Eindrücke von den Deutschen Meisterschaften in München

von André Schulz
21.05.2025 – Nach 1900, 1949 und 1979 ist München derzeit zum vierten Mal Gastgeber einer Deutschen Einzelmeisterschaft. Diese ist stark besetzt, hat mit dem Kulturzentrum Gasteig eine sehr geräumige Location zur Verfügung und ist prominent besucht. Eindrücke aus München...| Fotos: André Schulz

Das Wissen, das Du jetzt brauchst!
Die neue Version 18 bietet völlig neue Möglichkeiten für Schachtraining und Analyse: Stilanalyse von Spielern, Suche nach strategischen Themen, Zugriff auf 6 Mrd. LiChess-Partien, Download von chess.com mit eingebauter API, Spielervorbereitung durch Abgleich mit LiChess-Partien, eingebaute Cloud-Engine u.v.m..

Die Deutschen Schachmeisterschaften in München

Obwohl ein großes Schachzentrum, war München im Laufe der Deutschen Schachgeschichte nur selten Gastgeber einer Deutschen Landesmeisterschaft, nur dreimal bisher. Und nur einmal wurde dabei ein Landesmeister aus Deutschland gekürt, eine Landesmeisterin, um genau zu sein: Das war Friedl Rinder. Sie gewann 1949 in München die Deutsche Meisterschaft der Frauen, die kurz vor der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik noch als gesamtdeutsche Meisterschaft ausgetragen wurde. Bemerkenswert ist, dass Friedl Rinder beim Gewinn ihres vierten Landesmeistertitels schon 44. Jahre alt war.

Die erste Deutsche Meisterschaft in München war eine Meisterschaft mit internationaler Beteiligung. Im Jahr 1900 organisierte der Deutsche Schachbund in der Bayrischen Landeshauptstadt seinen 12. DSB-Kongress. Tatsächlich waren die internationalen Teilnehmer sogar in der Überzahl. Nur vier der 16 Spieler waren Deutsche. Geza Maroczy (Österreich-Ungarn), Harry Nelson Pillsbury (USA) und Carl Schlechter (Österreich-Ungarn) teilten sich die ersten drei Plätze. Es folgte ein Stichkampf um den Turniersieg. Maroczy trat nach einer Niederlage gegen Pillsbury krankheitsbedingt zurück. Pillsbury und Schlechter spielten ihren Stichkampf 2:2, wonach beide zu Siegern erklärt wurden.  

Schließlich gab es noch einmal im Jahr 1979 eine Deutsche Meisterschaft in München, wieder als Internationale Deutsche Meisterschaft durchgeführt. Boris Spasski, Juri Balashov, Robert Hübner und Ulf Andersson kamen alle auf 8,5 Punkte. Boris Spasski hatte die beste Zweitwertung und wurde zum Sieger erklärt. Die Münchener Wolfgang Unzicker und Helmut Pfleger belegten die Plätze acht bzw. elf.

Nun ist München also zum vierten Mal Gastgeber von Deutschen Landesmeisterschaften. Je zehn Spieler und Spielerinnen spielen um den offenen Titel und den Titel der Frauen. Für beide Meisterschaften wurde nach vielen Jahren, in denen der Wettbewerb mit vielen, aber nicht durchweg spielstarken Teilnehmern oder Teilnehmerinnen im Schweizer System ausgetragen wurde, nun ein attraktives Format gefunden. Die sieben besten Spieler und Spielerinnen sind eingeladen. Hinzu kommen die beiden Erstplatzierten aus dem Kandidatenturnier und ein Nachwuchsspieler bzw. Nachwuchsspielerin.

Im Offenen Turnier ist Vincent Keymer der Top-Favorit. Die deutsche Nummer eins wurde der Favoritenrolle bisher mehr als gerecht.

Er startete mit vier Siegen, gegen Marco Dobrikov, Frederik Svane, Martin Krämer und Leonardo Costa, bevor ihm Dennis Wagner den ersten halben Punkt abnehmen konnte. In Runde sechs gewann Keymer gegen Niclas Huschenbeth. 5,5 Punkte aus 6 Runden bei einer Deutschen Meisterschaft können sich sehen lassen. Engster Verfolger ist Matthias Blübaum mit 4,5 Punkten.

Bei der Meisterschaft der Frauen ist Dinara Wagner die Top-Favoritin und zeigt fast die gleiche Überlegenheit wie Vincent Keymer im Offenen Turnier. Nach vier Siegen war Jana Schneider die Erste, die Dinara Wagner einen halben Punkt wegnehmen konnte. In Runde sechs musste Dinara Wagner ein Turmendspiel mit Minusbauern gegen Fiona Sieber verteidigen, was ihr gelang. Hanna Marie Klek ist Dinara Wagner jedoch dicht auf den Fersen. Sie verlor zwar das direkte Duell in Runde eins gegen die Spitzenreiterin, holte dann aber 4,5 Punkte aus den folgenden fünf Runden.

Hanna Marie Klek und Fiona Sieber in Runde 5

Austragungsort der Meisterschaften ist das gewaltige Münchner Kulturzentrum Gasteig (gach-Steig = steiler Steig), am östlichen Inn-Ufer im Stadtteil Haidhausen gelegen. Das Haus wurde 1984 fertiggestellt und diente den Philharmonikern, der Stadtbibliothek, der Volkshochschule und der Hochschule für Musik und Theater München als Unterkunft. Das Haus kam jedoch bei der Bevölkerung nicht gut an, weil sich die realisierte Backsteinarchitektur nicht recht ins Stadtbild einfügte (Spottname: „Kulturvollzugsanstalt“).

