Die Revanche
Von Olaf Heinzel
Vom 02. – 05.01.2009 fand in Mukachevo das 2.
Schnellschach-Match zwischen der Nr. 1 der Ukraine Vassili Ivanchuk und der Nr.
1 aus Ungarn Peter Leko statt, da es beim ersten Aufeinandertreffen keinen
Sieger gab.
Um sich ein Bild über den Ort zu machen, empfehle ich dem
Leser meinem Bericht von 2007 sich vorab anzusehen, da ich dieses Jahr bei der
eisigen Kälte nur die ganzen kurzen Wege vorgenommen habe:
a) Hotel - Spiellokal 40 m
b) Hotel - Kneipe 30 m ( leider in verschiedene Richtungen )
c) Hotel - Hotelkasino
Hier der Link :
http://de.chessbase.com/Home/TabId/176/PostId/307122
Vor dem Match gab es bereits die ersten negativen
Nachrichten den Veranstalter. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise zogen Sponsoren
Ihre Zusagen zurück. Letztendlich wurde das Match von der Stadt und dem
Präsidenten von UEP, Josef Resch, finanziert. Des Weiteren ging die Heizung im
geplanten Spiellokal nach Weihnachten kaputt, so dass kurzfristig ins Kulturhaus
umgezogen werden musste. Dass unser Sponsor der Schach-WM 2008, Gazprom, uns
dann am 1. Januar auch noch das Gas abstellte, war wohl Ironie des Schicksals.
Am 01. Januar ging es um 9:00 Uhr morgens von Dortmund nach
Budapest. Danach dann 5h mit dem Auto weiter in die Karpatenukraine. Natürlich
mit Zwischenstops des Fahrer für dessen kleine Nebengeschäfte. So wurde mir dann
eine Tüte mit u.a. Schweineohren zwischen die Beine gestellt. Leider nicht mit
Schokoüberzug aus der Bäckerei, sondern tiefgefroren von einem Bauern.
In meiner Naivität hatte ich geglaubt, dass in den letzten
14 Monaten eine positive Entwicklung in der Ukraine stattgefunden hätte.
Schließlich klopfen sie an der Tür der EU an und die UEFA richtet hier eine
Europameisterschaft aus. Aber weit gefehlt! Es ist nichts passiert – im
Gegenteil – die Schlaglöcher sind nun Krater. In der Stadt Mukachevo geht es
einem noch gut, aber auf dem Lande geht der Verfall natürlich noch schneller
vorwärts. Aber dafür kann ich mit Opa nun wenigsten wieder mitreden, wenn er mir
was von seiner Jugend erzählt.
Aber kommen wir zur Veranstaltung: Am 02. Januar um 18:00
Uhr begann die Eröffnungsveranstaltungen. Während Vassili Ivanchuk mit seiner
Frau Oxana bereits um 12:00 Uhr - Lvov, seine Heimatstadt, liegt etwa 5h
Autostunden weg – im Hotel eincheckten, war Peter Leko mit Frau Sofia zu Beginn
der Eröffnung noch vor den Toren von Mukachevo. Vielleicht schon hier ein Indiz,
wie heiß Chucky war! Das kulturelle Rahmenprogramm wurde wie die
Eröffnungsveranstaltung federführend von Karina Honcharova organisiert.
Zwischen den üblichen Ansprachen durch den Bürgermeister
Vasili Petyovka, Veranstalter Josef Resch und dem Vize-Präsidenten des
Ukrainischen Schachverbandes, der auch als Hauptschiedsrichter fungierte, gab es
musikalische Leckerbissen.
Neben den beiden in Mukachevo wohnenden Musiker Viktoria
Almashi (Piano) und Sergiy Dobosh (Violine), die bereits 2007 bei der Eröffnung
dabei waren, gab das Dolya Consort, eine Kostprobe Ihres Könnens.
Zum kulturellen Höhepunkt durch die Sopranistin, Lilia
Sholomey, trafen dann auch die Lekos ein. Danach konnte dann die Auslosung
stattfinden. Da Ivanchuk den letzten Kampf nach Blitz gewonnen hatte, durfte er
zuerst wählen und zog Weiß.
Die beiden Spieler und Josef Resch, der die beiden Glücksfeen, die den weißen
und schwarzen König brachten, in den Armen hält.
Danach gaben die beiden Spieler noch eine kleine
Pressekonferenz, wobei es dabei mehr um das Thema Doping ging.
Am 03. Januar kam dann der erste Schnee. Als ich eintraf
sah der Vorplatz noch so aus:
Vom christlichen Weihnachtsfest stand die Show-Bühne noch
Doch über Nacht wurde die winterliche Landschaft
komplettiert.
Dieser Umstand machte das ganze hier Vorort zwar
romantischer, aber nicht gemütlicher. Nach dem Aufstehen, für einen
Schachspieler heißt dieses am Mittag, ging es dann schnell rüber in die Kneipe,
den Westernsalon. Für umgerechnet 5 Euro gibt es dort Suppe, Steak mit
Kartoffeln und Salat, sowie 2-3 Getränke. Der Laden war stets mehr als gut
besucht und auch der Schneemann grüßte immer schön blinkend.
Essen im Saloon
Nach dem Mahl dann noch einmal kurz umziehen und ab zum
Spielort.
