste Fahrt der Russen nach Deutschland im
Rahmen dieser Partnerschaft war und Kultur im Mittelpunkt stehen sollte,
wurden auch Austragungsort und Programm dazu passend gewählt. Der
Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend und Leiter des Austausches auf
deutscher Seite, Jörg Schulz, lud in die deutsche Hauptstadt ein. Wo sonst
kann man so viel über die Deutsche- und vor allem deutsch-russische Kultur
und Geschichte lernen wie in Berlin? Dementsprechend enthielt das Programm
auch zahlreiche Ausflüge zu verschiedensten Sehenswürdigkeiten der Stadt,
die zum Teil auch von einem der Teilnehmer, dem Berliner Jugendsprecher
Achudhan organisiert wurden. Es konnte sogar ein Besuch der Berlinale, sowie
des Rosenmontagszugs (in Berlin schon am Sonntag) eingebaut werden.
Des Weiteren bot das Programm aber natürlich auch Schachtraining und mehrere
Vergleichskämpfe mit verschiedenen Bedenkzeiten. So wurde geblitzt,
Schnellschach gespielt, sowie jeweils zwei Halbstundenpartien gegen eine
Berliner Auswahl ausgetragen. Auch bei der Organisation der
Trainingseinheiten und der Vergleichskämpfe hat Achudhan erfolgreich
mitgewirkt. Ich selbst war bei der Veranstaltung als Übersetzer tätig.
Den russischen und deutschen Jugendlichen wurde zudem abends Freizeit
geboten, in der man die Anderen noch mal durch ein unbeschwertes Gespräch
auf eine andere Weise kennen lernen konnte. Auch die zwei mitgereisten
russischen Betreuer, der Leiter auf russischer Seite, Igor Popelyshev, und
eine mitgereiste Mutter, die nebenbei Rektorin eines durchschnittlichen
Schachklubs (ca. 500 Mitglieder!) ist, standen gerne zu Gesprächen bereit,
so dass wir eine Menge über das russische Schachsystem und die berüchtigte
russische Schachschule erfuhren.
Soviel zum deutsch-russischen Jugendaustausch im Allgemeinen. Ich bedanke
mich herzlich dafür, an dieser Veranstaltung teilgenommen haben zu dürfen
und kann allen Jugendlichen nur empfehlen, bei der nächsten Begegnung die
Chance wahrzunehmen und unsere russischen Schachfreunde näher kennen zu
lernen, da dies eine einmalige Erfahrung ist, die man so schnell nicht
vergisst.
Es folgt eine Fotogeschichte von Achudhan in der man näheres über unseren
Aufenthalt in Berlin erfährt.

Leonid (rechts) vom Schachklub Königsspringer Iserlohn
hilft den beiden Russen bei der Übersetzung der Speisekarte des Italieners.
Unsere Gäste sprachen alle kein Deutsch und nur wenige konnten brockenhaft
Englisch. Russischkenntnisse waren zwar keine Voraussetzung für die
deutschen Teilnehmer, jedoch unter diesen Bedingungen äußerst
empfehlenswert.

Die russischen Jugendlichen waren noch nie zuvor in
Deutschland gewesen. Bei den Sightseeing Touren durch die Stadt gab es immer
wieder offene Münder und großes Erstaunen über die Sehenswürdigkeiten, die
Berlin anzubieten hat. DSJ-Geschäftsführer Jörg Schulz (verdeckt) gab ihnen
vor Ort viele Informationen zur geschichtlichen, politischen und
gesellschaftlichen Entwicklung Deutschlands, die die Teilnehmer wissbegierig
aufnahmen. Als Dolmetscher stand ihm Jürgen (links) von der
Schachgesellschaft Bochum pausenlos zur Seite.

Beim Besuch des Europa-Centers am berühmten Kudamm stießen wir auf die 13
Meter hohe „Uhr der fließenden Zeit“. Entworfen wurde die moderne Wasseruhr
1982 vom Franzosen Prof. Bernhard Gitton. Auf dem Foto zeigt sie 15.38 Uhr
an. Und wir mussten unbedingt bis 16.00 Uhr warten, um zu sehen, wie sich
die einzelnen Gefäße entleeren und eine neue Stunde angezeigt wurde.

