Kindermanns Königsplan

von ChessBase
04.03.2009 – Stefan Kindermann war früher einer der besten deutschen Schachspieler und betreibt nun zusammen mit Mitstreitern in der bayrischen Landeshauptstadt eine erfolgreiche Schachschule, die Münchner Schachakademie. Diese wird inzwischen auch als kulturelle Institution mehr und mehr anerkannt und unterstützt. Inzwischen wurde mit der Schachstiftung München ein weiteres Projekt ins Leben gerufen, das sich zum Ziel gesetzt hat, Schach als Hilfe zur Integration an sozialen Brennpunkten einzusetzen. Auch sonst ist Stefan Kindermann der Auffassung, dass Schach mehr ist als nur ein Brettspiel und dass die dort erlernten Entscheidungsmethoden auch anderswo gewinnbringend eingesetzt werden können. Sein Planungsmodell heißt "Königsplan". Im nächsten Jahr will der Großmeister dazu ein Buch veröffentlichen. Frank Große (www.schachlinks.com) sprach mit dem Schachaktivisten. Interview mit Stefan Kindermann...

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Kindermanns "Königsplan"
Interview mit Stefan Kindermann
Von Frank Große (www.schachlinks.com)

Frank Große: Seit mittlerweile über 3 Jahren gibt es die Münchner Schachakademie. Können Sie einen Abriss der Historie, sowie den derzeitigen Status (Pläne, Zukunftsaussichten, Problemfelder, etc.) beschreiben?

Stefan Kindermann: Die Münchener Schachakademie www.mucschach.de hat sich sehr erfreulich entwickelt. Inzwischen haben über 1500 Schüler an unseren Kursen und Trainings teilgenommen, die Altersspanne reicht dabei von 4-80 Jahre. Etwa 10 qualifizierte Trainer arbeiten neben den Gesellschaftern (Roman Krulich, Gerald Hertneck, Dijana Dengler und Ulrich Dirr) freiberuflich für uns. Diese Trainer bilden wir in regelmäßigen Trainer Trainings fort, alle arbeiten nach dem von uns konzipierten Lehrplan der Münchener Schachakademie.

Roman Krulich ist lebenswichtiger Sponsor der Schachakademie und Gründer der Schachstiftung. GM Gerald Hertneck, FM Ulrich Dirr und FM Dijana Dengler als Mitbegründer und Gesellschafter der Schachakademie betreuen eigene und wichtige Bereiche der Akademie: Neben Trainertätigkeit, die von allen wahrgenommen wird, ist Hertneck für das Controlling zuständig, Dirr für die Gestaltung der Printprodukte und der Homepage, Dengler für den gesamten Kinderbereich mit Trainerorganisation. Im Büro der Schachakademie ist noch Frau Natalia Petrova tätig, im Büro der Schachstiftung Frau Esther Dieckhoff. Dijana Dengler ist auch Vorstandsvorsitzende der Schachstiftung www.schachstiftung-muenchen.de Professor Robert K. Frhr. Von Weizsäcker ist Schirmherr der Stiftung.
Die Resonanz ist auch bei den Medien mit zahlreichen Presseartikeln und einigen Fernsehbeiträgen sehr gut. Uns freut, dass die Münchener Schachakademie auch als kulturelle Institution mehr und mehr anerkannt wird. So fand beispielsweise im Rahmen des Jahres der Mathematik ein Schach-Mathe-Workshop für Kinder in der Schachakademie statt, wir haben einen Kinder-Workshop im Deutschen Museum durchgeführt und waren bei den Wissenschaftstagen und der großen 850-Jahresfeier beteiligt. Hier haben wir unter anderem ein besonderes Schachtheater mit einer Schulklasse aufgeführt, dem eine Dramatisierung meines Kinderschachbuchs zugrunde lag.

