Weltmeisterschaft im Blitzschach
in Almaty
Kasachstan. November 7-8
Von Alexander von Gleich
Der internationale Turnierkalendar ist
sehr gedrängt, ein Ereignis jagt das nächste: Kaum ist das Match Anand-Kramnik
beendet, geht es gleich mit der nächsten Weltmeisterschaft weiter, nun im
Blitzschach. Hierzu wurde nach Almaty geladen, die langjährige Hauptstadt
Kasachstans.
Almaty bedeutet soviel wie Apfel-Ort.
Jede Stadt hat so etwas wie ein eigenes Symbol: Für Paris mag das dies der
Eifelturm, für Moskau der Kreml sein – Almaty könnte man sich ohne die Berge
kaum vorstellen, die den Stadtkern umschließen – nur der Fernsehturm ragt mit
seinen 330 m Höhe hervor.
In etwa 40 Minuten Autofahrt ist man auf
dem Chimbulak, einem Skigebiet, welches jedes Jahr weiter ausgebaut wird, da man
2012 die asiatischen Winterspiele austragen will.
Schon olympiareif ist die Eislaufbahn
Medeo, eine der größten und mit 2000 m die am höchsten gelegene Eislaufbahn der
Welt. Am Wochenende tummeln sich hier Hunderte von Hobby- Eisläufern.
Wen es weder auf gefährliche Kufen,
Skier oder Snowboards zieht, der findet in den reichen Bergregionen um Almaty
wunderbare Wanderwege. So kann der trainierte Wanderer z.B. die 1,5-stündige
Tour hoch zum Almaty See auf sich nehmen und wird mit einem Ausblick auf die
Stadt Almaty sowie einen kristallklaren Bergsee belohnt:
Bergsee bei Almaty
Vor 10 Jahren wurde die
Hauptstadtfunktion nach Astana in den Nordosten des Landes verlegt. Almaty bleibt jedoch die Finanz- und
Wirtschaftsmetropole sowie die heimliche Hauptstadt des Landes. Dank sprudelnder Erdöl- und
Gaseinkommen setzte ein Bauboom ein, der die Silhoutte der Stadt stark
veränderte:
Huch, was macht der den hier? Es ist keine Fotomontage, sondern die
Kopie des Eiffelturmes dient als Wahrzeichen des sich dahinter befindlichen Kaufhauses”
Franzuskii Dom” – Franzöisches Haus.
Ein grosses, modernes Hotel mit ebenso stattlichen Preisen…
Es gibt zwei gleichberechtigte
Landessprachen: Kazachisch, welches der Gruppe der Turksprachen angehört, sowie
Russisch. Die kazachische Bevölkerung ist überwiegend – gemäßigt - moslemisch,
aber auch alle andere Religionsgruppen sind vertreten, werden toleriert und vom
Staat ebenso unterstützt.
Moschee
Das Land wird seit der Unabhängigkeit
Anfang der Neunziger Jahre von Präsident Nazarbaew regiert, der mit viel
diplomatischem Geschick das Land inmitten der großen Nachbarn Russland und
China auf einen neutralen Kurs eingeschworen hat und auch im Westen über beste
Kontakte verfügt.
Präsident Nazarbaew
Erst unlängst besuchte Bundespräsident Köhler das Land. Die allgemeine Wirtschafts– und
Finanzkrise hat Kazachstan bereits vor einem Jahr getroffen und das Bankensystem,
bisher Stolz des Landes, arg in Mitleidenschaft genommen.
Umso beachtlicher ist es daher, dass die
Investitionsgruppe Seimar weiterhin ihren Wohltätigkeitsfond Seimar mit
beachtlichen Mitteln bedenkt, die verschiedenen karitativen Projekten zugeführt
werden: http://www.seimarfund.kz
Es ist eine glückliche Fügung für das
kasachische Schach, dass einige der Hauptakteure der Seimargruppe, namentlich
Margulan Seicembaew und Saken Seifullin, ein ausgesprochenes Interesse am Schach
haben und schon vor einem Jahr ein Kinderturnier unterstützt hatten.
Dieses Jahr bewarb man sich um die
Ausrichtung der Blitzweltmeisterschaft und bekam den Zuschlag.
Als Austragungsort wählte man das
Sanatorium Alatau. Dieses befindet sich etwa 15 km vom Stadtkern entfernt und
war in Sowjetzeiten allein für die Erholung allzu gestresster Parteibonzen
vorbehalten. Nunmehr grundrenoviert, mit großzügigem und modernem Schwimmbad, Fitness sowie 100 modern eingerichteten Zimmer und 3 großen
Konferenzsälen ausgestattet bietet sich die Anlage für die Ausrichtung von
Großveranstaltungen jeglicher Art an.
Der Spielsaal war modern eingerichtet
mit allem was die neue Technik so möglich machte:
Sämtliche Partien wurden vom
staatlichen Fernsehen aufgezeichnet und werden am heutigen Sonntag in das
El Ama-Programm eingespeist, welches mit den dritten Programmen in Deutschland
vergleichbar ist. Von 14.00 bis 18.00 wird heute Schach im Dritten gezeigt und
da es in vielen ländlichen Regionen keinen anderen Fernsehkanäle gibt, müssen
die Leute heute wohl oder übel den ganzen Tag Schach gucken, feixte ein
sichtlich vergnügter Pressechef.
Für die Zuschauer im Saal wurden die
Partien auf große Demobretter übertragen:
Gleichzeitig hatte man die technischen
Voraussetzungen für eine Direkteinspielung in Playchess.com geschaffen, jedoch – oh
we! – nicht mit den all zu schnell und nicht sauber setzenden Spielern
gerechnet. Besagter Pressechef jammerte denn auch: “Warum können die Spieler
denn die Figuren nicht sauber in die Mitte ziehen? Wir haben ihnen das vor dem
Turnier gesagt und sie halten sich nicht daran.” Tatsächlich verschwanden
mitunter Damen oder Türme auf sonderbare Weise vom Demobrett und sorgten beim
fachkundigen Publikum für Aufregung: “Wie kann Morozewich ohne Dame noch
weiterspielen – unglaublich. Zu unserer Zeit hatte man noch Benimm!“.
Ein stattlicher Preisfond von 350.000
SFR tat ein Übriges und lockte die Crème de Crème im Blitzschach an: Alleine Aronian und
Anand vermisste man von den großen Blitzspielern.
Als Turnierfavoriten wurden im
allgemeinen Grischuk, Morozevich, Radjabov und Ivanchuk angesehen, Letzterer trat
in seiner Real Madrid-Talisman-Jacke an – was sollte hier noch schiefgehen?
Ivanchuk hatte jedoch gewisse
Startschwierigkeiten und verlor bis zur Pause 2 Partien.
Nach 5 Runden lagen die Favoriten in
Front:
Grischuk 4,5, Morozewich 4 aus 5.
Dahinter lauerte Dominguez mit 3,5, aber
– so sahen das viele - der würde schon noch von der russischsprachigen
Blitzmacht eingefangen werden.
Peter Svidler
Keinen guten Start erwischten Polgar mit
0.5 aus 5
und Sasikiran 0/5 , der noch bei der Eröffnungsveranstaltung tags
zuvor einen Schwächeanfall erlitten hatte.
Später lief es für ihn besser, den
Rückstand konnte er nicht mehr aufholen (hier vor der Partie gegen Lokalmatador Kazhgeleev, der am Ende respektable 50% holte.
Nach jeder Runde verkündete
Hauptschiedsrichter Filipowicz den Zwischenstand:
First Place Dominguez 8 points, Radjabow
7,5 points
Unterstützt wurde der
Hauptschiedsrichter von einem illustren Appealskommittee mit klarer
Aufgabenverteilung: Während Boris “Karloff” Spasski gemächlichen Schrittes die
Partien der vorderen Reihe begutachtete….
... hatte Viktor Kortschnoj die Bretter der
hinteren Reihe fest im Blick – hier wird das Spiel des späteren Turniersiegers
Dominguez einer strengen Prüfung unterzogen:
Wer will sich bei diesem freundlich
dreinschauenden Herrn beschweren???
So gab es denn auch keinerlei
Zwischenfälle, wenn man von gelegentlichen Flüchen der jüngeren Teilnehmer
absieht:
Ladies First? Diesmal benahmen sich
die Herren nicht wie Gentleman und verwiesen die schnelle Judit auf den letzten
Platz, einzig Turniersenior Vaganian erwies sich als Herr der alten Schule und
gab seine Partie gegen Judith verloren:
Hier erzählt Mr. Bundesliga, wie er
gegen Dominguez erst in eine schwierige Position geriet, sich dann mit einem
schlauen Trick in ein unklares Endspiel rettete, wo er dann darauf verzichtete,
seinen Gegner über die Zeit zu heben und sich mit Remis begnügte.
Dafür ein klarer Sieg mit dem Rafael
Franzosen gegen einen zu opferfreudigen Rublewsky.
Rapper Kamsky mit einem durchmischten
Turnier, am Ende reichte es für einen Mittelplatz. Auch Super–Illu konnte die Frage vor
den Journalisten nicht beantworten, wann und wo es zu dem Match Topalov-Kamsky
kommen wird….
Ruhe bitte vor der letzte Runde:
Vor der letzten Runde führt Dominguez
einen halben Punkt vor Ivanchuk, der in der zweiten Turnierhälfte einen Sieg
nach dem anderen einfuhr. Selbst Spasski legte die Brille ab um den schnell
erungenen Sieg von Vassily gegen Judith zu begutachten.
Doch Dominguez ließ gegen Amin nichts
anbrennen. Ungeschlagen beendete er das Turnier als
klarer Erster! Herzlichen Glückwunsch!
Raucher unter sich…
Schnell noch eine Zigarette vor der
Runde …Ehefrau siehts nicht, dafür der Photograph…
Auch dieser schaute vorbei und feierte mit einem 14,5-0,5 im
Simultan seinen 671. Turniersieg.
Am Blitzturnier wollte er jedoch nicht
teilnehmen…
Zum Schluss
noch ein paar Bilder mit den einigen der besten Blitzer der Welt
Über den Autor:
Nach beruflichen Stationen in Georgien (MicrofinanceBank) und Russland(
IFC – Weltbankgruppe ) lebt Alexander von Gleich seit 2 Jahren in
Kazachstan, wo er als Finanzvorstand (CFO) der ATF Bank tätig ist,
welche zur Unicredit Gruppe gehört. Er ist verheiratet mit seiner Frau
Nino und Vater von 3 Söhnen; Beruf und Familie lassen ihm praktisch
keine Zeit mehr für das Schachspielen.
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