Länderkampf Deutschland – Polen 3. Runde
Von Raj Tischbierek
Länderkampf Deutschland gegen Polen
Ich bin noch in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass die weißen Steine einen Vorteil
im Schach bedeuten. Aber nicht nur bei Turnieren wie dem Tal-Memorial in Moskau
gibt niemand mehr etwas auf diesen Schmarrn, auch die Deutsche Frauen-Nationalmannschaft
zeigt sich beim Gladenbacher Länderkampf gegen Polen modern: die 1. Runde – in
der wir fünfmal die weißen Steine führten – ging mit 1,5-3,5 verloren. Heute –
wieder fünfmal Weiß – gab es eine Steigerung auf ein achtbares 2-3.
So weit, so gut. Gestern allerdings gelang mit den schwarzen Steine nur ein 2,5-2,5
– diesem Ausrutscher ist der 6-9 Rückstand nach drei der fünf Runden geschuldet.
Mir kommt in diesem Zusammenhang die Geschichte von Adolf Anderssen in den Sinn,
der irgendwann vor ca. 150 Jahren mit der Postkutsche zu einem Turnier zuckelte
und mit seinem einzigen Reisebegleiter ins Gespräch kam. „Spielen Sie Schach?“
wurde Anderssen gefragt. „Nein, was ist das?“, gab sich einer der besten Spieler
der damaligen Zeit interessiert. „Nun, ich werde es Ihnen zeigen“, gab sich Herr
N. leutselig. „Weil Sie ein Anfänger sind, gebe ich Ihnen in der ersten Partie
die Dame vor!“ Unter Erklärungen begann man zu spielen - Neuling Anderssen verlor.
„Nun, Sie haben sich recht achtbar geschlagen“, lobte ihn sein Lehrer, „versuchen
wir es noch einmal“. „Gut“, entgegnete der Deutsche, aber diesmal spielen wir
nicht mehr unter so ungleichen Bedingungen. Die ganze Zeit musste ich auf diese
überflüssige Dame aufpassen und konnte mich nicht aufs Wesentliche konzentrieren.
Diesem Umstand verdanken Sie Ihren Sieg. Diesmal gebe ich Ihnen die Dame vor!“
Gesagt, getan. Natürlich – Anderssen gewann.
Wahrheit oder Legende?
Zu den Partien von heute wollen Sie etwas wissen? Gut.
Melanie Ohme trickste sich in der Eröffnung selbst aus – Schuld waren selbstredend
die Trainer –, schaffte in ihrem Sizi kein d2-d4 und bekam, der geschlossenen
Spielweise unkundig, kein Bein aufs Brett.
Melanie Ohme im Kampf gegen Sizilianisch
Ähnliches Ungemach drohte nach dem Einschlag auf g2 bei Tatjana Melamed, aber
hier hatte die Gegnerin etwas gegen ein Spiel auf ein Tor und half mit 27... Lc4?
dem baldigen 1-1-Ausgleich kräftig nach.
Tatjana Melamed - bislang die erfolgreichste deutsche Spielerin
Zum nächsten Sorgenkind avancierte Hanna Marie Klek, die die schwarzen Angriffschancen
in einem Königsinder unterschätzte: 1-2.
Hanna Marie Klek
Karina Szczepkowska-Horowska trifft Vorbereitungen für einen Königsinder.
Eine starke Partie spielte Marta Michna, die allerdings im Endspiel mehrere technische
Gewinne ausließ (zum Beispiel 44. De5+) und letztlich ins Remis einwilligen musste.
Ein Erfolg war dieses Ergebnis in der letzten Partie: wie schon gestern bewies
Lena Lewuschkina ihre Zähigkeit im Endspiel: 2-3.
Monika Socko (links mit Schwarz) gegen Elena Lewuschkina
Und morgen: Schwarz! Zieh' dich warm an, Polen!