Filmtipp: Fresh- Schach, Spannung, Drogen
Von Johannes Fischer
Schachmotive im Film bringen
nicht immer ungetrübtes Vergnügen. Aber manchmal kommt bei dieser Mischung
etwas Gutes heraus. Wie im Falle von Fresh, dem Spielfilmdebüt des
Regisseurs Boaz Yakin. Der spannende Thriller erzählt die Geschichte Michaels,
eines 12-jährigen Jungen, der in einem von Gewalt und Drogen geprägten New
Yorker Schwarzenghetto aufwächst und wegen seiner wachen Intelligenz den
Spitznamen Fresh verliehen bekommt.
Fresh wohnt in einem
Pflegeheim und arbeitet vor und nach der Schule als Drogenkurier für die beiden
größten Dealer des Ghettos. Mit unbewegtem Gesicht, kaltblütig und scheinbar
unberührt von dem Elend der Abhängigen, denen er den Stoff verkauft, erledigt
er seine Arbeit. Intelligenz und Effizienz machen ihn zur „Nachwuchshoffnung“
im Drogenmilieu. Man glaubt, dass er eines Tages „The Man“ sein wird.
Eigentlich
kein typisches Schachspielermilieu. Aber Fresh spielt Schach, weil sein Vater
spielt und einst sogar Meisterambitionen hegte. Jetzt trinkt das ehemalige
Talent und träumt immer noch von einem großen Durchbruch, während er als Zocker
im Park Geld verdient. Bei zahllosen Blitzpartien erklärt der Vater seinem
Sohn, wie das Schach und die Welt funktionieren. Ratschläge, die allerdings nur
bedingt überzeugend wirken, denn offensichtlich hat es der Vater im Leben und
in der Schachwelt nicht sehr weit gebracht.
Aber Fresh entsinnt sich
dieser Schach- und Lebenslektionen, als er Zeuge wird, wie einer seiner Freunde
und ein Mädchen aus seiner Schule bei einem Basketballspiel von einem
Drogendealer erschossen werden. Fresh entwickelt einen kühl kalkulierten
Racheplan, mit denen er die beiden Drogenbosse gegeneinander ausspielen und aus
dem Ghetto entkommen will. Bis zum packenden Showdown verfolgt man gebannt, wie
sich die riskante und komplexe Strategie des Jungen Zug um Zug entfaltet.
Das macht den Film zu einem
raffinierten Thriller, der das Schach trotz leichter Ungereimtheiten gelungen
in seine Handlung integriert. Nicht zu vergessen die ausgezeichneten
Schauspieler: Neben Sean Nelson als 12-jährigem Drogendealer, der mit
unbewegtem Gesicht durch das Elend seiner Welt streift, beeindruckt Samuel
Jacksons Darstellung als Vater von Fresh. Zwar verrät seine Zugtechnik wenig
von einem routinierten Zocker, aber Jacksons Leinwandpräsenz macht das mehr als
wett.
Wenn man überhaupt einen Sinn
für solche Filme hat, sollte man sich Fresh trotz der späten Sendezeit
unbedingt anschauen – und schließlich gibt es ja noch das gute alte Videogerät.
Fresh,
USA 1994. Mit Sean Nelson, Samuel Jackson, Giancarlo Esposito u.a.. Regie: Boaz
Yakin.
In der Nacht von Samstag, den 28.2. auf Sonntag, den 29.2., 1.15 Uhr, Pro
Sieben.
Wiederholung in der Nacht von Montag, den 1.3. auf Dienstag, den 2.3., 2.15
Uhr, Pro Sieben.
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