Als wichtiges neues Projekt haben wir die Münchener Schachstiftung www.schachstiftung-muenchen.de gegründet, die benachteiligte Kinder in sozialen Brennpunkten, aber auch behinderte Menschen durch Schach fördert. Dies verdanken wir unserem Sponsor Roman Krulich mit seiner Firma Immobilien Krulich, der das Gründungskapital gegeben hat und uns auch sonst in jeder Beziehung unterstützt. Die Stiftung ist ein ganz eigener Aufgabenbereich, der schön aber auch deswegen anspruchsvoll ist, da wir unsere Projekte ausschließlich über Spenden finanzieren. Gerade erst haben wir ein sehr schönes Feedback von unserem ältesten Stiftungsprojekt in einem sozialen Brennpunkt erhalten: Trotz sehr hoher Migrationsquote konnten unsere „Schachkinder“ ihren Notenschnitt in den Übertritts fächern nach einem Jahr schon um 0,7 verbessern.

Der Leistungsgedanke steht sowohl bei Akademie als auch Stiftung im Hintergrund, wir wollen alle wertvollen Aspekte des Schachs möglichst vielen Menschen vermitteln und sehen uns dabei als besondere Bildungsanstalt. Unsere speziellen didaktischen Konzepte vermitteln wir auch an Lehrer und Schulleiter. Auch überregional waren wir mehrfach vertreten, so z.B. im Rahmen der letzten WM in Bonn mit Kinder-Workshops oder auf Schloss Elmau mit einer Kinderschachwoche. Zu meinem speziellen Konzept „Königsplan“ habe ich schon viele Vorträge gehalten, häufig auch mit Schachshows für ein Laienpublikum verbunden. Zu allen Veranstaltungen ist viel Material auf unserer Homepage www.mucschach.de zu finden, speziell im Bereich „Events-Portfolio“.


Schachakademie München, Stefan Kindermann mit Dijana Dengler und Kindern der Schachakademie

Frank Große: Welchen Anteil haben Sie und wie sind Sie derzeit integriert?

Stefan Kindermann: Ich bin Geschäftsführer der Münchener Schachakademie und neben der übergeordneten Planung für das gesamte Marketing, die Verhandlungsführung und auch textuelle Entwürfe verantwortlich. Gemeinsam mit Mitbegründerin und Cheftrainerin Dijana Dengler führe ich auch unsere Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene mit Vorträgen, Schnuppertrainings, Events usw. durch.

Frank Große: … und selbst Turniere oder Ligen spielen?

Stefan Kindermann: Dazu komme ich naturgemäß nur noch wenig, da ich ja auch unter anderem noch zwei wöchentliche Kolumnen in der Süddeutschen Zeitung betreue. In den letzten beiden Jahren hatte ich nur die Bundesliga für den TV Tegernsee gespielt und war daher sehr glücklich, dass ich nach 14 Jahren Pause wieder die Schacholympiade spielen konnte.

Frank Große: Bei der letzten Schacholympiade waren Sie für Österreich am Start. Sie sind erst 2005 zu diesem Schachbund gewechselt, nachdem Sie zuvor für die deutsche Nationalmannschaft gespielt haben. Wie kam es zu diesem Wechsel und wie haben Sie die Olympiade erlebt?

Stefan Kindermann: Zum Einen bin ich ja seit vielen Jahren kein aktiver Profi mehr und von meiner Elozahl her nicht mehr stark genug für das Deutsche Team. Zum Anderen wollte ich die Gelegenheit nutzen, dem Schach in meiner ursprünglichen Heimat (ich bin in Wien geboren) neue Impulse zu geben. Auch habe ich Dresden als Gelegenheit gesehen, gleichzeitig Schach in Deutschland zu unterstützen. Der Einsatz für Österreich hat mir sehr gut gefallen, nicht zuletzt weil mein langjähriger Mannschaftskollege Zoltan Ribli als Nationaltrainer fungierte. Wie mein Resultat gezeigt hat, konnte ich doch einen ganzen Teil meiner schachlichen Fähigkeiten erhalten. Ich hoffe, dass ich auch in Zukunft noch für die österreichische Mannschaft spielen kann, so z.B. bei den Europäischen Mannschaftsmeisterschaften in Novi Sad. In der deutschen Bundesliga ist meine Zukunft eher fraglich, da der TV Tegernsee nach dieser Saison zurück zieht. Das ist insofern ein wenig schade, als ich meines Wissens nach der einzige Spieler bin, der seit Einführung der einteiligen Bundesliga im Jahre 1980 alle Saisonen gespielt hat.

