Kasparow in Berlin: Gefragt als Redner
und Buch-Signierer
Von Dagobert Kohlmeyer
Kasparow in Berlin
Der Schachzar hielt Hof in Berlin. Gemeinsam mit seiner neuen Frau Daria
besuchte Garri Kasparow erstmalig nach seinem Rücktritt vom Profischach die
deutsche Hauptstadt. Der 42-jährige hatte ein volles Programm. Im Konzerthaus am
Gendarmenmarkt nahm er an der Verleihung der diesjährigen Politikawards teil und
hielt eine Laudatio auf den ehemaligen SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo
Wasserhövel. Dieser hatte den Wahlkampf der SPD derart gut gemanagt, dass eine
Regierungsbeteiligung erreicht wurde, mit der kaum jemand rechnete. Kasparow
lobte, dass Wasserhövel dieses Spiel, das von Anfang an so schlecht ausgesehen
hat, wie ein Großmeister gespielt habe.
Tags darauf hielt Kasparow die Eröffnungsrede bei einem hochkarätigen
internationalen Wirtschaftsforum. Nach Beurteilung von Augenzeugen hat Garri
dort ohne Manuskript gesprochen und eine brillante Figur abgegeben. Eine
Einladung ins n-tv-Studio zu Sandra Maischberger bekam Kasparow ebenfalls.
Mittwochnachmittag ging es zum Springer-Verlag, wo Garri sein neues, in der
Edition Olms erschienenes Buch „Schachmatt“ signierte, mit dem er Kinder für das
königliche Spiel begeistern möchte. 35 Prozent des Erlöses aus dem Verkauf der
Bücher gingen an diesem Tag an die verdienstvolle Hilfsorganisation „Ein Herz
für Kinder“.
Es war eine große Schlange, die sich schon lange vorher formierte, ehe der
Exweltmeister mit seiner Begleitung eintraf. Stefan Frübing, der amtierende
deutsche Meister U18 von der SV „Glück auf“ Rüdersdorf spielte, um die Wartezeit
zu verkürzen, freie Partien gegen interessierte Schachfreunde.
"Kasparow ist mein großes Vorbild“, sagte der 17-jährige Gymnasiast. „Ich
bewundere an ihm nicht nur sein unglaubliches taktisches Können, auch die
Koordination der Figuren stimmte bei ihm wie bei kaum einem anderen.“
Stefan Frübing
Eine Rentnerin war die Erste, die für ihren
Enkel Maximilian das Kinderbuch mit Widmung erstand.
IM Rene Stern, der in der Nähe arbeitet, kam
mit seinem Sohn Watson.
Zu kaufen gab es natürlich auch die ersten
vier Bände der Kasparow-Reihe „Meine großen Vorgänger“.
Verleger Manfred Olms war aus der Schweiz angereist und freute sich über den
Ansturm auf die Bücher. Während Garri fleißig Autogramme für Jung und Alt
schrieb, war Gelegenheit für unseren Reporter zum Gespräch mit dem Chef der
Edition Olms.
"Die Kasparow-Reihe wird auf zehn Bände ausgedehnt!“
Interview mit dem Verleger Manfred Olms
Von Dagobert Kohlmeyer
Manfred Olms mit Garry Kasparov
Herr Olms, Ihre bisher größte verlegerische Herausforderung im Schachbereich
ist die Kasparow-Reihe „Meine großen Vorkämpfer“. Wie kamen Sie auf die Idee?
Seit zirka fünf Jahren habe ich Kontakt mit Kasparow. Die Idee kam über das
Management von Garri. Von Anfang an war geplant, möglichst zeitgleich die
englische, französische und deutsche Ausgabe herauszubringen.
Inzwischen nimmt das Ganze ja viel größere Formen an. In wie vielen Sprachen
wird es diese Bücher geben?
Die Weltmeister-Reihe wird gegenwärtig, so viel ich weiß, in elf Sprachen
herausgegeben. Insgesamt sollen es einmal 15 werden. Kasparows Manager Owen
Williams, der auch nach Garris aktiver Schachkarriere immer noch für ihn tätig
ist, hat eine große Aktie daran.