Die Philharmoniker beklagten zudem die schlechte Akustik und zogen in ein anderes Haus nach Sendling um. Schon ab 2021 sollte das Gasteig von der Stadt München saniert werden, doch bisher kam es wegen fehlender finanzieller Mittel nicht dazu. Seitdem gibt es eine Zwischennutzung mit verschiedenen Kulturprojekten. Die Schachmeisterschaft gehört auch dazu. Große Teile des Hauses stehen jedoch leer. Jede andere größere Stadt würde sich allerdings nach so einem großen Kulturzentrum die Finger lecken - auch so, wie es jetzt ist. Ein kultiges Extra ist eine Dachterrasse über dem dritten Stock mit einem schönen Blick über die Dächer von München.

Für die Schachmeisterschaften ist das geräumige Haus ideal. Die beiden Meisterturniere finden in der so genannten Blackbox statt. Zuschauer können auf gleicher Ebene in zwei Reihen sitzen oder von einer Empore aus den Gang der Dinge verfolgen.

Christof Keymer und Klaus Bischoff

Im gleichen Stockwerk, ein paar Meter weiter, werden auch die beiden Kandidatenturniere gespielt. Hier spielen die Meister und Meisterinnen der Landesverbände und hoffen auf einen guten Platz und vielleicht die Qualifikation zum Meisterturnier. Die Spieler und Spielerinnen der Kandidatenturniere haben für ihre Turniere reichlich Platz.

Im Offenen Kandidatenturnier hat sich der 17-jährige Bennet Hagner mit 4,5 Punkten nach fünf Runden an die Spitze gesetzt.

Bennet Hagner

Der 13-Jährige Christian Glöckler mischte auch oben mit, verlor aber in Runde fünf gegen Hagen Poetsch. Eine Runde zuvor hatte der Großmeister schon gegen den gleichaltrigen Hussain Besou gewonnen. Am Mittwoch treffen die beiden Youngster in Runde sechs aufeinander.

Im Frauenwettbewerb führt Dora Peglau, deren Schwester Charis im Meisterturnier mitspielt.

Finanziell kommen diese starken Meisterschaften durch das Engagement von Roman Krulich (Krulich Immobilien) und Gernot Gauglitz (UKA) zustande, beide langjährige Unterstützer des Deutschen Schachbundes. Die Stadt München gab ebenfalls einen ansehnlichen Zuschuss. Roman Krulich nahm sich auch die Zeit, das Turnier besuchen. Außer ihm waren viele weitere bekannte Persönlichkeiten des deutschen Schachs vor Ort. Der Deutsche Schachbund ist mit einer größeren Mannschaft angereist, sorgt für die Organisation und begleitet das Turnier mit einer intensiven multimedialen Berichterstattung. Klaus Bischoff kommentiert mit wechselnden Co-Kommentaren über Stunden live.

DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach ist während des ganzen Turniers in München und freut sich über den reibungslosen Ablauf. Mit ihren Gedanken ist sie aber schon bei der nächsten Meisterschaft, für die schon einige wichtige organisatorische Vorarbeiten geleistet wurden. Ende des Monats steht zunächst aber der DSB-Wahlkongress in Paderborn an. Der Berliner Verbandspräsident Paul Meyer-Dunker hat auch seinen Hut in den Ring geworfen.

Zum guten Ton gehört es, dass prominente Schachfreunde bei hochklassigen Turnieren den ersten Zug ausführen. Am Sonntag war das beispielsweise Helmut Pfleger, der öfters beim Turnier vorbeischaut. Am Montag eröffnete der DSB-Ehrenpräsident Robert von Weizsäcker die Runde.

Ingrid Lauterbach, Robert Weizsäcker, Kevin Högy

Zum umfangreichen Rahmenprogramm gehört eine Ausstellung mit großformatigen Bildern von Stev Bonhage.

Der Fotograf hat sich mit vielen tollen Schachfotos einen Namen in der Schachwelt gemacht und hat viele gute Ideen, wie man Schach noch besser ins Bild setzen kann.

Am Dienstag gedachten einige Weggefährten der kürzlich verstorbenen Weltklasse-Großmeister Robert Hübner und Vlastimil Hort. Hübner starb Anfang des Jahres nach langer schwerer Krankheit. Vlastimil Hort folgte ihm am 12. Mai infolge seines Diabetes. Harry Schaack moderierte einen „Round Table“, bei dem Klaus Bischoff, Stefan Kindermann, Helmut Pfleger, André Schulz und Johannes Fischer ihre Erinnerungen und Beobachtungen zu Robert Hübner und Vlastimil Hort teilten.

Die Großmeister Hans-Joachim Hecht und Helmut Pfleger

Am Mittwoch folgt eine Gedenkveranstaltung zu Ehren von Wolfgang Unzicker anlässlich seines 100sten Geburtstages.

Turnierseite des Deutschen Schachbundes...

Ergebnisse bei Chess-results...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
Diskussion und Feedback Senden Sie Ihr Feedback an die Redakteure