Fast vergessen, aber Weltklasse: William Ewart Napier - (1881 – 1952)

von Eugene Manlapao
20.10.2023 – Auf dem Höhepunkt seiner Karriere gehörte William Napier zu den besten Spielern der Welt und erzielte in internationalen Turnieren eine Reihe von Erfolgen. Dennoch ist Napier heutzutage fast vergessen, und hätte er nicht eine spektakuläre Partie gegen Emanuel Lasker verloren, würde man sich vielleicht gar nicht mehr an ihn erinnern. Um das zu verhindern, lässt Eugene Manlapao die Höhepunkte der Schachkarriere dieses bemerkenswerten Spielers Revue passieren.

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Auf William Ewart Napier stößt man heute vielleicht nur noch in einer Sammlung klassischer Partien. Seine berühmte Partie gegen Emanuel Lasker in Cambridge Springs im Jahre 1904 scheint so ziemlich der einzige Fußabdruck zu sein, den er in der Schachgeschichte hinterlassen hat. Dennoch war er ein sehr starker Meister, der weit stärker spielte als ein Amateur. Es war ein Verlust für das Schach, als er das Spiel aufgab, um sich einer anderen Karriere zu widmen.

Napier wurde am 17. Januar 1881 in East Dulwich, Surrey, England geboren. Als er fünf Jahre alt war, wanderten seine Eltern in die Vereinigten Staaten aus. Ab 1895 lebten die Napiers in Brooklyn und William lernte die besten Schachspieler des Landes kennen.

Napier erzielte seine ersten Erfolge in Simultanpartien und besiegte unter anderem Jackson Showalter, den damaligen US-Meister. 1896 wurde er Mitglied des Brooklyn Chess Club und gewann im selben Jahr die Clubmeisterschaft. Später im selben Jahr spielte er gegen Frank Marshall ein Match, in dem derjenige zum Sieger erklärt wurde, der zuerst sieben Partien gewann. Marshall, Jugendmeister des Staates New York, war vier Jahre älter als Napier, aber obwohl Marshall über mehr Erfahrung verfügte und nominell Favorit war, gewann Napier den Wettkampf klar mit 7:1. In einem Dreierturnier mit Napier, Wilhelm Steinitz und Samuel Lipschutz im Jahre 1897 gewann Napier eine seiner beiden Partien gegen Steinitz.

Als Napier 1899 nach Europa reiste, um Musik zu studieren, besuchte er Schachklubs in London, Paris und Berlin. Im Jahr 1900 kehrte er in die Vereinigten Staaten zurück, ließ sich in Pittsburgh nieder und veröffentlichte eine Kolumne in der Zeitung Pittsburgh Dispatch. Im folgenden Jahr wurde er beim Meisterturnier des New York State Chess Association Congress, das in Buffalo, New York, stattfand, Zweiter hinter Harry Nelson Pillsbury. Marshall, der andere prominente amerikanische Meister, der an diesem doppelrundigen Turnier teilnahm, wurde Vorletzter, vier Punkte hinter Napier.

Napiers Erfolg ermutigte ihn zur Teilnahme an internationalen Wettkämpfen. In Monte Carlo belegte er im Februar 1902 den 11. Platz unter zwanzig führenden Meistern der Welt, gewann aber gegen David Janowski, Mikhail Chigorin, Jacques Mieses und Adolf Albin. Seine Partie gegen Tschigorin erhielt den Schönheitspreis des Turniers.

Im Juli desselben Jahres belegte Napier beim 13. Kongress des Deutschen Schachbundes in Hannover einen starken fünften Platz hinter Janowski, der das Turnier gewann, Pillsbury, Henry Ernest Atkins und Mieses. Diesmal war es Napiers Sieg über Curt von Bardeleben, der ihm den Schönheitspreis einbrachte. Und Napiers Sieg gegen Pillsbury hatte Auswirkungen auf das Endergebnis und führte dazu, dass Janowski am Ende gewann.

Napier nahm auch an einem der größten Turniere teil, das jemals auf amerikanischem Boden ausgetragen wurde, Cambridge Springs 1904, an dem mit Ausnahme von Siegbert Tarrasch und Geza Maroczy alle führenden Spieler der Welt dabei waren. Überraschend gewann Napiers amerikanischer Landsmann Marshall.

Der Schönheitspreis des Turniers ging an Pillsbury für seine Partie gegen Lasker, doch Napier erhielt für seine Partie gegen John Finan Barry den zweiten Schönheitspreis. Doch die vielleicht bemerkenswerte Partie des Turniers war der Kampf zwischen Napier und Lasker. Die Partie war äußerst komplex und wurde von Generationen von Kommentatoren analysiert und unterschiedlich bewertet. Moderne Computeranalysen haben Fehler entdeckt, aber Lasker und Napier haben nach menschlichen Ermessen ausgezeichnet gespielt.

Trotz seiner Niederlage bezeichnete Napier die Partie als die beste, die er je gespielt habe. Es wird erzählt, dass Napier und Lasker den Organisatoren vorgeschlagen haben, dieser Partie den Schönheitspreis zu verleihen. Angeblich soll Lasker zu Napier gesagt haben: "Es ist deine Glanzpartie, obwohl ich gewonnen habe".

Kurz nach dem Turnier in Cambridge Springs kehrte Napier nach Europa zurück und nahm am Turnier des City of London Chess Club 1904 teil. Das Feld bestand aus erfahrenen Spielern wie Richard Teichmann, Joseph Henry Blackburne und Isidor Gunsberg, aber es war Napier, der mit 9 Siegen, 7 Remis und keiner Niederlage den ersten Platz belegte.

Nur zehn Tage nach dem Londoner Turnier nahm Napier an der Britischen Meisterschaft 1904 in Hastings teil, wo er aufgrund seiner englischen Herkunft startberechtigt war. Nach elf Runden lag Napier gemeinsam mit Henry Ernest Atkins auf dem ersten Platz, beide mit anderthalb Punkten Vorsprung vor Blackburne. Die Entscheidung über den Turniersieg fiel in einem Match über vier Partien zwischen Napier und Atkins.

Die britische Meisterschaft endete im September 1904, aber der Wettkampf wurde erst im Januar 1905 gespielt, also mehr als drei Monate später. Die Yorkshire Post and Leeds Intelligencer berichtete in ihrer Ausgabe vom 3. Januar 1905: "Bei einem Turnier der Britischen Schachföderation in Hastings im August konnte der Titel des Englischen Meisters und die dazugehörige Goldmedaille nicht vergeben werden, da Napier und Atkins punktgleich Erste wurde. Die beiden Meister trafen nun in Hastings erneut aufeinander, um in einem Wettkampf über vier Partien um den Titel zu kämpfen."

Vor dieser Begegnung hatten Napier und Atkins zweimal gegeneinander gespielt - einmal in Hannover 1902 und einmal bei der Britischen Meisterschaft. Da beide Partien unentschieden endeten, versprach das Finale spannend zu werden. Und so war es auch, wobei Napier in der zweiten Partie den einzigen Sieg errang und so der erste britische Schachmeister wurde. Atkins wurde in der Folge allerdings einer der beherrschenden Spieler in der Geschichte der britischen Meisterschaften und gewann den Titel neun Mal.

Nach 1905 spielte Napier kein ernsthaftes Schach mehr. Doch 1905 bestritt er noch zwei Wettkämpfe, einen mit Mieses, der 4-4 unentschieden endete, und einen mit Teichmann, den er 1-5 verlor. Außerdem Napier ein Rice-Gambit-Wettkampf gegen seinen alten Rivalen Marshall, den er mit 3-1 gewann.

Doch im Alter von 24 Jahren zog sich Napier vom Schach zurück und begann eine Karriere im Versicherungswesen. 1908 wurde er amerikanischer Staatsbürger und stieg zum Vizepräsidenten der Scranton Insurance Company auf. Später heiratete er Florence Gillespie, die Nichte seines Konkurrenten Pillsbury, mit der er zwei Töchter hatte.

Laut Chessmetrics erreichte Napier 1906 mit 2662 Punkten seine höchste Ratingzahl, und 1905 kam er in seinem Wettkampf gegen Marshall auf eine Rating-Performance von 2725, aber als er im Alter von 71 Jahren starb, war seine Schachkarriere fast vergessen.

