Irans Nr. 1 verteidigt Schachsieg in Dresden
Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer
Dirk Jordan eröffnet das Turnier
Der Iraner Ehsan Ghaem Maghami hat am Sonntag zum zweiten Mal das ZMD Schachfestival
in Dresden gewonnen. Im Finale gegen den ukrainischen Großmeister Sergej Ovsejevitsch
setzte sich Ghaem Maghami nach einem Remis in der Normalpartie im Tiebreak (Schnellpartie
auch remis, Blitzpartie gewonnen) durch.
Der Sieger: Ghaem Maghami
Zweiter Platz: Sergej Ovsejewitsch
Damit verteidigte der 25-jährige Großmeister aus Teheran seinen Titel aus dem
Vorjahr und kassierte 3 000 Euro Siegprämie. Dritter wurde GM Andrej Kowaljow
(Weißrussland), der schon 1987 zu DDR-Zeiten bei einem internationalen Turnier
in Dresden am Start war, vor Stanislaw Sawtschenko (Ukraine).
Andrej Kowaljow
Stanislav Savtschenko
An dem beliebten Open im Dresdner Ramada Hotel nahmen in diesem Jahr 306 Spielerinnen
und Spieler teil - neuer Rekord. Gespielt wurde im "Swiss-K.o.", das heißt,
nur einer konnte am Ende durchkommen. Die Verlierer eines jeden Tages fanden
sich im Schweizer System wieder. Ein interessanter Modus, der die Favoriten
aber auch dazu verleitete, in ihren Partien mit normaler Bedenkzeit schnell
remis zu machen, um Kräfte für den Tiebreak am Abend zu sparen.
So musste der Gewinner aus dem Iran auf seinem Weg zum Gesamterfolg im Verlauf
der neun Runden insgesamt sechsmal (!) ins Stechen, wobei er sich als ausgesprochener
Spezialist erwies. Häufig stand ihm aber dabei jedoch auch das Glück des Tüchtigen
zur Seite. Das trifft besonders auf die fünfte Runde zu, als er gegen Elisabeth
Pähtz spielte.
Nach einem Unentschieden im Normalschach, wurde auch im Schnellschach, wo Elli
Vorteile hatte, der Punkt geteilt. Erst in der Blitzpartie, wo es ebenfalls
ganz eng für ihn wurde, konnte Ehsan am Ende nach einem Versehen von Elisabeth
seinen Kopf aus der Schlinge ziehen und durch eine kleine Kombination die Oberhand
behalten. Ein Tiebreak-Künstler par excellence!
Elisabeth Pähtz: Knapp an einem Erfolg gegen den späteren Sieger vorbei
Bester deutscher Teilnehmer war Alexander Graf auf Platz 6, erfolgreichste deutsche
Frau wurde Olympiateilnehmerin Maria Schöne (34.), die sich noch vor Elli Pähtz
(40.) platzieren konnte.
Maria Schöne
Die beiden besten deutschen Spielerinnen: Elisabeth Pähtz und Maria Schöne
Eine Sensation gelang der 12-jährigen Filiz Osmanodja aus Dresden am zweiten
Spieltag. Mit dem Aserbaidschaner Farhad Tahirow besiegte sie einen ausgewachsenen
Großmeister. Eine riesige Zuschauertraube stand lange Zeit um den Schachtisch,
an dem das Nachwuchstalent ihren erfahrenen Gegner mit Schwarz in einem packenden
Endspiel trotz enormer Zeitnot bezwingen konnte.
Tahirow-Osmanodja
Der anwesende und im Turnier mitspielende Trainer Davit Lobshanidze sah es mit
Begeisterung. Filiz hatte bereits zuvor bei den deutschen Meisterschaften in
ihrer Altersklasse U12 für Furore gesorgt, als sie den Titel der Mädchen und
Jungen gewann.
Davit Lobshanidze
Mitglied des Jugendolympiateams: Judit Fuchs
Schachnachwuchs mit T-Shirt
Ghaem Maghami: "Schach ist bei uns sehr populär"
Unter den Teilnehmern des Dresdner Schachfestivals fiel der dunkelhaarige Sieger,
der immer an den ersten Brettern spielte, sofort ins Auge. Ehsan Ghaem Maghami
aus Iran ist in der Schachwelt und in Deutschland längst ein Begriff. Schon
mit 17 Jahren nahm er in Neu Delhi an der Weltmeisterschaft der Erwachsenen
teil. Heute ist Ehsan 25 Jahre alt und verheiratet. Er spielte schon zum dritten
Mal in Dresden. Bei seiner Premiere 2005 wurde er Dritter, im vorigen Sommer
gelang ihm mit 7,5 Punkten aus neun Partien der erste große Wurf.
"Dieses Jahr will ich meinen Titel erfolgreich verteidigen", sagte er uns am
ersten Turnierwochenende im Ramada Hotel. Und fügte hinzu: "Ich bin viel in
der Welt unterwegs, und Dresden ist eine meiner Lieblingsstädte. Deshalb komme
ich immer wieder gern hierher. Die Organisatoren um Dirk Jordan geben sich sehr
viel Mühe, und ich bin überzeugt davon, dass die Schacholympiade im November
ebenfalls ein großer Erfolg wird."
Für Ehsan ist es dann bereits die fünfte Olympiade. Schachfreunde in Deutschland
können sich neben seinem Namen schon mal die von Amir Bagheri, Elshan Moradi
Abadi oder Morteza Mahjoob merken. Das sind iranische Großmeister, die im Herbst
beim Turnier der Nationen im Internationalen Congress Center von Dresden an
den Brettern hinter der Nr. 1 des Landes, Ghaem Maghami, ihre Figuren schieben
werden.
Die Schachtradition in Iran ist lang. Nicht zuletzt, weil das Spiel im frühen
Mittelalter von Indien über das damalige Persien nach Europa kam. In den letzten
Jahren hat Schach im Land zwischen Kaspischem Meer und Persischem Golf einen
gewaltigen Aufschwung genommen. "Es ist bei uns sehr populär und gehört mittlerweile
zu den beliebtesten Sportarten. Etwa 20 Millionen Menschen spielen in der Freizeit
Schach, mehr als 15 000 tun es aktiv in Klubs oder Vereinen", sagt Ehsan. Es
könnten sicher noch mehr sein, aber unter Khomeini stand Schach eine ganze Zeit
auf dem Index. Weil es in Iran als Glücksspiel galt, so wie Poker oder Würfeln.
"Dann hat der Ayatollah 1988 persönlich das Verbot aufgehoben", erfuhren wir
von dem sympathischen Großmeister. Seither gibt es einen regelrechten Schachboom.
Zur Olympiade schickt das Land ein Herren- und ein Damenteam. Die Frauen bzw.
Mädchen spielen mit Kopftüchern.
Ghaem Maghami ist seit drei Jahren Direktor der "Novin Chess School" in Teheran,
wo er begabte Kinder und Jugendliche in die Geheimnisse des Denksports einweiht.
In der Hauptstadt gibt es acht Schachschulen, die sich bemühen, den Sport im
Lande populärer zu machen. Inzwischen haben die Iraner fünf Großmeister und
eine Frauengroßmeisterin. Die erfreuliche Entwicklung hält an, meint Ghaem Maghami.
Von seinen Preisgeldern bei Turnieren kann er nach eigenen Worten gut leben.
Was er in Dresden erneut unter Beweis stellte.