Die neue dreibändige Lasker-Biographie

von André Schulz
11.02.2019 – Vor zehn Jahren erschien die große Lasker-Biographie, inzwischen vergriffen. Nun ist er der erste Band einer neuen auf drei Bände angelegten englischsprachigen Biographie erschienen. Sie enthält viele neue Details aus Laskers Leben und eine Fülle von fantastischen Fotos.

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Die neue Emanuel Lasker – Biographie

Es gibt viele leuchtende Sterne am deutschen Schachhimmel, aber Emanuel Lasker überstrahlt sie wohl alle. Am 24. Dezember 1868 geboren, jährte sich sein Geburtstag 2018 zum 150sten Mal. Der Deutsche Schachbund und die deutschen Schachfreunde feierten das Lasker-Jahr.

Vor nun schon fast zehn Jahren erschien unter der Federführung von Michael Negele und Richard Forster, mit der Hilfe von Stefan Hansen, eine umfassende Lasker-Biographie, in deutscher Sprache, großformatig und mit über 1000 Seiten Umfang. In zahlreichen Artikeln würdigten fast 30 namhafte Autoren das Leben und Werk des zweiten Schachweltmeisters in allen seinen Aspekten. Lasker war ein ausgezeichneter Mathematiker, interessierte sich für Philosophie, Literatur, Spieltheorie und viele Dinge mehr und hatte bedeutende Freunde. Mit Albert Einstein diskutierte er über die Relativitätstheorie.

Lasker lebte in Deutschland, England, in den USA, in den Niederlanden, zwangsweise auch einige Zeit in Moskau, weil er als Jude aus seiner Heimat vertrieben wurde. Mit 27 Jahren „Amtszeit“ war er der Weltmeister, der am längsten den Titel inne hatte, was auch daran lag, dass er zeitweise nicht spielte und ein Weltkrieg in seine Amtszeit fiel. Einiges war über Lasker bekannt, vieles aber auch nicht. Die erste Biographie hat geholfen, mehr über seine Leben und seine Zeit zu erfahren. Doch das Buch ist längst vergriffen.

Nun gib es eine neue Biografie, angelegt auf drei Bände, diesmal in englischer Sprache. Die englischsprachigen historisch interessierten Schachfreunde dürfen sich freuen. Der erste Band ist frisch erschienen. Er umfasst etwa 450 Seiten. Vom großformatigen Folio-Format hat man diesmal Abstand genommen. Das kleinere „Normal“-Format ist leserfreundlicher: Das Buch kann auch mal ohne Aufwand mitgenommen werden. Die Aufmachung ist edel. Auch in der neuen englischen Ausgabe behandeln eine Reihe von Autoren bestimmte Aspekte von Emanuel Laskers schachliches und Lebenswerk, zum Teil sind es die gleichen Autoren wie bei der deutschsprachigen Biographie. Die redaktionelle Leitung dieser neuen Ausgabe lag wieder  in den Händen von Richard Forster und Michael Negele sowie Raj Tischbierek, in dessen Exzelsior Verlag das Werk verlegt ist. Im Hintergrund wirkte zudem die Emanuel Lasker Gesellschaft.

In diesem ersten Band mit dem Titel, „Emanuel Lasker, Volume I, Struggle and Victories, World Chess Champion for 27 years“, sind neun Aufsätze enthalten. Mit ungeheurer Gründlichkeit wird Laskers Lebensweg in den Kapiteln, „A Biographical Compass“ (50 S.) von Michael Negele, „Ancestors, Family and Childhood“ (50 S.) von Wolfgang Kamm und Thomas Lissowski, „Lasker in Great Britain“ (44 S.) von Tony Gillam und „Lasker: The American Views“ (43 S.) von John Hilbert skizziert.

Die weiteren Kapitel beschäftigen sich mit bestimmten Aspekten von Laskers Wirken: Joachim Rosenthal stellt in „Lasker and Mathematics“ (36 S.) den Mathematiker Emanuel Lasker vor, Jürgen Fleck zeigt in Lasker’s Endgame Studies“ (16 S.) seine Endspielstudien und stellt Bezüge zu anderen Autoren auf diesem Gebiet vor, Ralf Binnewirtz beschreibt in Lasker’s Chess Problems (18 S.) Laskers Zugang zur Welt des Problemschachs. Mit der schwierigen Beziehung der Rivalen Lasker und Tarrasch hat sich Raj Tischbierek im Kapitel „The Battle Lasker vs. Tarrasch“ (72 S.) auseinandergesetzt. Im letzten Kapitel „Dominator of the Chess World“ beschreibt Mihail Marin schließlich anhand vieler kommentierter Schlüsselpartien den Aufstieg Laskers bis zum Weltmeistertitel und seine Dominanz, die als Weltmeister 27 Jahre andauerte.

