Der HSK freut sich mit
Von Christian Zickelbein
„Wie steigst, o Lübeck, du herauf
In alter Pracht vor meinen Sinnen
An des beflaggten Stromes Lauf -“
Die Partien aus Lübeck:
Hamburg gegen Solingen...
Lübeck gegen Heiligenhaus...
Solingen gegen Lübeck...
Heiligenhaus gegen Hamburg...
Zum einzigen Lübecker Heimspiel in der Saison 2001/02 lud der Deutsche Meister
seine Gäste in den ehrwürdigen Bürgerschaftssaal des Lübecker Rathauses – an
einen Ort, an dem schon viel „zur Freude und zum Leid der Stadt“ entschieden
worden sei, wie Ede Strompowski in seiner Begrüßungsansprache sagte. Für die
Lübecker Schachspieler hatte er vor allem an Freude gedacht, und die teilten sie
am Sonntag, gut gelaunt, auch mit ihren Hamburger Reisepartnern. Das Hamburger
Abendblatt meldete Wilfried Klimeks Angebot eines Kooperationsvertrages mit dem
HSK mit dem Ziel, deutsche Spitzenspieler auszubilden, in einer kurzen Notiz.
Die Lübecker Nachrichten berichteten dagegen unter der Schlagzeile
„Ungewöhnliches Duell an ungewöhnlichem Ort“ im gebührend großen Stil von der
„Premiere der Lübecker Schachspieler im Lübecker Rathaus“: „Andrang im Lübecker
Rathaus. Aber nicht die Politik lockte, sondern Schachspieler von Weltklasse.“
Obwohl mit Shirov und Bareev zwei Lübecker Weltklassespieler fehlten (wie
allerdings auch beim letzten ernsthaften Gegner aus Solingen Morozevitch,
Lautier und Piket), war diese Premiere erfolgreich: Nach seinem 4½-3½-Sieg ist
der Lübecker SV auf seinem Weg zur erneuten Deutschen Meisterschaft kaum noch
aufzuhalten, und wir Hamburger freuen uns, Ede und seine Cracks weiterhin
begleiten zu dürfen. Und da Ede in seinen BL-Berichten zuletzt auf die
Opern-Zitate des Vorjahres verzichtet hat, wollen wir ihn mit unserem Zitat auf
neue Felder locken ...
Neben diesem großen Match zwischen dem Titelverteidiger Lübecker SV und dem
Meister vergangener Bundesliga-Jahre, der SG Aljechin Solingen, rückten die
Hamburger Wettkämpfe natürlich in die zweite Reihe, am Sonntag wegen der
ausschließlichen Internetübertragung des Lübecker Matchs auch im
konkret-räumlichen Sinn. Schon am Sonnabend spielten alle so, dass die großen
Kontrahenten am Sonntag in der 11. Runde hoch motiviert zur
Meisterschaftsvorentscheidung antreten konnten. Die Gastgeber hatten die SGEM
Heiligenhaus nach beachtlichem Widerstand mit 7½ : ½ geschlagen, und der HSK
hatte das Kunststück des Vorjahres nicht wiederholen können: Mit 5:3 gewann der
Scheidt-Achter verdient, obwohl wir nicht ohne Chancen zumindest auf ein 4:4
waren.
Zwei recht schnelle Remisen an den Spitzenbrettern waren aus unserer Sicht
erfreulich, besonders Jossif Dorfman steuerte das Remis gegen Rustam Kasindzanov
sehr sicher an. Auch Jan Gustafsson war als Weißer in einer scharfen Variante
gegen Laurent Fressínet nach 22 Zügen mit einem Remis zufrieden, blieb er so
doch auf GM-Norm-Kurs. Lubomir Ftàcnik aber hatte schon früh Probleme mit dem
druckvollen Figurenspiel Pedrag Nikolics, und auch Christian Wilhelmi,
kurzfristig eingesprungen, war mit seinem Grünfeld-Indisch gegen Alexander
Naumann nicht gut aus der Eröffnung gekommen. Hier zeichneten sich zwei
Niederlagen ab, die allererst ausgeglichen werden sollten. Zu Recht machten wir
uns bei Sune Berg Hansen Hoffnungen: Er konterte mit Schwarz in einem
geschlossenen Sizilianer John Emms Angriff gegen seine Rochade in der c-Linie
und gewann. Oliver Reehs Vorteil gegen Markus Schäfers Franzosen aber reichte
nicht zum Gewinn. Die Entscheidung gegen uns fiel in der Begegnung zwischen den
alten Mannschaftskameraden Matthias Wahls und Murray Chandler, der nicht wie im
Vorjahr in Zeitnot gegen Thies Heinemann verlor, sondern mit leichter Hand
spielte und Matthias’ gelockerte Bauernformation mit aktivem Figurenspiel zu
einem Bauerngewinn nutzte.
Wie sagt Lubomir gern: Die Niederlage ist keine „tragedy“, und der Sonntag
Morgen brachte uns ja mit dem Absteiger aus Heiligenhaus einen schlagbaren
Gegner. Nur Lubomir musste lange arbeiten, um das 6½ : 1½ perfekt zu machen,
alle anderen Partien waren schon vor der Zeitkontrolle entschieden: Drei
Remisen, zwei an den Spitzenbrettern und allen voran, nachdem er seinem
niederländischen Gegner in eine unangenehme Variante geraten war, Dirk Sebastian
schon nach elf Zügen. Das größte Problem für uns in diesem Wettkampf war die
Frage, ob wir Jan Gustafsson überhaupt spielen oder sein Brett frei lassen
sollten. Hätte er gar gegen den elolosen Arnd Lindner spielen müssen, wären
seine Normchancen trotz des Top-Resultates 6 ½ aus 8 dramatisch gemindert
worden. Andreas Schmitz aber brachte immerhin 2185 Elo-Punkte mit in die
Auswertung, und so entschloss sich Jan, da wir keinen Ersatzspieler mehr hätten
aufbieten können, im Sinne der Mannschaft zu spielen und die Beeinträchtigung
seiner individuellen Performance hinzunehmen. Er wird sie in Wattenscheid und
zum Abschluss in Hamburg gegen Neukölln wieder steigern – in so guter Form ist
er.
Nach dem nächsten Wattenscheider Bundesliga-Wochenende am 13./14. April wird Jan
Gustafsson die Bundesliga-Analyse im HSK-Schachzentrum machen: am Montag, 15.
April, um 19 Uhr.
Das abschließende Bundesliga-Wochenende am 27./28. April richten der SC
Königsspringer und der HSK gemeinsam bei der HanseMerkur in der Neuen Rabenstaße
28 in der Nähe des Dammtorbahnhofs aus.