Leserbriefe
Hübners Artikel "Von der Willkür der Dopingkontrollen"
sollte nicht unwidersprochen bleiben. Unbestritten ist, dass Dopingkontrollen im
Schach für Spieler und Verbände lästig sind, weil man sich auf eine ganz neue
"Bedrohung" einstellen muss. Daher sind harsche Abwehrreaktionen wie die von
Herrn Hübner auf den ersten Blick auch durchaus verständlich.
Die zentrale Behauptung Hübners, dass "Die Auffassung
von der Nutzlosigkeit von Dopingversuchen im Schach zur Steigerung der
Verstandeskräfte allgemein anerkannt ist", dürfte jedoch wissenschaftlich nicht
mehr haltbar sein. Tatsächlich liest man in letzter Zeit immer häufiger, dass
Studenten (vor allem in Amerika) ihre geistige Leistung, zum Beispiel auch die
Konzentrationsfähigkeit, durch Einnahme von Medikamenten steigern. Zwei
Medikamente stehen dabei im Fokus: Modafinil und Ritalin. Zwar ist die
Wirkungsweise dieser Substanzen im Gehirn von der Wissenschaft noch weitgehend
unverstanden, und es liegen auch keine Daten zu Langzeitwirkungen vor, jedoch
scheint der praktische Nutzen unbestritten zu sein, denn sonst würden die
vermutlich nicht ganz billigen und auch nicht legalen Präparate nicht von bis zu
25% der Studenten eingenommen werden. Provokativ mag man daher Herrn Hübner
fragen, wieso es mit den Mitteln der modernen Wissenschaft nicht möglich sein
sollte, Medikamente zu entwickeln, die die Hirnleistung (Aufnahmefähigkeit,
Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit usw.) steigern. Zumal das Gegenteil
bereits mehr oder weniger erwiesen ist.
Zum Beleg dieser Ausführungen sei auf den Artikel in der
Süddeutschen Zeitung vom 11.12.08 zum Thema "Gedanken-Beschleuniger" verwiesen.
http://www.sueddeutsche.de/wissen/383/451098/text/
Des weiteren möchte ich auf die Prognose von Herrn Sven
Gabor verweisen, der im Gehirndoping einen neuen Trend sieht:
http://www.karriere.de/beruf/hirndoping-wird-der-neue-trend-7345/
Außerdem darauf, dass die Pharmaunternehmen, im
Neurodoping einen Zukunftsmarkt sehen:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,560804,00.html
Im Ergebnis spreche ich mich FÜR Dopingkontrollen auch
im Schach aus, da wir nach dem Siegeszug der miniaturisierten Schachcomputer vor
einer weiteren Bedrohung des fairen schachlichen Wettkampfs stehen.
Gerald Hertneck
Schachgroßmeister
Beiliegend ein interessanter Link, bezugnehmend auf
einen Nature-Artikel, zu "Hirndoping". So ganz von der Hand zu weisen oder
lächerlich/skurril, wie gerne dargestellt, ist dieses Thema in Bezug auf Schach
wohl auch nicht.
http://diepresse.com/home/techscience/wissenschaft/436757/index.do?from=suche.intern.portal
Christian Moritz