Nach der ersten Stadtbesichtigung ging es weiter nach Westend zu TuS Makkabi
Berlin, wo uns IM Alexander Lagunow zu einem Simultan einlud. Insgesamt
gewann er 17 Partien und gab 5 Remisen ab. Das Ergebnis lautete am Ende
19,5:2,5. Ein riesen Dankeschön geht an Makkabi für die herzliche Einladung
und hervorragende Organisation dieser Veranstaltung.

Schachtalent Yuri Eliseev (links) luchste dem Meister
ein Remis ab.

Tochter Elina (mitte) - U12 Deutsche Meisterin 2009 -
kennt ihren Vater zwar gut, aber für einen Punkt reichte es leider (noch)
nicht. Nina (links) vom Oberhausener Schachverein scheint auch nicht ganz
zufrieden mit ihrer Stellung zu sein.

Über die dunklen Seiten der deutsch-russischen Beziehungen wurde ebenfalls
intensiv diskutiert, vor allem über den Zweiten Weltkrieg und ihre Folgen
für Deutschland und besonders die Stadt Berlin. Dazu besuchten wir unter
anderem das Sowjetische Ehrenmal zum Gedenken der gefallenen Soldaten der
Roten Armee an der Straße des 17.Juni.

Der Pressesprecher der Russischen Botschaft bot uns
eine Führung durch das prachtvolle Botschaftsgebäude an der Straße Unter den
Linden an. Dort sahen wir unter anderem Konferenzsäle, an denen historisch
wichtige Entscheidungen getroffen wurden und das Zimmer, wo sich
Bundeskanzlerin Merkel und Ex-Präsident Putin zum ersten Mal trafen.

Ein Gruppenfoto im Konzertsaal der Russischen Botschaft

Für den Eintritt zur Reichstagskuppel mussten wir zwar
eine halbe Stunde in der Kälte frieren, doch das Warten wurde belohnt mit
einer beeindruckenden Innenarchitektur und einem wunderschönen Ausblick auf
das Regierungsviertel und die Stadt Berlin.

Im Hauptbahnhof lief die Ausstellung der United Buddy
Bears. Künstler aus über 140 unterschiedlichen Nationen bemalten 2 Meter
hohe Bären im Zeichen der Toleranz und der Verständigung zwischen Völkern,
Kulturen und Religionen.

Berlin war ein idealer Ort für Jugendliche, um am Abend
noch etwas zu unternehmen. Zu unserem Erstaunen hatten einige der Gäste aus
Russland zuvor noch nie ein Queue in der Hand gehalten, geschweige denn
eine Partie Billard gespielt - für einen deutschen Jugendlichen
unvorstellbar!

Am Freitag lud uns FIDE-Schachtrainer und IM Michael
Richter (links) zum Training in seine Schachschule in den Räumen
der Schachpinguine ein. Die Schule, die Michael gemeinsam mit FM Julia
Belostotska seit 2005 erfolgreich leitet, ist einzigartig in seiner Art und
äußerst beliebt unter den Berliner Kindern und Jugendlichen. Nach dem
Training forderte Schachtalent Yuri den Meister gleich zu einer Blitzpartie
heraus und brachte ihn dabei ganz schön ins Schwitzen.

Am Samstagmorgen fuhren wir zuerst zum Checkpoint
Charlie, dem bekannten Grenzübergang zwischen dem amerikanischen und
sowjetischen Sektor. Danach ging es gleich weiter zur Berliner Mauer und der
East Side Gallery, der größten Open Air Galerie der Welt.

Weltberühmt ist das Gemälde vom russischen Maler Wrubel
mit dem „Bruderkuss“ von Honecker und Breschnew.

Bei den Stadtrundfahrten hatten wir mit dem
ungewöhnlich kalten Winter zu kämpfen. Selbst die an niedrige Temperaturen
gewöhnten Russen zogen sich sehr warm an. Im Hintergrund seht ihr die
Oberbaumbrücke, die die Spree überquert und somit die Ortsteile
Friedrichshain und Kreuzberg verbindet.

Am Samstagnachmittag fand ein Vergleichskampf der
Berliner Schachjugend gegen die Teilnehmer des deutsch-russischen
Austausches in den Räumen des Schachclub Kreuzbergs statt. Gespielt wurden
zwei Runden mit 30 Minuten Bedenkzeit. An Brett 8 spielte Margarita Kostré
(rechts)- U14 Berliner Meisterin 2009 gegen Alena.

Der Kreuzberger Florian Kämmler (links) nutzte den
Heimvorteil aus und gewann seine erste Partie gegen Mikhail.

