Sieben auf einen Streich:
Kramnik gewinnt Dortmunder Schachtage
Von Dagobert Kohlmeyer
Wladimir Kramnik ist und
bleibt der Schachkönig von Dortmund. Zum siebenten Mal gewann der Weltmeister
aus Russland am Sonntag das Sparkassen Chess Meeting. Im Spitzenduell der
Schlussrunde besiegte der Moskauer mit Weiß den Ungarn Peter Leko und fing
ihn auf der Ziellinie noch ab. „Maßarbeit“, sagen die einen, „Minimalismus“
die anderen.
Die begeisterten
Zuschauer im Schauspielhaus jedenfalls applaudierten dem Weltmeister, der
sich am Wochenende mit zwei spektakulären Gewinnpartien noch an die Spitze
setzen konnte. Kramnik gewann die Schachtage mit 4,5 Punkten nach Feinwertung
vor seinem punktgleichen Landsmann Peter Swidler. Der Großmeister aus St.
Petersburg hatte sich zuvor vom Engländer Michael Adams schon zeitig remis
getrennt.
In der Spanischen Partie
gab Swidler mit Weiß bereits nach 17 Zügen seine Gewinnversuche auf. Er
spekulierte wohl damit, dass Kramnik und Leko auch den Punkt teilen und er
dann an der Tabellenspitze bleiben würde.
Nach
verhaltenem Start sicherte sich Kramnik den Gesamtsieg doch noch, was lange
Zeit nicht so aussah. Wladimirs Gegner Peter Leko, den er im Herbst 2004 beim
WM-Kampf in Brissago (Schweiz) auch erst in der letzten Partie stoppen
konnte, hätte ein Remis zum Erfolg gereicht. So wurde der Ungar zur
tragischen Figur des Wettbewerbs und rutschte noch auf Platz 4 hinter Michael
Adams ab.
„Es tut mir
sehr leid um Peter Leko“, sagte Kramnik nach der Partie, denn er spielte ein
gutes Turnier und hätte den Sieg auch verdient gehabt. Aber als sich mir die
Gewinnchance bot, habe ich sie eben genutzt. Wichtiger als die Sieg in
Dortmund ist für mich jedoch mein WM-Kampf im Herbst gegen Weselin Topalow“.
Mit dem Match gegen den FIDE-Weltmeister aus Bulgarien in der kalmückischen
Hauptstadt Elista soll die Schachwelt nach 13 Jahren Spaltung wieder vereint
werden.
Den größten
Kampfgeist aller Spieler in Dortmund zeigte der 38-jährige Turniersenior
Boris Gelfand aus Israel, der gegen Adams 117 Züge und gegen Baadur Jobava
113 Züge spielte und am Ende den fünften Platz belegte.
Einmal verließ der 38-jährige Turniersenior dabei als Verlierer und
einmal als Sieger das Brett. Veranstaltungsleiter Gerd Kolbe bezeichnete die
beiden Marathonpartien als Höhepunkte der Schachtage. Er wertete die große
Zuschauerresonanz als Indikator für die ungebrochene Anziehungskraft des
Turniers. Das kürzeste Spiel produzierten Wladimir Kramnik und Baadur Jobava.
Der Weltmeister gewann mit Schwarz schon nach 15 Zügen, weil der Georgier
eine Kombination übersah. Es war die kürzeste Gewinnpartie in Kramniks
Karriere überhaupt.
Sechster
wurde Titelverteidiger Arkadij Naiditsch aus Dortmund, der die Weltelite im
vorigen Jahr zu Hause überraschend schlagen konnte. Eine Enttäuschung
bedeutet ganz sicher das schwache Abschneiden des Weltranglistendritten
Levon Aronian aus Armenien, der bei seiner Premiere im Revier nur Vorletzter
wurde.
Gelfand gewann in der letzten Runden gegen Aronian
Nach 113. Zügen gewonnen: Gelfand gegen Jobava in Runde 5
Levon Aronian ausgebremst
Endstand:
Dortmund Sparkassen Chess Meeting, alle Partien...
Dortmund: Die Partien des Wettkampfes...
Konnte in der letzten Runde nicht mehr ausgleiche: Elisabeth Pähtz
Elisabeth Pähtz ist...
...Brasilien-Fan
Gewinner des
A-Openturniers im Rathaus wurde Olaf Heinzel (München) mit 7,5 Punkten aus
neun Partien vor Andrej Orlow (Düsseldorf) und Markus Lammers (Delmenhorst)
mit je 7 Punkten.
Olaf Heinzel
Vor der Schlussrunde
gratulierten die Organisatoren Großmeister Dr. Helmut Pfleger zum 63.
Geburtstag. Der aus dem Fernsehen landesweit bekannte und beliebte
Schachkommentator erläutert den Zuschauern in Dortmund seit dem Chess Meeting
1992 die genialen Züge der Großmeister.
TV-Kommentatoren: Dr. Helmut Pfleger und Vlastimil Hort
Auf der Bühne des
Schauspielhauses erhielt Pfleger vom Veranstaltungsteam eine Schachkrawatte
und eine selbstgebackene Geburtstagstorte.
Dr. Helmut Pfleger mit Torte
Carsten Hendel (re), Manager von Kramnik und Leko am Brett
„Ich bin sehr gern Schachtrainer“ Interview
mit Alexander Beljawski:
Von Dagobert Kohlmeyer
Alexander Beliavsky
Sekundant von Arkadij
Naiditsch in Dortmund war Alexander Beljawski aus Lwow in der Ukraine, der
aber seit langem für Slowenien spielt. Der 52-jährige Großmeister arbeitet
schon einige Jahre mit dem Dortmunder Großmeister zusammen. Im Pressezentrum
hatten wir am Sonntag kurz vor Beljawskis Abreise Gelegenheit zum Gespräch.
