Die Blitzweltmeisterschaft in Almaty

von ChessBase
10.11.2008 – Nur einen Tag lang dauerte die Blitzweltmeisterschaft in Almaty, dann war sie blitzartig auch schon wieder vorbei. Für das Turnier mit vielen Topspielern hatten die kasachischen Organisatoren in einem ehemaligen Erholungszentrum für Politkader einen Turniersaal mit modernster Technik hergerichtet, um den Zuschauern das Spektakel möglichst authentisch nahe zu bringen. Am Tag danach sendete das kasachische Kulturfernsehen sogar eine komplette Aufzeichnung des Events. Auch eine Liveübertragung ins Internet hatte es gestern gegeben, allerdings ging doch manche Partienotation im Trommelfeuer der umher fliegenden Figuren unter. Derzeit werden die Partien anhand der TV-Aufzeichnungen rekonstruiert. Gerade erst ging die richtige Weltmeisterschaft in Bonn zuende, nun fand die Blitzweltmeisterschaft in Almaty statt. Der frühere Bundesligaspieler Alexander von Gleich hat zu beiden Städten eine Beziehung. Dort hat er studiert, hier ist seine neue Heimatstadt. Bericht aus Almaty...

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Weltmeisterschaft im Blitzschach in Almaty
Kasachstan. November 7-8
Von Alexander von Gleich

Der internationale Turnierkalendar ist sehr gedrängt, ein Ereignis jagt das nächste: Kaum ist das Match Anand-Kramnik beendet, geht es gleich mit der nächsten Weltmeisterschaft weiter, nun im Blitzschach. Hierzu wurde nach Almaty geladen, die langjährige Hauptstadt Kasachstans.

Almaty bedeutet soviel wie Apfel-Ort.

Jede Stadt hat so etwas wie ein eigenes Symbol: Für Paris mag das dies der Eifelturm, für Moskau der Kreml sein – Almaty könnte man sich ohne die Berge kaum vorstellen, die den Stadtkern umschließen – nur der Fernsehturm ragt mit seinen 330 m Höhe hervor.

In etwa 40 Minuten Autofahrt ist man auf dem Chimbulak, einem Skigebiet, welches jedes Jahr weiter ausgebaut wird, da man 2012 die asiatischen Winterspiele austragen will.

 

 

 

Schon olympiareif  ist die Eislaufbahn Medeo, eine der größten und mit 2000 m die am höchsten gelegene Eislaufbahn der Welt. Am Wochenende tummeln sich hier Hunderte von Hobby- Eisläufern.

Wen es weder auf gefährliche Kufen, Skier oder Snowboards zieht, der findet in den reichen Bergregionen um Almaty wunderbare Wanderwege. So kann der trainierte Wanderer z.B. die 1,5-stündige Tour hoch zum Almaty See auf sich nehmen und wird mit einem Ausblick auf die Stadt Almaty sowie einen kristallklaren Bergsee belohnt:


Bergsee bei Almaty

Vor 10 Jahren wurde die Hauptstadtfunktion nach Astana in den Nordosten des Landes verlegt. Almaty bleibt jedoch die Finanz- und Wirtschaftsmetropole sowie die heimliche Hauptstadt des Landes. Dank sprudelnder Erdöl- und Gaseinkommen setzte ein Bauboom ein, der die Silhoutte der Stadt stark veränderte:

Huch, was macht der den hier? Es ist keine Fotomontage, sondern  die Kopie des Eiffelturmes dient als Wahrzeichen des sich dahinter befindlichen Kaufhauses” Franzuskii Dom” – Franzöisches Haus. 


Ein grosses, modernes Hotel mit ebenso stattlichen Preisen…

Es gibt zwei gleichberechtigte Landessprachen: Kazachisch, welches der Gruppe der Turksprachen angehört, sowie Russisch. Die kazachische Bevölkerung ist überwiegend – gemäßigt - moslemisch, aber auch alle andere Religionsgruppen sind vertreten, werden toleriert und vom Staat ebenso unterstützt.


