Nona Gaprindashvili (geboren am 3. Mai 1941) stammt aus
Georgien, ist die sechste Frauenweltmeisterin (1962–1978) und die erste
Frau, die den Großmeistertitel der Männer verliehen bekam. In Zugdidi,
Georgien (das zu der Zeit zur Sowjetunion gehörte), geboren, war sie die
stärkste Schachspielerin ihrer Generation.
1961 gewann Gaprindashvili als 20-jährige das vierte
Kandidatenturnier der Frauen und erhielt damit das Recht, die russische
Weltmeisterin Elisabeth Bykova herauszufordern. Gaprindashvili gewann den
Wettkampf leicht mit 9-2 (+7−0=4). Vier Mal verteidigte sie ihren Titel
erfolgreich: drei Mal gegen Alla Kushnir (1965: 10–6; 1969: 12–7; 1972:
12–11) und einmal gegen ihre georgische Landsfrau Nana Alexandria (1975:
9–4). Ihre Krone verlor sie allerdings auch an eine Georgierin: Sie unterlag
1978 der 17 Jahre alten Maia Chiburdanidze mit 6½–8½ (+2−4=9).
Im Laufe ihrer Karriere hat Gaprindashvili auch mit
Erfolg an Männerturnieren teilgenommen. Sie gewann unter anderem das
Hastings Challengers 1963/4 und belegte in Lone Pine 1977 den geteilten
ersten Platz, was ihr eine Männer-Großmeisternorm einbrachte.
1978 wurde Gaprindashvili als erster Frau der
Großmeistertitel der Männer verliehen. Ihr wurde der Titel wegen ihres Siegs
in Lone Pine verliehen, wo sie ein Feld von 45 Spielern, die meisten davon
Großmeister, hinter sich ließ. Obwohl sie die Anforderungen für ein GM-Titel
technisch gesehen nicht erfüllt hatte, war dieses Ergebnis so spektakulär,
dass die FIDE es als ausreichend befand.
Zur EICC in Plovdiv wurde Nona Gaprinashvili vom
Bulgarischen Schachverband als Ehrengast und Mitglied des Schiedsgerichts
eingeladen.
Nona Terentieva, wie oft
warst Du schon in Bulgarien?
Dies ist das dritte oder
vierte Mal, dass ich hier bin, aber bislang habe ich immer in Turnieren in
den bulgarischen Badeorten gespielt. In Plovdiv war ich jedoch noch nie und
mir gefällt die Stadt sehr gut.
Was machst Du zur Zeit?
Ich bin Rentnerin und
beziehe eine Pension. Ich bin wirklich Pensionärin, obwohl ich nicht die
ganze Zeit zu Hause sitze. Vor kurzem habe ich mich sogar politisch betätigt
und die Opposition in Georgien unterstützt. Mit meinem Namen und meiner
Autorität habe ich Badri Patarkatsishvili unterstützt, der leider kürzlich
gestorben ist. (Badri Patarkatsishvili war eine bedeutende Figur des
öffentlichen Lebens in Georgien und wurde im Januar 2008 Dritter bei den
georgischen Präsidentschaftswahlen. Ein Monat später starb Patarkatsishvili
plötzlich in London an einem Herzinfarkt.) Er war Präsident des georgischen
olympischen Komitees und hat den Sport in unserem Land praktisch gerettet.
Vorher haben die georgischen Sportler das Land verlassen und Medaillen für
andere Länder gewonnen, aber durch Badris Bemühungen erhielten sie
allmählich alle notwendigen Mittel für ihre Vorbereitung, darunter auch eine
für georgische Verhältnisse unglaubliche finanzielle Unterstützung.
Eigentlich interessiere mich nicht sehr für Politik, aber wegen Badri und
seiner Ideen habe ich mich damit einverstanden erklärt, seine Demokratische
Partei für ein Vereinigtes Georgien anzuführen. Aber da ich nur seinetwegen
mit der Politik verbunden war, habe ich mich nach seinem Tod logischerweise
aus dieser Welt zurückgezogen.
Aber Du hast Dich nicht
geweigert, den Posten der Ehrenpräsidentin des Georgischen Nationalen
Olympischen Komitees anzunehmen?!
Nein, zumindest im Moment
nicht. Nach der Olympiade in Peking wird es neue Präsidentschaftswahlen
geben (bis jetzt wurde das Olympische Komitee von Patarkatsishvili geleitet)
und wenn ein für mich akzeptables Präsidium gewählt wird, dann bleibe ich
und arbeite mit ihnen zusammen.
Welche Rolle spielt
Schach jetzt in Deinem Leben?
Ich bin immer noch sehr
interessiert am Schach. Jedes Mal, wenn ich eingeladen werde, sage ich mit
Vergnügen zu – egal, ob es ein Turnier ist oder einfach nur ein Besuch bei
einer Schachveranstaltung. Ich liebe Schach und ich kann und will dieses
Vergnügen nicht aufgeben – wenn man alle Dinge im Leben, die einem Spaß
machen, aufgibt, dann wird man sofort alt. Ich nehme an Blitz- und
Seniorenturnieren teil, in denen ich recht gut abschneide.
Kannst Du uns etwas
Interessantes von diesen Turnieren erzählen?