Die Partien wurden ja bereits an anderer Stelle vorgestellt
und kommentiert. Zur Partie 1 kann ich noch ergänzen, dass Ivanchuk nach 51. …
e3 sekundenlang den Kopf schüttelte. Partie 2 spulte er dann verärgert über sich
selbst runter und verschwand, während Leko den Zuschauern die Partien erklärte.
15 Min. später tauchte der Ukrainer im Anorak wieder auf und gab auch noch ein
paar kurze Kommentare ab, aber sein Ärger über sich selbst war noch lange nicht
verflogen!
Auch das Konzert am Abend ließ seine Laune nicht besser
werden. Lilia Sholomey zeigt über 1,5h Ihre Bandbreite der Stimme. Man kann mich
nicht gerade als Oper- / Operettenfan bezeichnen, aber ich konnte
nachvollziehen, dass der Saal ausverkauft war.
Lilia Sholomey mit Ihrer Tochter, die Sie nach Mukachevo begleitet hat
Nach diesen gelungenen Abenden ging es dann wieder in den
Saloon. Um 23:00 Uhr werden dort die Stühle hochgestellt. Anweisung des
Bürgermeisters. Aufgrund der hohen Kriminalität durch Alkoholkonsum wurde die
Sperrstunde eingeführt. Es hat geholfen. Allerdings, was soll man um die Uhrzeit
im kalten Hotelzimmer? Also ab ins Casino, die einzige Möglichkeit noch ein paar
Drinks zu bekommen.
Der 2. Wettkampftag lief ähnlich ab. Schachlich war es
wieder Ivanchuk der Druck machte. Heute war er aber nicht so unzufrieden mit den
beiden Ergebnissen. Kleidungstechnisch gab es eine Änderung. Im Oktober 2007
trat Ivanchuk im Pullover an. Dieses Jahr aber stets im Anzug. Leko war es, der
auf Pullover umstieg. Er fror auf der Bühne, wie ein Schneider. Am 3. Tag kam
dann auch noch der Schal zum Outfit hinzu.
1. Wettkampftag
2. Wettkampftag
Auch im Publikum gab es eine Änderung. Der stärkste
Schachspieler, der in Mukachevo wohnt, übernahm das Kommentieren der Partien. Er
konnte erst zur 3. Partien kommen, da er vorher mit seinem Team noch die
arabische Mannschaftsmeisterschaft gewann. Die Rede ist von dem ehemaligen
Junioren-Weltmeister Zahar Efimenko! Der für Werder Bremen in der Bundesliga
spielende sympathische Ukrainer wurde von Bayern-Fan Josef Resch in Nähe seiner
Eltern, diese wohnen in Usgorod etwa 20 km von Mukachevo entfernt, zurückgeholt
und mit einem Stipendium ausgerüstet, so dass er sich erst einmal auf Schach
konzentrieren kann.
FC Bayern – Fan Josef Resch unterstützt Werder-Spieler Zahar Efimenko
Von einer Wandertour durch die Karpaten fand ein anderer
ukrainischer Spitzenspieler den Weg in den Spielsaal. Ex-Knockout-Weltermeister
Ruslan Ponomariov.
Oxana Ivanchuk (l.) und neben „Pono“ (r.) sein Wanderfreund
Am Abend hatte dieses Mal der ukrainische Gitarrenartist,
Enver Izmailov, seinen künstlerischen Auftritt. Beide Spieler waren auch bei
diesem kulturellen Höhepunkt anwesend. Was Izmailov nur mit dem Gitarrenhals aus
dem Gerät rausholte war durchaus interessant.
Am Tag der Entscheidung setzte der Schneefall wieder ein. Auf dem Weg in den
Saloon konnte ich dann feststellen, dass dies die Zeitungsverkäuferin bei ihrem
Geschäft wenig störte.
Der Absatz war aber überraschend nicht so reißend
Im vollen Spielsaal fand man eine knisternde Atmosphäre
vor.
Ivanchuk saß schon Minuten vorab hochkonzentriert am
Brett.
Einzig die Techniker warteten gelassen den Lauf der Dinge
ab. Nach meinen Kenntnissen klappte die Live-Übertragung problemlos.
Nach dem Sieg in der 5. Partie tobte der Saal. Weniger
Begeisterung zeigte sich verständlicherweise Sofia Leko und Manager Carsten
Hensel.
Neben der Kälte im Saal kam noch hinzu, dass Ihr Schützling
während des ganzen Matches in der Defensive war und letztendlich auch verdient
verlor. Ivanchuk zeigte auch den größeren Siegeswillen. Wie wichtig ihm der Sieg
war, zeigte seine Freude und Erleichterung mit „Becker-Faust“ nach dem
abschließenden Remis in Partie 6.
Josef Resch kündigte bei der kurzen Siegerehrung eine
Fortsetzung dieses Turniers an. Mal sehen wer Chucky beim nächsten Mal
herausfordern darf. Leider konnte ich vom Sieger mit Trophäe kein Foto schießen.
Vassili kommentierte die Partien anschließend mit dem Rücken zum Publikum und
versteckte seinen Gewinn stolz unter dem Jackett.
So blieb mir nichts mehr anderes übrig mich über den
Underberg zu machen und mich auf meine Abreise um 5:30 Uhr Kiev-Zeit am nächsten
Morgen vorzubereiten.