Frank Große: Welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach die Dresdner Schacholympiade auf die Entwicklung des Schachs in Deutschland? Ist vom Olympiadefieber etwas landesweit übergeschwappt?

Stefan Kindermann: In Dresden selbst war ich sowohl von der Organisation als auch von der dortigen Medienresonanz sehr angetan. Leider scheint das aber doch regional begrenzt zu sein, hier in München ist jedenfalls kein Echo zu spüren.


Schachakademie München, „Königsplan“

Frank Große: Wo sehen Sie Schach in zehn oder zwanzig Jahren im Allgemeinen?

Stefan Kindermann: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Zukunft des Schachs in seiner Bedeutung zur allgemeinen und auch spezifischen geistigen Förderung von Kindern aber auch Erwachsenen liegt. Allerdings setzt das gut ausgearbeitete Konzepte und fähige Trainer voraus. In eben diese Richtung geht auch mein wichtigstes Forschungsprojekt „Königsplan“, das 2010 in Buchform erscheinen soll.

Frank Große: Ihr letztes Buch erschien im Jahr 2005 und behandelte die Spanische Abtauschvariante. Danach haben Sie ein Kinderschachbuch verfasst. Wird es in Zukunft weiteres Buchmaterial von Ihnen geben?

Stefan Kindermann: Seit vielen Jahren arbeite ich an einer unmittelbaren Umsetzung der besten Denk-und Planungsstrategien aus dem Schach in andere Bereiche des Lebens, sei es Beruf oder Privatleben. Ziel ist ein glasklares Planungs-Modell, der „Königsplan“. Dies soll es auch Nichtschachspielern ermöglichen, Probleme schnell und effektiv zu lösen. Hierbei handelt es nicht um die allgemeine Bedeutung des Schachspiels zur Förderung von Jung und Alt. Der Königsplan ist ein klares und handfestes Modell in sieben Stufen, das auf jede Form von Planung und Problemlösung angewandt werden kann. Die Frage lautet hier: Wie kann ich auch in komplexen Situationen schnell gute Lösungen finden, diese prüfen und anderen Menschen überzeugend vermitteln? Einzigartig daran ist nicht nur, dass Königsplan aus einer Analyse der Denkstrategien der Schachgroßmeister entstanden ist, sondern vor allem, dass hier Intuition und rationale Struktur in Einklang gebracht werden. Damit betreten wir de facto Neuland, denn alle bisherigen Versuche (wie z.B. das Buch von Kasparow) bleiben meiner Meinung nach im Allgemein-Unverbindlichen stecken. Ich betrachte es als besonderen Glücksfall, dass ich mit Professor Robert K. Frhr. Von Weizsäcker einen brillanten und hochkarätigen Mitstreiter gewinnen konnte, der speziell die wirtschaftliche Seite verkörpert und maßgeblich an der Weiterentwicklung von „Königsplan“ beteiligt ist. Professor von Weizsäcker ist ja nicht nur Präsident des deutschen Schachbundes und Fernschachgroßmeister, sondern hat auch einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre in München.

Zum Thema „Königsplan“ habe ich schon zahlreiche Vorträge gehalten und Seminare veranstaltet, die sehr gute Resonanz hatten. Momentan sind wir in Verhandlungen mit einigen großen deutschen Verlagen. Wenn dieses Projekt Erfolg hat, wird das auch auf das Bild von Schach in der Öffentlichkeit positive Auswirkungen haben, da dann neben dem allgemeinen Gehirntraining auch ein ganz konkreter Nutzeffekt zu erkennen ist.

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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