Schach könnte fast schon einfach sein, wenn da die seltsam-eckige Zugweise der Springer nicht wäre. Außerdem können die im englischen „Ritter“ genannten Figuren auch noch über andere hinweg hüpfen. Andererseits können sie nur mit großer Mühe auf ein benachbartes Feld gelangen, bereiten am Rand immer wieder Kummer und Schand´ und wenn sie in der Ecke stehen, möchte man meist am liebsten den Tierschutz einschalten. Noch bemitleidenswerter als die Figuren selbst sind aber die Spieler, die irgendwie mit ihnen und vor allem den gegnerischen zurechtkommen müssen.
Damit dies etwas besser gelingt, hat Jan Markos sich in seiner Serie „Middlegame Secrets“ nicht nur der Damen, Türme und Läufer angenommen, sondern nun eben auch der Springer. In gewohnt ruhiger Art und Weise geht er in Folge 4 „The Secret Lives of Knights“ auf die Chancen und Risiken der Benutzung dieser Figuren ein. Passgenau ausgesuchte Beispiele aus der aktuellen und früheren Großmeisterpraxis illustrieren die Abwechslung, die die Springer ins königliche Spiel bringen. Und beruhigend für den Lernenden: Die Beispiele zeigen auch den einen oder anderen Weltklassespieler, der aufgrund von Fehleinschätzungen mit seinem Springerschicksal hadert.
Mit Jan Markos den Springern endlich auf die Schliche kommen
Die Strategien und Taktiken für den richtigen Springereinsatz unterteilt der erfahrene slowakische Trainer Jan Markos in sechs sehr unterschiedliche Praxiskapitel. Darin geht er nicht nur auf die Vorteile von Springer ein, sondern er widmet sich auch ausführlich den Problemen von Springern, die beispielsweise wirkungslos hinter der Bauernkette eingeschlummert sind.
Kostenloses Videobeispiel – Kapitel 1: Einführung
Hier einige der Höhepunkte des Videokurses:
Kapitel 2: Der Springer dominiert den Läufer
Los geht es mit einem Co-Autor von Markos: Gemeinsam mit dem tschechischen Spitzenspieler David Navara schrieb er das preisgekrönte Buch „The Secret Ingredient to Winning at Chess“. In der zweiten Partie demonstriert Navara gegen Fabiano Caruana, welche Rolle der weiße d5-Springer in der Sweschnikow-Variante – der Lieblingseröffnung von Markos – spielen kann. Viel ist hier über den richtigen Moment des Abtauschs zu lernen. Wer auf den Geschmack gekommen ist: Auch die Partie 4 ist von Navara gewonnen worden – diesmal mit Damenisolani und Springer.
Zwischen diesen beiden Beispielen zeigt aber noch Viswanathan Anand gegen Loek van Wely, dass auch der Ex-Weltmeister weiß, wann der richtige Zeitpunkt fürs Abtauschen gekommen ist. Bei heterogenen Rochaden tauscht er sein Läuferpaar gegen das gegnerische Springerpaar, um mit gutem Springer auf dem Vorposten d5 gegen den schlechten schwarzen Läufer spielen zu können.
Kapitel 3: Der beste Freund des Springers – der Freibauer
Hier entführt uns Markos zunächst in seine eigene Geschichte: Der Schmerz nagt auch 18 Jahre später noch an ihm, weil er einen möglichen Sieg gegen den großen Viktor Kortschnoi ausließ.
Besser machte es Boris Spassky gegen Tigran Petrosian bei der WM 1969. Er bleibt mit dem Springer stets nah bei seinem Freibauern und hilft ihm dadurch bei der Umwandlung. In einigen Varianten droht er sogar, sich in den Königsangriff einzuschalten und demonstriert dadurch seine Reichweite.
Kapitel 4: Springer hinter der Bauernkette
„Ein weitverbreitetes Gerücht ist, dass sich Springer in geschlossenen Stellungen generell wohlfühlen – das stimmt nämlich nur teilweise. Wenn sie hinter der Bauernkette dauerhaft eingesperrt sind und kein Vorposten in Sicht, fühlen sie sich nicht besser, als ein Huhn im Käfig.“
Markos zeigt auf, wie ein Weltklassespieler wie Alexander Morozevich einen fürchterlichen strategischen Fehler macht. Der richtige Plan läge in …Lg7, …Sf8-e6. Nach …e4 bleibt es unmöglich den Läufer nach c7 zu bekommen, um irgendwie einen Angriff zu starten und gleichzeitig ist das Zentrum geschlossen und Schwarz hat keinen Druck mehr gegen d4, bleibt aber auf den Schwächen auf a8 und b8 sitzen. Die Stellung ist wegen der inaktiven Figuren strenggenommen bereits verloren. Weiß hingegen kann die schwarze Figurenkette per Opfer oder per Hebel f3 bekämpfen. Weiß opfert schnell den Springer auf d5 und gewinnt erstaunlich einfach und strategisch überzeugend mit den beiden Freibauern auf der b- und c-Linie.