Für jeden historisch interessierten Schachfreund, Bewunderer des einzigen deutschen Schachweltmeisters oder nicht, ist das Buch eine wunderbare Fundgrube für viele historische Details und biographische Notizen. Auf S. 18 in Michael Negeles „biographischem Kompass“ ist eine kleine Karte der Stadt Berlin von 1890 abgedruckt mit Angaben zu Laskers geographischem Wirkungskreis in seiner Berliner Schulzeit, seine Wohnungen in der Weißenburger Straße, der Lützowstraße und der Templiner Straße, seine Schulwege zum Königstädtischen Realgymnasium in der Elisabethstraße, zum Sophien-Realgymnasium in der Steinstraße, zum Falk-Realgymnasium in der Lützowstraße, und, ganz wichtig: die Adressen der Schachcafés in der Umgebung, die Teehalle in der Oranienburger Straße, das Café Royal an der Ecke Kommandantenstraße/Beuthstraße und das Café Kaiserhof am Wilhelmplatz. Als wäre man selber dabei gewesen, kann man hier Laskers Wirkungskreis nachvollziehen.

Michael Negeles beschreibt in seinem biographischen Kompass Laskers Kinder- und Jugendzeit, soweit bekannt, seine Schulzeit in Berlin und Landsberg, seine besondere Beziehung zum acht Jahre älteren Bruder Berthold, er war Laskers Schachlehrer, und Laskers Studienzeit. Man erfährt von Laskers erster Begegnung mit Tarrasch 1887 in der Berliner Teehalle und dem Beginn gegenseitiger Abneigung. Mit Anfang 20 beginnt Laskers Karriere als Turnierspieler und das Spiel um Geld in offiziellen Wettkämpfen, nicht nur in Deutschland. England gewinnt als Spielfeld schachlicher Betätigung für Lasker bald große Bedeutung, ebenso die USA. Michael Negeles biographischer Kompass reicht bis zum Jahr 1901. Im Jahr zuvor hatte Lasker in Mathematik promoviert. Zu der Zeit war er schon der zweite Weltmeister der Schachgeschichte, nachdem er 1894 in den USA den Titelkampf gegen Wilhelm Steinitz gewonnen hatte. Michael Negele stellt in seinem Kapitel die Quellen dieser umfangreichen Lasker-Biografie vor und weist auch auf die mit den einzelnen Quellen verbundenen Schwierigkeiten hin.

Wolfgang Kamm und Thomasz Lissowski durchleuchten im Anschluss auf 50 Seiten die Ursprünge und Äste der weit verzweigten Familie Lasker, die ihren Ursprung im Ort Lask in Zentralpolen hat, und spüren zum Beispiel der Verwandtschaft von Emanuel und Edward Lasker nach. Die beiden Schachmeister kannten sich gut, waren sich aber über den Grad ihrer Verwandtschaft nicht bewusst. Tatscählich waren sie Vettern dritten Grades. Auch der Reichtagsabgeordnete Dr. Eduard Lasker war ein weitläufiger Verwandter von Emanuel Lasker.

Laskers Lebenslauf ist mit vielen Bildern und  Dokumenten geschmückt, darunter z.B. Laskers Abgangs-Zeugnis vom Sophien-Realgymnasium in Berlin. Ein Glanzzeugnis ist das nicht. Zeichnen konnte er gar nicht ("ungenügend"). Im Turnen war er auch schlecht ("noch nicht genügend"). In den anderen Fächern schaffte Lasker immerhin ein "genügend". Aber in Mathe (Rechnen) und Physik war er gut. Und im Schach natürlich, doch Schach fand auf dem Zeugnis keine Berücksichtigung. Lasker setzte seine Schulausbildung nun am Realgymnasium in Landsberg fort. Kamm und Lissowski folgen auch Laskers Verwandten nach und haben interessante und unbekannte Querbezüge entdeckt. So wurden zwei von Laskers Neffen, Söhne seiner Schwester Amalie aus erster Ehe, 1911 von Curt von Bardeleben adoptiert. Warum, weiß man nicht so genau.

Tony Gilliam beschäftigt sich in einem weiteren Abschnitt mit Laskers Wirken in England. Schon mit 21 Jahren, 1890, reiste Lasker erstmals auf die Insel, um dort gegen die besten Engländer Wettkämpfe zu spielen. Bei seinem zweiten Besuch gewann er 1892 den 7. Kongress des Britischen Schachverbandes. Gilliam skizzierte alle Auftritte Laskers in England bis 1936. Das große Turnier in Nottingham 1936 war Laskers letztes Turnier in England. Der 68-Jährige (!) belegte im Weltklassefeld einen mittleren Tabellenplatz. 