Moschee

Das Land wird seit der Unabhängigkeit Anfang der Neunziger Jahre von Präsident Nazarbaew regiert, der mit viel diplomatischem Geschick das Land inmitten der großen Nachbarn Russland und China auf einen neutralen Kurs eingeschworen hat und auch im Westen über beste Kontakte verfügt.


Präsident Nazarbaew

Erst unlängst besuchte Bundespräsident Köhler das Land. Die allgemeine Wirtschafts– und Finanzkrise hat Kazachstan bereits vor einem Jahr getroffen und das Bankensystem, bisher Stolz des Landes, arg in Mitleidenschaft genommen.

Umso beachtlicher ist es daher, dass die Investitionsgruppe Seimar weiterhin ihren Wohltätigkeitsfond Seimar mit beachtlichen Mitteln bedenkt, die verschiedenen karitativen Projekten zugeführt werden:  http://www.seimarfund.kz

Es ist eine glückliche Fügung für das kasachische Schach, dass einige der Hauptakteure der Seimargruppe, namentlich Margulan Seicembaew und Saken Seifullin, ein ausgesprochenes Interesse am Schach haben und schon vor einem Jahr ein Kinderturnier unterstützt hatten.

Dieses Jahr bewarb man sich um die Ausrichtung der Blitzweltmeisterschaft und bekam den Zuschlag.

Als Austragungsort wählte man das Sanatorium Alatau. Dieses befindet sich etwa 15 km vom Stadtkern entfernt und war in Sowjetzeiten allein für die Erholung allzu gestresster Parteibonzen vorbehalten. Nunmehr grundrenoviert, mit großzügigem und modernem Schwimmbad, Fitness sowie 100 modern eingerichteten Zimmer und 3 großen Konferenzsälen ausgestattet bietet sich die Anlage für die Ausrichtung von Großveranstaltungen jeglicher Art an.

Der Spielsaal war modern eingerichtet mit allem was die neue Technik so möglich machte:



Sämtliche Partien wurden vom staatlichen Fernsehen aufgezeichnet und werden am heutigen Sonntag in das El Ama-Programm eingespeist, welches mit den dritten Programmen in Deutschland vergleichbar ist. Von 14.00 bis 18.00 wird heute Schach im Dritten gezeigt und da es in vielen ländlichen Regionen keinen anderen Fernsehkanäle gibt, müssen die Leute heute wohl oder übel den ganzen Tag Schach gucken, feixte ein sichtlich vergnügter Pressechef.

Für die Zuschauer im Saal wurden die Partien auf große Demobretter übertragen:

Gleichzeitig hatte man die technischen Voraussetzungen für eine Direkteinspielung in Playchess.com geschaffen, jedoch – oh we! – nicht mit den all zu schnell und nicht sauber setzenden Spielern gerechnet. Besagter Pressechef jammerte denn auch: “Warum können die Spieler denn die Figuren nicht sauber in die Mitte ziehen? Wir haben ihnen das vor dem Turnier gesagt und sie halten sich nicht daran.” Tatsächlich verschwanden mitunter Damen oder Türme auf sonderbare Weise vom Demobrett und sorgten beim fachkundigen Publikum für Aufregung: “Wie kann Morozewich ohne Dame noch weiterspielen – unglaublich. Zu unserer Zeit hatte man noch Benimm!“.

Ein stattlicher Preisfond von 350.000 SFR tat ein Übriges und lockte die Crème de Crème im Blitzschach an: Alleine Aronian und Anand vermisste man von den großen Blitzspielern.

Als Turnierfavoriten wurden im allgemeinen Grischuk, Morozevich, Radjabov und Ivanchuk  angesehen, Letzterer trat in seiner Real Madrid-Talisman-Jacke an – was sollte hier noch schiefgehen?

Ivanchuk hatte jedoch gewisse Startschwierigkeiten und verlor bis zur Pause 2 Partien.