Wie kam die
Zusammenarbeit mit Arkadij Naiditsch zustande?
Der Kontakt erfolgte
seinerzeit durch Großmeister Adrian Michaltschischin. Arkadij hat über ihn
angefragt, ob ich mit ihm arbeiten möchte.
Wo trainiert ihr?
Meistens treffen wir uns
bei Arkadij in Dortmund, um zu arbeiten.
Welches Potenzial hat
dein Schützling?
Ich zweifle nicht daran,
dass er in Kürze ein 2700er Großmeister wird.
Noch steht Naiditsch
auf Platz 46 der Weltrangliste. Schafft er es in die Top Ten?
Warum nicht.
Du selbst spielst
schon seit einem Jahrzehnt für Slowenien. Warum?
Mitte der 90er Jahre gab
es Probleme mit dem ukrainischen Schachverband. Deshalb erfolgte 1996 mein
Wechsel dorthin. Ich habe auch eine Wohnung in Maribor an der Grenze zu
Österreich.
Heute ist das
ukrainische Team äußerst stark besetzt, also deine Rückkehr ausgeschlossen?
Als Spieler, vermutlich
ja. Aber vielleicht werde ich in meinem Heimatland später einmal als Trainer
arbeiten.
Als mehrfacher
WM-Kandidat hast du ganz viel Erfahrung und bist als Schachtrainer sehr
beliebt.
Es gibt viele Anfragen
von Großmeistern. 1993 sekundierte ich Garri Kasparow in London bei seinem
WM-Match gegen Nigel Short. Bei der FIDE-WM in San Luis unterstützte ich
Alexander Morosewitsch. Er wurde in Argentinien Vierter und qualifizierte
sich damit für das nächste WM-Turnier 2007.
Wer ist für dich
derzeit stärkster Spieler der Erde?
Für mich ist Weselin
Topalow derzeit eindeutig stärkster Spieler der Gegenwart.
Was hältst du von den
Gerüchten, die kürzlich kursierten, das Team des Bulgaren hätte bei
verschiedenen Gelegenheiten unlautere Mittel während der Partie angewendet?
Nichts. Ich war
Augenzeuge beim WM-Turnier in San Luis, und mir ist dort nichts Verdächtiges
aufgefallen. Ich kann dazu nur dies sagen: Topalow war in blendender
Verfassung und alle anderen nicht in guter Form. Daher sein großartiges
Resultat.
Und was war bei den
Turnieren in Sofia 2005 und 2006, wo Weselin wie auf Bestellung nach
schwachem Start in der Rückrunde jeweils enorm aufdrehte und noch gewann?
Ich glaube nicht an
Betrug. Mich wunderte nur seine schlechte Verfassung in den jeweils ersten
Partien. Danach erreichte er wieder seine Normalform, - und die genügt eben
zurzeit, um die Konkurrenz zu schlagen.
Kann dem
FIDE-Weltmeister im Moment keiner, auch Kramnik nicht, das Wasser reichen?
Ich zweifle daran.
Weselin Topalow ist meiner Ansicht nach in Elista Favorit. Er steht nicht
umsonst an erster Stelle der internationalen Rangliste. Von den Topleuten
kann ihm vielleicht Vishy Anand am ehesten Paroli bieten. Die Weltrangliste
spiegelt schon ganz gut die Stärke wider.
Pressemitteilung:
Bilanz des Veranstaltungsleiters Gerd Kolbe
Gerd Kolbe
(Dortmund, 06. August
2006). Veranstaltungsleiter Gerd Kolbe zieht für das Sparkassen
Chess-Meeting 2006 eine positive Bilanz: „Durchschnittlich mehr als 500
Besucher täglich sind ein vorzügliches Ergebnis für das Jahr 2006. Unser Plus
sind eine akzeptierte Spielstätte mit dem Dortmunder Schauspielhaus, ein
erlesenes Achterfeld sowie ein eingespieltes Organisationsteam im
Hintergrund, das dem Niveau einer Veranstaltung von Weltrang entspricht.“
„Nachdem sportlich zunächst
‚einige Remis-Partien zuviel’ beklagt wurden, nahm das Turnier in der zweiten
Hälfte eine furiose Fahrt auf“, so Kolbe weiter. Höhepunkte seien unter
anderem die Marathon-Partien in der 4. und 5. Runde gewesen.
Für das kommende Jahr will
Kolbe den Festivalcharakter weiter ausbauen und die Anzahl der Teilnehmer in
den offenen Turnieren verdoppeln. Kolbe: „Angestrebt wird weiter ein Turnier
mit zehn Teilnehmern bei den Großmeistern. Ein solches Format hat sich
insgesamt gesehen für das Sparkassen Chess-Meeting als das beste
herauskristallisiert.“
Kolbe schwebt weiter vor, zur
35. Auflage des Sparkassen Chess-Meetings im kommenden Jahr zwei bis vier
frühere Sieger einzuladen und in einem kleinen Turnier über sechs Partien
gegeneinander antreten zu lassen. Als Favorit für die Verpflichtung im
kommenden Jahr sieht Kolbe den Sieger der Großmeisterturniere 1973 und 1975,
Heikii Westerinen.