Lisa Lane, Pionierin des US-Frauenschachs

von André Schulz
19.12.2018 – Eine der Pionierinnen des Frauenschachs in den USA war Lisa Lane. Sie schaffte es als erste Schachspielerin auf das Cover von Sports Illustrated. Bobby Fischer folgte ihr über zehn Jahre später als zweiter und letzter Schachspieler nach. | Foto: Lisa Lane

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Es war nicht Bobby Fischer, der in den USA als erster ein so großes Interesse am Schach erweckte, dass Sports Illustrated einen Schachspieler auf das Cover setzte, sondern die Schachspielerin Lisa Lane. Im August 1961 warb sie mit ihrem Konterfei für den Schachsport.

Lisa Lane als Covergirl

Zu der Zeit war Lisa Lane mit ihren Erfolgen im Schach in den USA ein echter Pop Star. Die Presse interessierte sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere intensiv für ihre Erfolge, aber mehr noch für ihre Person und ganz besonders für ihr Liebesleben.

Geboren wurde Marianne Elizabeth Lane am 25. April 1938 in Philadelphia. Sie wuchs zusammen mit ihrer Schwester Evelyn vaterlos bei den Großeltern auf, während die alleinerziehende Mutter mit mehreren Jobs damit zu tun hatte, die Familie zu ernähren.

Ein Jahr vor dem Schulabschluss verließ Lisa Lane vorzeitig die Highschool, durfte aber trotzdem mit einer Sondergenehmigung an der Temple Universität studieren. Während ihrer Studienzeit war sie in einen Autounfalls verwickelt, bei dem ein Fußgänger zu Tode kam. Lane wurde aus diesem Anlass depressiv und schlug in den Cafés der Stadt ihre Zeit tot. Dort kam sie mit einigen Schachspielern zusammen und begann sich bald selber mit dem Spiel intensiv zu beschäftigen. Sie war zu dieser Zeit 19 Jahre alt. Attilio Di Camillo (1917-1962), der beste Spieler in Philadelphia in den 1950er Jahren nahm sie unter seine Fittiche und gab ihr regelmäßig Schachunterricht.

Attilo die Camillo

Lane trainierte laut eigener Aussage zeitweise jeden Tag acht bis zwölf Stunden. Morgens erhielt sie Lektionen von Di Camillo, nachmittags und abends spielte sie in den Cafés. Am nächsten Morgen zeigte sie ihre Partien ihrem Lehrer und er wies sie auf Fehler hin.

1957 besuchte Lisa Lane mit Di Camillo die US-Landesmeisterschaft in New York und sah dort den 14-jährigen Bobby Fischer spielen. Davon inspiriert gewann Lisa Lane 1958 die Frauenmeisterschaft von Philadelphia und wurde im folgenden Jahr sogar US-Frauenmeisterin. Neun Tage später heiratete sie Walter Rich, einen viel versprechenden Designer, den sie ebenfalls in einem Café kennengelernt hatte. Während ihrer allerdings nur zweijährigen Ehe spielt sie kaum noch Schach, nahm das Training aber nach der Trennung wieder auf.

Zusammen mit Gisela Kahn-Gresser wurde Lisa Lane 1961 zum Kandidatenturnier nach Vrnacka Banja eingeladen. Um sich darauf vorzubereiten, zog sie im Februar 1961 nach New York und bewohnte dort in der West Twelfth Street zusammen mit ihren beiden siamesischen Katzen "Nimzowitsch" und "Philidor" eine spärlich möblierte Wohnung. Zu ihrem kleinen Besitz gehörte ein Schachspiel, eine Schachuhr und etwa 70 Schachbücher. Während ihrer New Yorker Zeit spielte Lisa Lane vor allem im Marshall Chess Club oder in Rossolimos Chess Studio.

Lane gegen Gresser | Foto: Lisa Lane

Das Kandidatenturnier 1961 lief für die beiden US-Amerikanerinnen Gresser und Lane nicht besonders gut. Sie teilten am Ende den 13./14. Platz bei 18 Spielerinnen. Nona Gaprindashvili gewann das Turnier und besiegte als Herausforderin später Titelverteidigerin Elisaveta Bykova mit 7:0 bei vier Remis. Kurz nach dem Kandidatenturnier spielte Lisa Lane noch beim Hastings Reserveturnier mit, verließ das Turnier aber vorzeitig nach zwei Niederlagen und einem Remis, angeblich wegen starken Heimwehs.

Lisa Lane gegen Fanny Heemskerk, Kandidatenturnier 1961

 

Kurz vor ihrem 25. Geburtstag eröffnete Lisa Lane 1963 in Greenwich Village einen eigenen Schachclub, das "Queen's Pawn Chess Emporium", am Sheridan Square mit angeschlossenem Schachshop und Schachtrainingsmöglichkeit.

Karte: Google Maps

Der Club war von 14 Uhr bis 2 Uhr nachts geöffnet. Schachunterricht gab dort unter anderem auch von Sonja Graf.