Die Sache hat also eine Eigendynamik bekommen?
So ist es. Ursprünglich waren von uns vier Bände geplant. Garri hat aber beim
Schreiben so viel Freude entwickelt, dass die einzelnen Anteile, also
Manuskripte pro Weltmeister immer mehr angewachsen sind. Und es sieht nun so
aus, dass es nicht vier sind, sondern mehr als das Doppelte. Zwischenzeitlich
hatten wir mal sechs Bücher ins Auge gefasst. Jetzt sieht unsere Planung
insgesamt zehn Bände vor!
Das heißt, dann bekommen die nächsten Champions jeder einen Band extra…
Ja, ab Bobby Fischer. Der Amerikaner zum Beispiel erhält deshalb einen ganzen
Band, weil sein Schaffen so ergiebig ist. Wir schätzen den Umfang auf irgendwo
zwischen 500 und 600 Seiten. Es ist der sechste Band, der im April 2006
herauskommen soll.
Und welche Themen behandeln die restlichen Bücher?
Nach dem Karpow-Band gibt es noch ein Buch, das untertitelt ist mit
„Eröffnungsrevolution“. In ihm geht es um die Kämpfe in den 80er Jahren gegen
Anatoli Karpow. Dort wird die Epoche in diesem Lichte noch einmal beleuchtet.
Weil sich damals auf dem Gebiet sehr, sehr viel getan hat. Und der letzte Band
wird Garri Kasparows wichtigste Partien enthalten. Dort kommentiert er
ausführlich die besten Spiele seiner beispiellosen Karriere.
Nun wissen wir ja, dass Kasparow bei diesem gewaltigen Vorhaben einen
Helferstab hat. Allein kann man als viel beschäftigter Mann so eine Arbeit nicht
bewältigen. Warum aber, Herr Olms, schrieb er nur über seine Vorgänger? Sind die
Nachfolger Kasparows auf dem Schacholymp nicht einer literarischen Würdigung
wert, zum Beispiel Wladimir Kramnik, der ihn entthront hat?
Die Reihe war von Beginn an so konzipiert gewesen. Und auf Kramnik ist Garri ja
sicher noch böse, weil dieser ihm kein Revanchematch gab. Ich denke, dass ein
solches Duell auch nicht mehr stattfinden wird. Aber wer weiß, vielleicht in
zehn Jahren?! (lacht).
Waren Karpow und Kasparow in Ihren Augen die letzten großen Champions der
Schachgeschichte?
Man könnte den Eindruck gewinnen, weil hinterher die ganzen Querelen mit der
FIDE begannen und es bis heute mehrere Schachweltmeister gleichzeitig gibt.
Weselin Topalow, so scheint es, wird nach seinem triumphalen WM-Erfolg von
San Luis von der breiten Schachöffentlichkeit wieder als ein großer Champion
angesehen. Sollte man ein Buch über den bulgarische FIDE-Weltmeister
herausgeben?
Es bietet sich an. Wir wissen, dass Topalow gern ein Buch mit seinen besten
Partien veröffentlichen möchte und daran arbeitet. Deshalb verhandeln wir
derzeit mit seinem Management über die Modalitäten. So ein Buch hätte bei uns in
jedem Fall Priorität.
Vorbild Churchill
Vorab hatte Kasparow der Bild-Zeitung im Nobelhotel Adlon ein Interview gegeben,
in dem er Winston Churchill als sein politisches Vorbild bezeichnete. Der
britische Staatsmann habe für seine Werte eingestanden, die heutigen Politiker
hingegen seien keine Visionäre. Als sein größtes künftiges Ziel nannte es
Kasparow, die Opposition in Russland zu einen und gegen Putin anzutreten. Seine
politische Arbeit, so verriet Garri, werde von Bargeld-Spendern finanziert, die
jedoch anonym bleiben wollen. Seinen Personenschutz bezahle er selbst. Dieser
bestehe aus zwei Bodyguards zu Hause und vier Leibwächter auf Reisen.