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Ein Besuch beim Kandidatenturnier
Text und Fotos: Frank Behrhorst
Die Umgebung
Großmeister Thomas Luther brachte mich auf die Idee nach Khanty-Mansiysk zu fahren. Er sagte, das sei kein Problem und landschaftlich reizvoll. Da ich mich darüber geärgert hatte, letztes Jahr das Kandidatenturnier in London verpasst zu haben, war ich diesmal schlauer. Khanty-Mansiysk liegt nur etwas nördlicher als Oslo, Deutschland befindet sich fünf Zeitzonen entfernt, Tokyo nur drei.
Blick auf Khanty-Mansiysk
Im März liegt immer noch viel Schnee und abends pfeift bei -10°C gerne eisiger und starker Wind durch die Straßen.
"Eiscafé" von innen
Wenn ich mein Hotelzimmerfenster einen Spalt öffne, pustet er herein und durch die Klappen der Klimaanlage gleich wieder hinaus. So war ich angenehm überrascht, als ich am Tag vor meiner Abreise bei strahlend blauem Himmel die Sonne sah. Also organisierte ich noch schnell einen privaten Ausflug. Eingerichtet ist man auf solche Wünsche hier offenbar nicht. Die Gegend ist noch nicht so für Touristen erschlossen, es gibt zum Beispiel auch keine Postkarten. Aber ich konnte einen Fahrer finden und als Fremdenführerin hatte ich eine charmante Englischlehrerin.
Zunächst schauten wir uns die alte Stadt an. Sie besteht aus braunen Holzhäusern, die aber immer mehr modernen Bauten weichen.
Typisches Holzhaus
Die Stadt gehört wegen der immensen Ölvorkommen zu den reichsten Städten Russlands. Trotzdem ist die sehr gut und von Umweltschäden merkt man in der Stadt nichts. Das nächste Ölfeld ist 60 km entfernt. Nach einem Blick auf das auch international bekannte Biathlonzentrum fuhren wir zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man die beiden großen Flüsse Orb und Irtysch sehen kann. Im Sommer jedenfalls. Jetzt war nicht recht auszumachen, wo Fluss und wo Land ist. Die Flüsse waren zugefroren und alles vom Neuschnee bedeckt.
Wo ist Land, wo ist Wasser?
Nur ein paar Eisangler sah man. Im Sommer kann man von Deutschland aus eine Kreuzfahrt auf diesen Flüssen buchen. Dann soll es bis zu 30°C warm werden, aber gibt es wohl mehr Mücken als Touristen.
Zum Schluss fuhren wir noch ein Stück aus der Stadt raus. Auf dem Weg kamen wir an einem großen Hotelkomplex vorbei, der extra für die Schacholympiade 2010 gebaut worden war. Als ich meinen Tischnachbarn beim Frühstück fragte, ob er sich schon mal die Umgebung angesehen hätte, sagte er: "Nein, wozu? Da gibt es nur Wald." Er meinte, er schätze an Khanty-Mansiysk, dass man sich gut auf Schach konzentrieren kann. Das war früher in Gausdal/ Norwegen ähnlich.
Wer Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, findet die im Winter sicher.
Die Landschaft erinnert in der Tat an Skandinavien. Außerhalb der Stadt lag der Schnee ungefähr einen halben Meter hoch. An einem kleinen Aussichtspunkt bereiteten einige Shanten oder Mansen, das sind die Namen der hier lebenden Volksgruppen, bei -4°C ein Picknick vor. Als wir nach Khanty-Mansisk zurückkamen, hatte schon wieder Schneetreiben eingesetzt.
Der Spielort
Die Ugra-Chessacademy wurde speziell für Schachturniere, Schachunterricht und andere Schachveranstaltungen gebaut. Es ist ein futuristisch anmutendes dreistöckiges Gebäude eines holländischen Architekten, angeblich der Form einer Schachfigur nachempfunden.
Das Foyer ist großzügig. Es gibt eine Sicherheitskontrolle, auf einer großen Ausstellungsfläche sind mehr oder minder schöne Schachkunstobjekte zu sehen, einen großen, eigentlich immer leeren Analyseraum, einen Raum, in dem die Zuschauer die russische Live-Kommentierung verfolgen können, einen eher kleinen und immer vollen Presseraum, in dem auch die Pressekonferenzen jeweils nach den Partien abgehalten werden, und viele weitere Räume.
Glasschach mit vielen Autogrammen
Im ersten Stock ist der große Veranstaltungsraum, ein großzügiger Theatersaal mit einigen Nebenräumen für die Spieler. Die Spielbedingungen in diesem Saal erscheinen ideal. Kramnik war zunächst etwas unzufrieden mit seinem Stuhl, hat aber seit der zweiten Runde einen anderen. Der Einwand eines Journalisten, dass die Tische doch recht schmal seien, kommentierte Kramnik so: "Bisher hat es mich nicht gestört, aber ab jetzt wird es mich vielleicht doch stören". Hauptschiedsrichter Takis Nikolopoulos schritt energisch ein und erklärte, dass er genau nachgemessen hätte: "Die Maße der Tische stimmen mit den Anforderungen der FIDE überein."
Im Turniersaal ist es fast immer absolut ruhig. Dass die Spieler unter großer Anspannung stehen, merkt man nicht. Die größte Gruppe der Anwesenden stellen die Schiedsrichter, Mitglieder des Schiedsgerichts, Organisatoren, Türsteher, Sicherheitspersonal, Techniker usw. Der personelle Aufwand ist enorm. Die in der Regel russischen Medienvertreter halten sich im Presseraum auf, die kleinste Gruppe von allen bilden die Zuschauer. Obwohl der Besuch des Kandidatenturniers keinen Eintritt kostet, ist von den angeblich so schachbegeisterten Einheimischen nahezu niemand zu sehen. Aber russische Fernsehteams lassen sich hin und wieder blicken.
Zuschauer
Die Spieler werden vor dem Betreten des Spielerbereichs ähnlich wie am Flughafen mit einem Detektor auf metallische Gegenstände kontrolliert. Sie dürfen insbesondere keine Smartphones dabei haben. Dieses Verbot gilt auch für die Zuschauer, wird aber nicht kontrolliert und auch nicht eingehalten. Im Turniersaal ist niemand mit Smartphone zu sehen und geklingelt hat auch noch keins. Wegen der Leere des Raums und des relativ offenen Ruhebereichs der Spieler erscheint eine unbemerkte Kontaktaufnahme zu anderen - zum Beispiel zu einem Sekundanten - für die Spieler schwierig. Die Sekundanten sind während des Spiels in der Regel auch gar nicht im Turniersaal anwesend. Im gesamten Gebäude ist allerdings freies und schnelles WLAN ohne Passwort verfügbar. Wenn ich wissen will, wie eine Stellung beurteilt wird, gehe ich aus dem Spielsaal und verfolge die ChessBase-Übertragung.
Pressekonferenzraum
Auch bei den Pressekonferenzen nach jeder Partie ist der Andrang nicht groß. In der Regel berichtet vor allem der Sieger von der Partie. Nachfragen werden eigentlich nur zu außerschachlichen Dingen gestellt. Überraschend war, dass Kramnik in der Pressekonferenz Vitaly Klitschko als seinen Freund bezeichnete. Irgendwelchen politischen Ärger befürchtete er offenbar nicht. Die Atmosphäre ist erstaunlich locker.