In den hinteren Brettern wurde hart gekämpft. Moritz
Gressmann (links) brachte als bester Berliner ganze zwei Punkte für sein
Team. Gegen seine Gegnerin Anastasija hatte Richard Pixar (rechts)
allerdings einige Schwierigkeiten.

Valeria Velina - U16 Berliner Meisterin - musste sich
ihrem russischen Gegner Oleg ebenfalls geschlagen geben. Für sie hieß es
0:2.

An Brett drei verteidigte
sich Alexei Kropman (rechts) gegen seinen 200-ELO-Punkte stärkeren Gegner
Leonid aus Dortmund und erreichte ein Remis.

An den Spitzenbrettern der
Berliner Mannschaft spielten die Bundesligisten Georg Kachibadze (rechts)
und IM Ilja Brener (links). Georg gewann gegen Jürgen aus Dortmund 1,5:0,5.,
Ilja spielte 1:1 gegen Yuri.

In der zweiten Partie gegen Yuri übersah Ilja (Weiß)
bei seinen Berechnungen eine kleine taktische Feinheit, wodurch er die
Partie verlor. (Schwarz am Zug)

Gespannt warten alle auf die Ergebnisverkündung durch
Betreuer Igor. Am Ende besiegten die Teilnehmer der deutsch-russischen
Jugendbegegnung die Auswahlmannschaft der Berliner Schachjugend klar mit 18
zu 10. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an Werner Ott vom Schachclub
Kreuzberg für die Bereitstellung ihrer Räume.


Der Rosenmontagszug auf dem Kudamm war eines der
Highlights der ganzen Woche – vor allem für die Russen. Wir amüsierten uns
über die lustigen Kostüme, aßen Grillwürste und die Umzugswagen warfen uns
reichlich Schokolade, Bonbons und andere Süßigkeiten zu. Unsere russischen
Freunde fuhren mit fünf prall gefüllten Plastiktüten zurück in ihre Heimat.


Am Montagmorgen bekamen wir eine interessante
Trainingseinheit mit dem erfahrenen FIDE-Trainer und FM Wilhelm
Schlemermeyer (links). Das Hauptthema war Turmendspiele mit einem
Rand-Freibauern und welche unterschiedlichen Gewinnpläne man entwickeln
kann. Besonders gefallen hat uns, dass wir die Stellung selbst analysieren
und so unsere eigenen Ideen entwickeln konnten.


Nach dem Training besuchten wir die Internationalen
Filmfestspiele Berlin (kurz: Berlinale) am Zoo Palast am Zoologischen
Garten. Die Berlinale, die jeden Februar stattfindet, zählt zu den weltweit
wichtigsten Festivals der Filmindustrie. Wir sahen uns die
Deutschlandpremiere des dänischen Films „Superbror“ (deutsch: Superbruder)
an, was sich als gute Wahl erwies. Denn obwohl unsere Gäste weder Deutsch,
Englisch oder gar Dänisch sprachen, war der Film für sie sehr leicht
verständlich.

Zum Abschluss der Fahrt gingen wir am Abend noch ins
Bowling-Center…

…doch selbst die besten Posen halfen nicht…

… gegen Bowling-Großmeister Jörg Schulz, der uns alle
locker gegen die Wand spielte! Wir Jugendlichen haben wohl noch eine Menge
über die Welt zu lernen.

Am Abend vor dem Abflug dachte keiner so Recht ans
Schlafengehen. Lieber unterhielten wir uns, spielten Karten und blitzten bis
tief in die Nacht, denn am nächsten Tag würde es schon den Abschied von
unseren russischen Freunden heißen. Dann hieß es Auf Wiedersehen oder wie
die Russen sagen До свидания! (ausgesprochen etwa: do swidanija)
Ich persönlich war sehr glücklich darüber, den
russischen Jugendlichen Deutschland und vor allem Berlin zeigen zu dürfen.
Ein riesengroßes Dankeschön geht an Andreas, Leonid und besonders Jürgen,
die die ganze Fahrt über geduldig zwischen den Deutschen und Russen als
Dolmetscher fungierten. Zuletzt meine Empfehlung an alle Jugendlichen,
unbedingt einmal an dieser oder an der deutsch-französischen Jugendbegegnung
teilzunehmen, denn diese Erfahrungen sind einmalig, unvergesslich und ihr
werdet viele Freundschaft schließen - garantiert!
Fotos von Achudhan, Andreas,
Vladt und Alena