Lisa Lane und Sonja Graf im "Queen's Pawn Chess Emporium" | Foto: Lisa Lane

Lisa Lane wohnte unter bescheidenen Bedingungen nun in einem kleinen Studio über dem Schachclub. Auch mit den Einnahmen aus dem Klub konnte Lisa Lane ihren Lebensunterhalt nur mühsam bestreiten. 1963 wurde sie bei der Nominierung für das US-Frauenolympiateam übergangen, obwohl zu der Zeit Nummer zwei im Frauenschach der USA, weil die nominierten Gisela Gresser und Mary Bain in der Lage waren, die Reisekosten aus eigener Tasche zu bestreiten.

1965 nahm Lisa Lane ein zweites Mal an einem Kandidatenturnier teil und wurde 12te, diesmal einen halben Punkt vor Gresser. Alla Kushnir gewann das Turnier, konnte aber Gaprindashvili im folgenden WM-Kampf nicht bezwingen. 1966 gewann Lisa Lane den US-Frauenmeister-Titel ein zweites Mal, diesmal zusammen mit Gisela Kahn-Gresser. Für den Titelgewinn gab es 600 Dollar, während für die Meisterschaft der Männer im gleichen Jahr 6000 Dollar gezahlt wurden. Lane kämpfte für finanzielle Gleichberechtigung der Schachspielerinnen, jedoch ohne Erfolg.

Ihrer eigenen Werbewirkung für das Schach war sie sich bewusst:

"Mit meinen Erfolgen räume ich mit dem Vorurteil auf, Schach sei ein Spiel für unansehnliche Intellektuelle. Schon aus dem Grund bin ich der wichtigste Schachspieler in den USA. Die Leute werden von einem jungen, gut aussehenden Mädchen zum Schach gebracht. Ich bringe dem Schach Aufmerksamkeit und letztendlich Geld. Deshalb sollte das Schach mir dankbar sein und mich unterstützen."

Lisa Lane

Lisa Lane bewunderte Bobby Fischer und hielt ihn für den größten Schachspieler aller Zeiten. Umgekehrt war die Anerkennung nicht so groß. Fischer hielt alle Frauen im Schach für schwach: "Sie sind alle Mäuse. Wenn man so will, ist Lisa Lane die beste aller amerikanischen Mäuse."

("They're all fish. Lisa, you might say, is the best of the American fish.")

 

Bobby Fischer bei Dick Cavett (ab ca. Minute 28)

1967 zog sich Lisa Lane vom Schach und aus der Öffentlichkeit zurück. Sie was es leid, immer nur als "die Schachspielerin" angesehen zu werden. Zusammen mit ihrem zweiten Mann Neil Hickey, den sie 1961 kennengelernt hatte und den sie 1969 heiratete, eröffnete sie 1971 in dem Örtchen Carmel, NY, ein Geschäft für Gesundheitsartikel, namens  "Amber Waves of Grain". Das Geschäft existierte noch bis 2005.

Lisa Lane, inzwischen 80 Jahre alt, hat sich vor 40 Jahren in ein altes Bauernhaus zurückgezogen, im Hudson Valley, außerhalb von Carmel, anderthalb Austostunden nördlich von New York. Vor einiger Zeit verkaufte sie bei Ebbay aus ihrem Privatbesitz ein paar alte Schachfotos und signierte sie.

 

Bobby Fischer und Lisa Lane | Foto: Lisa Lane

"This photo is a one of a kind and is from my personal collection. I will autograph it for you with a Black Sharpie.
I was born April 25, 1938 in Philadelphia, PA and began playing chess at local coffeehouses when I was 19 years old and winning all the time. After being coached by master Attilio Di Camillo, I won the women's championship of Philadelphia in 1958 and took my first U.S Women's Chess Championship in 1959 when I was 21 years old. I held this title until 1962, losing it to Gisela Kahn Gresser. I had an Elo rating of 2002, a low expert rating , from the United States Chess Federation as of the end of 1961. In 1963, I opened my very own chess club, The Queen's Pawn Chess Emporium in New York City and in 1966 I shared the U.S. Women's Chess Champion title with Gisela Gresser. I hope that you enjoy adding this photograph to your collection."

In einem Artikel in Sports Illustrated, vorgestern online erschienen, erinnert Emma Baccelerie an die einstige Pionierin des Frauenschachs in den USA und nahm dies zum Anlass, die beiden jüngst gespielten Weltmeisterschaften im Schach - den Wettkampf zwischen Carlsen und Caruana in London, und die Frauen- K.o.-Weltmeisterschaft in Khanty-Mansiysk - und die Rollen der Geschlechter im internationalen Schach zu vergleichen. Viel geändert hat sich in der Ungleichbehandlung seit den Zeiten von Lisa Lane eigentlich nichts, meint die Autorin. 

Artikel bei Sports Illustrated...

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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