John Hilbert hat in seinem Kapitel analog zum vorherigen Kapitel Laskers Aufenthalte und in den USA zum Thema. Mehrfach reiste Lasker in seinem Leben in die USA und lebte dort auch zeitweise. In den USA gewann er 1894 Weltmeistertitel und feierte in späteren Jahren beim Turnier New York 1924 einen seiner weiteren großen Erfolge. Am Ende seines seines Lebens lebte er erneut wieder in den USA und starb dort 1941.

Lasker und Pillsbury New York 1893 

Den biografischen Kapiteln folgt ein Kapitel über Laskers Beziehung zur Mathematik von Joachim Rosenthal. Lasker strebte eine wissenschaftliche Karriere als Mathematiker an, doch es gelang ihm nicht, in der akademischen Welt so Fuß zu fassen, dass er davon leben konnte Auch dieses Kapitel ist mit schönen Dokumenten verziert, zum Beispiel Laskers Promotions-Urkunde zum "Doctor philosophia" mit "magna cum laude". Das Kapitel bietet viele schöne Aspekte zur Mathematik, an denen auch eingefleischte Mathematiker ihre Freude haben. 

Mit Laskers Werk als Komponist von Endspielstudien und Problemen haben sich Jürgen Fleck und Ralf Binnewirtz befasst. Lasker hatte auf diesem Gebiet zwar keinen besonderen Ehrgeiz, aber doch soviel, dass er auch hier Anerkennung suchte und falls nötig, einem Streit nicht aus dem Weg ging.

Das letzte Drittel des Bandes behandelt Laskers unmittelbares Wirken am Brett, seine Partien, in zwei Aspekten. Raj Tischbierek ist in seinem Abschnitt der Rivalität zwischen Lasker und Siegbert Tarrasch nachgegangen. Der einige Jahre ältere Tarrasch war eigentlich ein guter Freund von Emanuel Laskers Bruder Berthold und schaute auf Emanuel Lasker anfangs etwas herab. Später wurde der jüngere Lasker allerdings immer besser. Trotzdem verweigerte Tarrasch diesem einen Wettkampf, weil er ihn nicht als gleichwertigen Gegner ansah. Dann war Emanuel Lasker plötzlich Weltmeister. Die Kräfteverhältnisse hatten sich verändert, was Tarrasch nie recht anerkennen konnte. Selbst als Tarrasch den WM-Kampf von 1908 gegen Lasker klar verlor, war er nicht in der Lage die Überlegenheit des Weltmeisters ohne wenn und aber anzuerkennen. Raj Tischbierek zeichnet die Rivalität nach und stellt den Weltmeisterschaftskampf der beiden Deutschen in den Mittelpunkt seines Kapitels.

Den Schlusspunkt des Buches setzt Mihail Marin in seinem Abschnitt: "Dominator of the chess world". Beim rumänischen Großmeister stehen ganz und gar Laskers Partien im Zentrum seiner Betrachtung, Laskers Aufstieg zur Weltspitze und seine Kämpfe um die Weltmeisterschaft. Zahlreiche Schlüsselpartien werden mit der von Marin gewohnten Gründlichkeit kommentiert.

Die neue Lasker Biographie ist eine unerschöpfliche Fundgrube für alle historisch interessierten Schachfreunde. Die einzelnen Kapitel bestechen durch eine Fülle von Details aus dem Leben des zweiten Schachweltmeisters. Das an sich schon herausragende Werk wird durch die riesige Fülle von Fotos und Dokumente noch einmal in erheblicher Weise aufgewertet. Fast jede Seite enthält eines oder mehrere Fotos in zumeist bestechender Qualität. Mit ihnen werden die beschriebenen Ereignisse sichtbar und die Welt von Emanuel Lasker und seinen Zeitgenossen wird in der Vorstellung des Lesers wieder lebendig. 

Viele der Fotos stammen aus der Sammlung von Lothar Schmid, dem Edward Winter Archiv und der Bibliothek von Cleveland, die im Besitz von Laskers Nachlass ist. 

Exzelsior Verlag...

Schach Niggemann...

 

Master Class Band 5: Emanuel Lasker

Auf dieser DVD zeigen unsere Autoren alle Facetten des Spiels von Emanuel Lasker, der von 1884 bis 1921 Weltmeister war, länger als jeder andere vor oder nach ihm: Eröffnungen, Strategie, Taktik und Endspiele!

Mehr...

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren