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Mark Taimanow mit Gattin Nadja und Garry Kasparow in Zürich 2011
Er ist eine lebende Legende und ein Jahrhundertzeuge. Wenn Mark Taimanow am Sonntag seinen 90. Geburtstag begeht, kommen zahlreiche Gäste nach St. Petersburg. Der liebenswürdige russische Großmeister und begnadete Pianist hat viele Freunde. In seiner langen Karriere begegnete er allen großen Schachspielern der Welt, aber auch einer Vielzahl von Persönlichkeiten der Zeitgeschichte wie Churchill, Chrustschow und Fidel Castro. Der Autor dieses Beitrags hatte in den vergangenen Jahrzehnten häufig Gelegenheit, Mark Taimanow zu treffen, wobei jede Begegnung ein großer Gewinn war. Vor dem Jubiläum führte ich ein Telefonat mit dem nach Juri Awerbach zweitältesten lebenden Großmeister der Welt.
Guten Tag Mark. Wie geht es Dir und Deiner Familie?
Wir freuen uns alle auf den Sonntag und hoffen, bis dahin eine leichte Erkältung überwunden zu haben.
Wie fühlt sich das Alter an?
In einem Lied meines Freundes Leonid Sorin (ein bekannter russischer Schriftsteller - D.K.) heißt es: „Weißt du, was das Übel am Alter ist? Nicht, dass du älter wirst, sondern, dass alle um dich herum so jung sind.“ Meine alten Tagte werden aber durch meine beiden Kinder Mascha und Dima versüßt.
Wo feiert Ihr das Jubiläum?
Das tun wir in den Räumen meiner St. Petersburger Schachschule. Es kommen etwa 60 Gäste.
Wann wurde Deine Schachakademie gegründet?
Vor fast zwei Jahren. Sie befindet sich im Zentrum der Stadt in der Nähe des Newski Prospekts und ist für den Schachnachwuchs gedacht. Wir haben etwa 80 Schüler im Alter von Jahren.
Gibt es unter den Zöglingen der Taimanow-Schule besondere Talente?
Das ist im Moment noch schwer zu sagen, denn bei uns werden sehr junge Schachspieler zwischen fünf und zwölf Jahren ausgebildet. Erst die Zukunft kann zeigen, wie gut und erfolgreich sie sind.
Wer unterstützt dieses Projekt?
Es gibt Mäzene und Sponsoren, der Schachverband hilft natürlich auch. Ich selbst bin der Präsident und meine Frau Nadeshda ist die Direktorin der Schule. Die Schüler bezahlen einen kleinen Beitrag für den Unterricht.
Trotz Deines fortgeschrittenen Alters gehst Du immer noch auf Reisen. Zum Beispiel kommst Du jedes Jahr nach Dresden zum Treffen der Großmeister Ü75. Auch in diesem Jahr?
Ich hoffe, diese schöne Tradition bleibt bestehen. Es ist ja kein hartes Turnier, sondern eine freundschaftliche Begegnung mit lieben Großmeister-Kollegen wie Fridrik Olafsson, Wolfgang Uhlmann und anderen. Ich sehe die alten Gefährten immer wieder gern. Dann werden viele Erinnerungen ausgetauscht.
Mark Tajmanow, Boris Spasski, Jewgeni Wasjukow in Dresden
Mit Wolfgang Uhlmann bist Du ja seit sehr langer Zeit befreundet...
Mark Taimanow 1970
Das stimmt, mehr als ein halbes Jahrhundert. Es sind sogar 60 Jahre. Wir haben viele Wettkampfpartien gegeneinander gespielt. Besonders in Erinnerung ist mir unser Duell beim Match des Jahrhunderts „Sowjetunion gegen den Rest der Welt“ 1970 in Belgrad. Dort konnte ich Wolfgang 2,5:1,5 besiegen.
Zu Deinen Opfern gehörte einst auch Anatoli Karpow. Zeigst Du Deinen Schülern gern diese Partie?
Nun, sie haben ja alle Computer und Datenbanken. Es ist auch nicht meine einzige Glanztat auf den 64 Feldern.
Karpow – Taimanow, Leningrad 25.06.1977
Die Liste Deiner Erfolge ist lang. Welches waren die wichtigsten?
Ich war zweimal UdSSR-Landesmeister, Olympiasieger 1956 mit dem Team der Sowjetunion und spielte 1971 ein spektakuläres WM-Kandidatenmatch gegen Bobby Fischer. Auch wenn dieses Duell auf Grund sehr ungünstiger Umstände 0:6 für mich ausging, gehört es zu meinen größten Erlebnissen und wird immer Teil der Schachgeschichte bleiben. Der Senioren-Weltmeistertitel 1994 in der Schweiz war dann eine späte Genugtuung für mich.
Happy birthday, Mark! Eine schöne Feier und alles Gute! In zehn Jahren sprechen wir uns wieder.
Die 6. Partie in Vancouver
In seiner langen Karriere hat der Jubilar Mark Taimanow viel gesehen und erlebt. Hier ein paar Episoden.
Der Großmeister aus St. Petersburg (das einige Jahrzehnte lang Leningrad hieß) sah in seiner Schachlaufbahn viele Staatsmänner kommen und gehen. Seine erste Dienstreise als Profi ins Ausland wurde noch von Stalin persönlich unterschrieben. „Der Generalissimus verlangte von uns nur eines, den Sieg. David Bronstein und ich teilten dann beim Turnier in Liverpool überlegen den ersten Platz. Anders hätten wir uns auch nicht wieder zurück nach Hause gewagt“, resümiert Taimanow heute. Im Juli 1954 begegnete der Großmeister und Konzertpianist bei einem Gastspiel in London auch Winston Churchill. In seiner Autobiographie schildert Taimanow diese Begegnung. „Es war im britischen Unterhaus. In einer Parlamentspause traf ich den englischen Premier dort in der Bar. Sir Churchill wollte etwas über Schach wissen, und ich fragte ihn, was er raucht und trinkt. Er antwortete: „Havanna-Zigarren und armenischen Kognak.“
Mark Taimanow wurde neben seiner großen Schachbegabung noch ein weiteres Talent geschenkt. Als Konzertpianist feierte er nicht weniger Erfolge. Gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau Ljubow Bruk gastierte er in vielen Ländern. Legendär war ihr Mozart-Konzert für zwei Klaviere und Sinfonieorchester in Berlin und anderen Metropolen. 1998 erschien bei „Philips“ in der Reihe „Die größten Pianisten des 20. Jahrhunderts“ eine Doppel-CD mit Aufnahmen des Duos Bruk & Taimanow. Noch heute empfindet Mark Jewgenjewitsch dies als besondere Ehre. Nach der Trennung des Ehepaares gastierte Taimanow als Solist weiter, auch am Rande von Schachevents. Etliche Male konnte der Autor bei den Turnieren Ladies - Veteranen Marks Virtuosität am Flügel sowie den großartigen Gesang von Exweltmeister Wassili Smyslow bewundern.
Mark Taimanow ist ein Frauenfreund und zum vierten Mal verheiratet. „Ich habe nie monogam gelebt, denn die Liebe erhält jung“, erzählte mir der vitale Großmeister augenzwinkernd am Rande des Matchs „Ladies gegen Veteranen“ 1996 in London. Seine aktuelle Ehefrau Nadjeshda ist 35 Jahre jünger. Sie schenkte ihm vor zwölf Jahren noch Zwillinge. „Maria und Dmitri sind mein ganzes Glück“, betont Mark. Auf meine Frage, ob Nadja seine letzte Ehefrau sein wird, erwiderte Taimanow vor zwanzig Jahren voller Überzeugung: „Ja, sie ist mein Schwanengesang. „Da bin ich nicht so sicher“, warf Nadja seinerzeit lächelnd ein. „Vielleicht geht Marks nächste Ehefrau gerade in die achte Klasse…?“
Der Mann ist einfach "forever young"!