Kapitel 5: Den Springer einschränken
Es geht nicht nur darum, den Springer gewinnbringend einzusetzen, sondern auch darum, den gegnerischen Springer aus dem Spiel zu nehmen – was häufig mit Bauern gelingt.
Welchen Springer sollte man einsperren? Den auf h6, weil es mit g4 einfacher ist, trotz der Löcher auf g4 und h4. Weiß hat quasi eine Figur mehr und kann sich schon bald nicht mehr bewegen (Swiercz-Idani).
Alexej Shirov versuchte mit Schwarz in einem weiteren Beispiel Garri Kasparov zu überraschen. Er adaptierte dafür den Sb8-Rückzug aus der spanischen Breyer-Variante. Der ist aber offenbar im Sweschnikow-Sizilianer nicht so zweifelsfrei. Shirov endet zwar mit einer Mehrqualität, aber auch mit einem Springer, der auf b7 verschimmelt, weil er von den weißen Bauern c3 und b4 eingesperrt wird. Theoretisch wichtig für diese Variante ist, wie Kasparov das schwarze Spiel widerlegte - auch dazu gibt es hier ein kostenloses Video.
Kapitel 6: Vorposten
Ding Liren ist heute nur ein Schatten seiner selbst – in der Beispiel-Partie gegen Alexander Grischuk zeigte er sein weltmeisterliches strategisches Verständnis. Er löst seinen Doppelbauern nicht auf und schafft so einen idealen d4-Vorposten für seinen Springer. Auch die Partie Bent Larsen gegen Peter Svidler ist ein einfaches aber illustratives Beispiel zum richtigen Kampf von Springer gegen das Läuferpaar.
Kapitel 7: Die Kunst, Vorposten zu erkennen
„Mein Herzenskapitel“ – so Jan Markos zum letzten Kapitel vor den Aufgaben und Praxispositionen zum Selberlösen. Hier spürt er versteckte Vorposten auf. Dazu untersucht er interessante Ideen in diversen Eröffnungen, wie Reti, Damenbauernspiele mit Karlsbad-Struktur oder dem sizilianischen Maroczy-Aufbau. Neben einem Beispiel aus der eigenen Praxis und einem eindrucksvollen Sieg von Etienne Bacrot sind gleich drei weltmeisterliche Vorposten zu bewundern: Wladimir Kramnik, Wassili Smyslov und Tigran Petrosian zeigen, wie man Springer postiert.
Der perfekte Karlsbad-Springer hält den Damenflügel zusammen und hilft mit zwei Sprüngen beim Königsangriff.
Fazit
Einen Springer, der nicht gut steht, auf ein gutes Feld zu bringen, ist sehr schwierig. Wenn er also erstmal schlecht steht, ist es oft geradezu unmöglich, ihn zu verbessern. Das unterscheidet ihn von Dame, Turm und König. Im Gegensatz zum Läufer, kann er aber theoretisch auf das benachbarte Feld – es dauert nur mindestens drei Züge.
Springer lieben geschlossene Stellungen nur, wenn sie aktive Möglichkeiten – zum Beispiel einen Vorposten – haben. Markos schafft es, wie auch schon in den vorhergehenden Teilen, das Wesentliche für die jeweilige Figur aus seinen sorgsam gewählten Beispielen herauszufiltern.
Für Amateure dürfte vor allem das letzte Kapitel spannend sein. Denn was Markos da über die Vorposten auf c6 und d6 verrät und in Verbindung mit speziellen Eröffnungen bringt, ist sehr hilfreich, um Pläne in Stellungen zu finden, bei denen man bislang nicht so recht weiterkam.
So gibt Markos gleich eine ganze Reihe von guten, praktischen Tipps, damit die Springer künftig nicht wie kopflose Hühner umherirren müssen.