Nach 5 Runden lagen die Favoriten in Front:

Grischuk 4,5, Morozewich 4 aus 5.



Dahinter lauerte Dominguez mit 3,5, aber – so sahen das viele - der würde schon noch von der russischsprachigen Blitzmacht eingefangen werden.


Peter Svidler

Keinen guten Start erwischten Polgar mit 0.5 aus 5

und Sasikiran 0/5 , der noch bei der Eröffnungsveranstaltung tags zuvor einen Schwächeanfall erlitten hatte.


Später lief es für ihn besser, den Rückstand konnte er nicht mehr aufholen (hier vor der Partie gegen Lokalmatador Kazhgeleev, der am Ende respektable 50% holte.

Nach jeder Runde verkündete Hauptschiedsrichter Filipowicz den Zwischenstand:

First Place Dominguez 8 points, Radjabow 7,5 points

Unterstützt wurde der Hauptschiedsrichter von einem illustren Appealskommittee mit klarer Aufgabenverteilung: Während Boris “Karloff” Spasski gemächlichen Schrittes die Partien der vorderen Reihe begutachtete….



... hatte Viktor Kortschnoj die Bretter der hinteren Reihe fest im Blick – hier wird das Spiel des späteren Turniersiegers Dominguez einer strengen Prüfung unterzogen:



Wer will sich bei diesem freundlich dreinschauenden Herrn beschweren???

So gab es denn auch keinerlei Zwischenfälle, wenn man von gelegentlichen Flüchen der jüngeren Teilnehmer absieht:

Ladies First?  Diesmal benahmen sich die Herren nicht wie Gentleman und verwiesen die schnelle Judit auf den letzten Platz, einzig Turniersenior Vaganian erwies sich als Herr der alten Schule und gab seine Partie gegen Judith verloren:



Hier erzählt Mr. Bundesliga, wie er gegen Dominguez erst in eine schwierige Position geriet, sich dann mit einem schlauen Trick in ein unklares Endspiel rettete, wo er  dann darauf verzichtete, seinen Gegner über die Zeit zu heben und sich mit Remis begnügte.

Dafür ein klarer Sieg mit dem Rafael Franzosen gegen einen zu opferfreudigen Rublewsky.

 

 

Rapper Kamsky mit einem durchmischten Turnier, am Ende reichte es für einen Mittelplatz. Auch Super–Illu konnte die Frage vor den Journalisten nicht beantworten, wann und wo es zu dem Match Topalov-Kamsky kommen wird….

Ruhe bitte vor der letzte Runde:



Vor der letzten Runde führt Dominguez einen halben Punkt vor Ivanchuk, der in der zweiten Turnierhälfte einen Sieg nach dem anderen einfuhr. Selbst Spasski legte die Brille ab um den schnell erungenen Sieg von Vassily gegen Judith zu begutachten.

 

Doch Dominguez ließ gegen Amin nichts anbrennen. Ungeschlagen beendete er das Turnier als klarer Erster! Herzlichen Glückwunsch!

Raucher unter sich…



Schnell noch eine Zigarette vor der Runde …Ehefrau siehts nicht, dafür der Photograph…



Auch dieser schaute vorbei und feierte mit einem 14,5-0,5 im Simultan seinen 671. Turniersieg.

Am Blitzturnier wollte er jedoch nicht teilnehmen…

Zum Schluss noch ein paar Bilder mit den einigen der besten Blitzer der Welt




























 

 

 


Über den Autor:

Nach beruflichen Stationen in Georgien (MicrofinanceBank) und Russland( IFC – Weltbankgruppe ) lebt Alexander von Gleich seit 2 Jahren in Kazachstan, wo er als Finanzvorstand (CFO) der ATF Bank tätig ist, welche zur Unicredit Gruppe gehört. Er ist verheiratet mit seiner Frau Nino und Vater von 3 Söhnen; Beruf und Familie lassen ihm praktisch keine Zeit mehr für das Schachspielen.

 

 

 

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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