Ich nahm nur einmal an der
Frauenseniorinnenweltmeisterschaft teil, wurde Weltmeisterin und verlor
danach das Interesse. Danach habe ich bei den Männern mitgespielt. Und
gleich bei meinem ersten Versuch stand ich ganz kurz vor dem Titelgewinn.
Ich kann immer noch nicht vergessen, wie ich vor drei Jahren Ljubcho Spassov,
übrigens ein Bulgare, den ersten Platz auf einem Silbertablett serviert
habe. Ohne mich selbst allzu loben zu wollen, so muss ich doch sagen, dass
ich in diesem Turnier wirklich gut gespielt habe. Drei Runden vor Schluss
lagen vier Spieler an der Spitze. Ich musste mit Schwarz gegen Spassov
spielen. Die andere Begegnung endete schnell Remis, ich kam jedoch zu einer
Gewinnstellung. Doch in diesem Moment wurde ich zu nachlässig und fing an zu
denken, dass ich sowieso gewinnen würde. So kam es zu einem technischen
Remisendspiel, in dem ich mit einem Paar Leichtfiguren gegen Turm und Bauer
spielte. Spassov bot Remis an, das ich jedoch ablehnte, weil ich die
Stellung für spielbar hielt. Doch ein paar Züge später habe ich eine Figur
eingestellt. Während der restlichen Tage des Turniers, ja sogar noch während
der Abschlussfeier, meinte GM Vasiukov stets zu mir: “Mein Beileid, Nona!”
Nach dem Sieg in dieser Partie machte Spassov die letzten beiden Runden
Remis und holte sich den Titel.
Ich vermute, Du trauerst
dieser Partie immer noch hinterher?
Ich bedauere nicht den
verpassten Titel, sondern den Umstand, dass die Qualität meines Spiels in
diesem Turnier so hoch war, jedoch nicht gewürdigt wurde. Ich habe mich noch
lange Zeit danach gefragt, ob ich je wieder solche Partien auf einem so
hohen Niveau spielen würde.
Siehst Du unter den
jungen Großmeisterinnen, die Deine Nachfolge antreten, eine Spielerin, die
einen so brillanten und aufregenden Stil hat wie Du?
Im Moment gibt es keine
Spielerin, die gegenüber den anderen Spielerinnen herausragt. Die
Turnierergebnisse zeigen, dass die Spitzenspielerinnen ungefähr gleich stark
sind und selten einmal gelingt es einer von ihnen, zwei starke Turniere
hintereinander zu gewinnen. Es gibt eine ganze Reihe sehr guter Spielerinnen
und im Moment fällt es mir schwer, eine zu benennen, die den anderen
überlegen ist.
Zählst Du Judit Polgar
zu dieser Gruppe?
Nein, denn sie nimmt nicht
an Frauenturnieren teil. Übrigens habe ich nur einmal gegen sie gespielt,
bei einer Olympiade, und sehr hübsch gewonnen. Das Spiel in Männerturnieren
ist anders. Wusstest Du, dass das Jahr, in dem ich meinen
Weltmeisterinnentitel an Chiburdanidze verloren habe, mein erfolgreichstes
Jahr in Männerturnieren war? Aber die Psychologie in Männer- und
Frauenturnier ist ganz anders. Ich bin sicher, wenn Judit beschließt, an
Frauenturnieren teilzunehmen, dann wird sie ihr erstes Turnier nicht
gewinnen. Sie wird eine Zeit brauchen, um sich zu akklimatisieren, um sich
auf Frauenschach einzustellen. Die Erwartungen an sie werden zu hoch sein
und jeder andere als der erste Platz wird als Scheitern gesehen werden.
Glaubst Du, dass Frauen
nicht in Männerturnieren spielen sollten?
Ja, ich glaube, Männer und
Frauen sollten getrennt spielen, da Männer schon vor Beginn der Partie über
eine Reihe von Vorteilen verfügen. Erstens, neigen Jungen von Geburt an
genetisch bedingt zum Kämpfen. Zweitens begünstigen die physiologischen
Prozesse, die im weiblichen bzw. männlichen Körper ablaufen, Frauen nicht,
wenn vom Schach die Rede ist. Drittens ist das Nervensystem bei Männern
psychologisch stabiler. Viertens geht das aktive Schachleben von Frauen zu
Ende, wenn sie eine Familie gründen oder spätestens dann, wenn sie ein Kind
bekommen. Von da an kann sie sich nicht mehr dem Schach widmen, während der
Mann, wenn er gut genug verdient und seine Familie gut versorgt, von seinen
elterlichen Pflichten “befreit” werden kann. Nimmt man all das zusammen,
dann versteht man, warum Frauen nicht in Männerturnieren spielen sollten.
Glaubst Du, es gibt ein
ideales Alter für den guten Schachspieler oder die gute Schachspielerin?
Nein. Langlebigkeit im
Schach hängt von einer Reihe von Faktoren ab: Schachtalent, körperliche
Gesundheit und psychologische Stabilität. Die Summe dieser Komponenten
bestimmt die lang anhaltende gute Form im Schach. Man wird sehen, wie hier
in Plovdiv die Titel nicht dadurch entschieden werden, wer das meiste Talent
hat, sondern wer diese Faktoren harmonisch miteinander verbindet.
Danke für das Gespräch
Das Interview führte
Lejla Dimitrova