Kramnik kam mit dem Zug, Carlsen beendete die Schule
Von Dagobert Kohlmeyer
Die 37. Dortmunder Schachtage begannen am Donnerstag mit drei interessanten
Partien. Einziger Sieger des Tages war Magnus Carlsen. Das Sechserfeld ist
erlesen, zu den Stammgästen Wladimir Kramnik, Peter Leko und Arkadij Naiditsch
gesellen sich dieses Jahr Magnus Carlsen, Etienne Bacrot und Dimitri Jakowenko.
Vier Spieler gehören zu den Top Ten, die Veranstaltung ergibt die Kategorie 20,
gehört also zu den weltweit stärksten Turnieren des Jahres.
Sparkassenchef Uwe Samulewicz, der die Spieler bei der Eröffnung herzlich
begrüßte, sagte: „Die Sommerzeit beginnt in Dortmund mit Schach der Extraklasse.
Ohne Geld geht nichts. Und die gute Nachricht ist, dass auch der Jahrgang 2010
des Chess-Meetings gesichert sei. „Die Kulturhauptstadt des kommenden Jahres
lässt grüßen“, fügte der Banker hinzu.
Vladimir Kramnik und
Uwe Samulewicz
Sein Institut hat sich in den vergangenen Monaten nicht verzockt wie andere und
kann dank vieler treuer Kunden getrost in die Zukunft blicken.
„Was die Kulturhauptstadt angeht, so hatte sich Essen seinerzeit beworben, und
das ganze Ruhrgebiet ist in die Sache involviert“, erklärte Veranstaltungsleiter
Gerd Kolbe. Zur Pressekonferenz gab es das obligatorische Gruppenfoto mit den
Großmeistern, nur einer der Schachstars fehlte…
Warten auf Kramnik. Der dreifache Weltmeister aus Russland erschien nicht zur
Auftakt-Pressekonferenz der Schachtage, war aber beim Eröffnungsbankett
pünktlich zur Stelle. „Ich habe den Zug von Paris genommen“, das ist bedeutend
angenehmer als mit dem Flugzeug zu kommen“, erklärte er. „Nicht wegen der
momentanen Luftfahrt-Katastrophen, mit der Bahn fährt man einfach viel
entspannter.“
Kramnik und DFL-Chef Rauball
Seit seiner WM-Niederlage gegen Anand in Bonn, der er nicht mehr nachtrauert,
hat Wladimir kein klassisches Schach mehr gespielt und ist jetzt wieder hungrig
auf neue Erfolge. „Beim Chess-Meeting in Dortmund lief es bisher immer sehr gut
bei mir“, sagte der achtfache Sieger, aber es ist auch klar, dass ich bei dieser
starken Konkurrenz der Gejagte bin“. Gleich in der ersten Runde musste der Russe
im Schauspielhaus mit Schwarz gegen Titelverteidiger Peter Leko spielen. Dieser
entschied sich für Katalanisch, begab sich also mutig auf Kramniks Territorium.
Hinterher sagte der Ungar, der als Einziger ins Pressezentrum kam: „Es war ein
Eröffnungsduell, bei dem Wladimir eine Variante spielte, die Topalow als
Nachziehender gegen in Elista gewählt hatte. Ich habe eine Neuerung gespielt –
14. Sbd2, aber er hat clever reagiert. Kramnik hatte seinerzeit gegen Topalow im
14. Zug rochiert. Heute hat er sehr präzise gespielt, zum Beispiel war es
wichtig, dass er Tab8 zog. So funktionierte ein von mir geplantes Qualitätsopfer
nicht mehr so gut. Ich musste also darauf verzichten und Vereinfachungen
zulassen. Nach dem Abtausch war es Remis. Wir sahen uns an, und es war klar, die
Sache ist remis.“
Insgesamt spielten die beiden zwei Stunden und führten dabei 24 Züge aus. Zuvor
ging Kramnik noch zum neuen Kaffeeautomaten hinter der Bühne, um sich zu
stärken. Schach ist heute nicht mehr alleiniger Lebenszweck von Kramnik, der mit
einer französischen Journalistin verheiratet und seit Ende Dezember Vater einer
bezaubernden Tochter ist. Die Familie hat jetzt für den 34-jährigen
Figurenkünstler oberste Priorität, denn im Schach hat er ja schon alles
erreicht.
Vollprofi Magnus Carlsen
Der Weltranglistendritte aus Norwegen startet nach 2005 zum zweiten Mal in
Dortmund. Vorigen Monat hat er erfolgreich die Schule beendet. Der 18-jährige
Norweger legte im heimatlichen Lommedalen, einem bekannten Wintersportort, die
letzten Prüfungen ab. Damit absolvierte er eine wichtige Etappe seines Lebens.
Jetzt kann er sich mit Fug und Recht Vollprofi nennen. Beim Frühstück im
Spielerhotel erzählte uns Magnus‘ Vater Henrik, dass es sich um ein
Sport-Gymnasium handelte und der dortige Abschluss des Jungstars mit dem Abitur
zu vergleichen sei. Magnus, der sich vor allem für Geografie und Geschichte
interessiert, habe momentan aber nicht die Absicht, ein Studium zu beginnen.
„Dafür spielt er zu gern Schach. Er konzentriert sich in der nächsten Zeit voll
auf seinen Beruf“, fügte Carlsen Senior hinzu. Nr. 3 der Schach-Weltrangliste
ist Carlsen schon seit vielen Monaten. Vor ihm liegen nur noch der Bulgare
Topalow und Weltmeister Anand aus Indien, die beide auch mehrmals in Dortmund
spielten. Magnus will aber noch weiter nach oben. Weil er jeden schlagen kann,
sehen viele in ihm bereits den künftigen Weltmeister. Auf der Homepage
www.sparkassen-chess-meeting.de
tippen die meisten auf ihn als Turniersieger.
Die Auftaktrunde wurde von Bürgermeisterin Birgit Jörder am Brett von Leko und
Kramnik eröffnet.
Bürgermeisterin Birgit Jörder macht den ersten Zug
Neben ihr stand DFL-Chef und BVB-Präsident Reinhard Rauball, der ebenfalls ein
großes Herz für Schach hat. Zuvor hatte Rauball auf der Bühne des
Schauspielhauses erfolgreiche Schachkinder geehrt, unter ihnen den deutschen
Meister U16 Patric Zelbel aus Dortmund. Sie erhielten Bücher, eine DVD zum 100.
Jubiläum von Borussia Dortmund und Eintrittskarten für das erste Heimspiel des
BVB.
Die übrigen Spiele der ersten Runde, zwei Spanier, dauerten bedeutend länger. Naiditsch
gegen Bacrot und Carlsen gegen Jakowenko absolvierten 40 Züge und mehr.
Der Norweger zwang dem Russen mit feinen Manövern in ein ungünstiges Endspiel,
das er nach vier Stunden im 49. Zug gewann.
„Heute war Taktieren und vorsichtiges Abtasten, aber auch Kampf zu sehen“,
erklärte Turnierdirektor Stefan Koth seine ersten Eindrücke. „Keiner will doch
gern mit einer Null ins Turnier starten.“
Jakowenko hat es aber erwischt. Für Spannung ist gesorgt.“