Napier war nicht nur ein guter Schachspieler, sondern auch ein hervorragender Autor. Er schrieb ein Buch mit dem Titel "Napier's Amenities and Background of Chess-Play", das in drei Teilen zwischen 1934 und 1935 veröffentlicht wurde. Hätte er weiter gespielt, wäre er so witzig und zitierfähig gewesen wie Savielly Tartakower. Hier sind einige Zitate aus seinem Buch:

  • ‘Im Labortest erweisen sich alle Gambits als schlect, aber dennoch ist die alte Regel, dass am Brett alle Gambits gesund sind, immer noch gültig.’
  • ‘Ich habe Pillsbury einmal gefragt, ob er sich nach irgendwelchen Regeln richtet, wann er rochieren sollte. Er meinte, seine Regel gelte absolut und sei wichtig: man soll rochieren, wenn man es möchte oder es muss; aber nicht, weil man kann.’
  • ‘John McCutcheon aus Pittsburgh und wegen seiner Analysen der Französischen Verteidigung auf ewig berühmt, sagte über Eröffnungsvarianten gerne, "Nicht neu, aber alt genug, um neu zu sein."
  • [Über James Mason] ‘Als Spieler hatte er die einzigartige Fähigkeit, sich sechs mühevolle Stunden kompetent durchzulavieren, um dann in der siebten Stunde zu glänzen. Andere Spieler haben es ähnlich gemacht, aber den Glanz in der siebten Stunde vergessen.’
  • ‘Wenn ich sehe, wie jemand in der Eröffnung zum Läuferspiel greift, denke ich an die erste von vielen Lektionen, die ich als junger Mann von Steinitz erhielt. Er sagte: "Natürlich entwickt man seine beiden Springer vor den Läufern. Und weißt du warum?" Ich war um eine kluge Antwort verlegen. Er fuhr fort: "Ein guter Grund ist, dass man weiß, wohin der Springer gehen, bevor man das über den Läufer weiß; Wissen ist ein viel besserer Freund als Zweifel."

Napiers Rückzug vom Schach war ein großer Verlust für das Spiel. Hätte er weitergespielt, hätte er seinen Höhepunkt im zweiten oder dritten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erreicht, dem goldenen Zeitalter des Schachs. Was hätte er erreichen können? So war seine Karriere kurz, aber voller Leidenschaft, und er schaffte es, mit seinem Talent, das sicher den Besten seiner Zeit ebenbürtig war, weit nach oben zu kommen.

Quellen

Partien

Lasker vs. Napier, Cambridge Springs, Runde 3, 28. April 1904

Napiersberühmte Partie gegen Lasker. In einem Drachensizilianer beginnt Lasker einen Angriff am Königsflügel, aber lässt seinen König im Zentrum stehen. Napier öffnet das Zentrum und es kommt zu einem taktischen Schlagabtausch.

Napier vs. Chigorin, Monte Carlo, Runde 20, 10. März 1902

Der Schönheitspreis beim Turnier in Monte Carlo 1902. Napiers Übergewicht im Zentrum führt zusammen mit der offenen g-Linie zu entscheidendem Angriff.

Von Bardeleben vs. Napier – Hannover, Runde 10, 1. August 1902

Napier opfert eine Figur, um von Bardelebens König zu exponieren und Unordnung in der gegnerischen Stellung zu stiften. Im weiteren Verlauf der Partie nutzt Napier seine Initiative wunderschön aus.

Barry vs. Napier, Cambridge Springs, Round 1, 25. April 1904

The game that won the second brilliancy prize in Cambridge 1904. Napier was a highly skilled positional as well, as this game shows.

Marshall vs. Napier, Brooklyn, New York, Runde 1, 8. Oktober 8, 1896

Napier überrennt Marshall bereits in der Eröffnung.

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Eugene hat kreatives Schreiben an der University of the Philippines, Diliman, studiert und Schach und Schreiben sind seine Leidenschaften. Oft nimmt ihn das eine so sehr in Anspruch, dass er das andere völlig vernachlässigt. Zu seinen weiteren Interessen gehören klassische Literatur, Sport und bildende Kunst. In seiner Freizeit kümmert er sich um seine beiden reizenden Töchter.