Neue Ratingzahlen

von ChessBase
01.04.2012 – Mit Wirkung von heute tritt das neue Ratingsystem der FIDE in Kraft. Auf dem letzten Kongress in Krakau hatten die Delegierten die Einführung des neuen Systems mit großer Mehrheit beschlossen. Die bisher verwendeten Wertungszahlen nach der Formel von Prof. Arpad Elo standen schon seit längere Zeit in der Diskussion und gelten nicht nur bei den FIDE-Delegierten als antiquiert. Sie werden nun durch ein neues, moderneres System ersetzt, das auch eine Reihe von Fehlern des Elo-Systems, z.B. den Inflationsfaktor, vermeidet. Das neue Ratingsystem tritt vorerst nur für den Bereich des Profischachs in Kraft und wird auch vom Deutschen Schachbund in leicht veränderter Form verwendet.Neue Topliste bei der FIDE...Mehr...

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Das neue FIDE-Ratingsystem

Die auf dem FIDE-Kongress in Krakau diskutierte Einführung neuer Ratingsystem wurde bei der Sitzung des FIDE-Präsidiums im letzten Februar bestätigt und tritt nun mit Wirkung vom 1. April in Kraft. Letztmalig wird zu diesem Zeitpunkt noch eine traditionelle Ratingliste veröffentlicht. Gleichzeit erscheint erstmals aber auch parallel die Liste in neuer Form.

Partner der FIDE ist die Mitte des Jahres gegründete OPTO (Organisation of Professional Tournament Organizers), die die Aufgaben der Bewertung operativ wahrnehmen wird. Inzwischen hat "Standard and Spirit", so der Name der Agentur, ihren Betrieb aufgenommen und bereits einen ersten Bericht veröffentlicht. OPTO ist eines der Unternehmen, die der US-amerikanische Investor Andrew Paulson zusammen mit der FIDE gegründet hat. Nach einer kurzen Übergangsphase sollen die neuen Zahlen die früher üblichen Elozahlen im Bereich des professionellen Schachs (über 2500 Elo) vollständig ersetzten.

Leider konnten sich die Präsidien der FIDE und der ECU nicht auf ein gemeinsames System einigen, die Unterschiede sind allerdings nur marginal. Wir stellen hier beide Systeme vor, außerdem noch die neuen nationalen Ratingszahlen des Schachbundes und die Fernschachzahlen, die ebenfalls etwas abweichend sind.

FIDE-Rating Commissioner Jeffrey Moodys und Willy Fitsch (NRW), Wertungsreferent des Deutschen Schachbundes, erklären in Interviews die Vorteile des neuen Systems.

Die ACP sieht das neue Ratingsystem eher kritisch und hat angekündigt, zusammen mit der "Rating Agency of Professional Sportsmen (RAPS) demnächst ein eigenes Rating zu veröffentlichen.
 



Interview mit Ratingreferent Jeffrey Moodys

Warum musste denn ein neues Ratingsystem her?

Gerade wir Schachspieler müssen mit der Zeit gehen und uns an neue Gegebenheiten anpassen. Schach ist ein altes, um nicht zu sagen, altmodisches Spiel. Da ist es wichtig, dass wir mit modernen Methoden arbeiten, um nicht den ganzen Verband, bzw. die ganze Schachwelt, altbacken aussehen zu lassen. Das ist auch bei der Suche nach Sponsoren wichtig.

Aber die alten Zahlen haben doch gut funktioniert.

Nicht wirklich. Die alte vierstellige Elozahl - vergessen Sie nicht, das System stammt aus den 1960er Jahren, ist also uralt - suggeriert eine Genauigkeit, die es ja in Wirklichkeit überhaupt nicht gibt. Meinen Sie denn, es gäbe einen Unterschied zwischen, sagen wir 2780 und 2800? Nein. Die Spieler sind praktisch gleich gut. Das kommt im neuen System viel besser zum Ausdruck.

Das neue System arbeitet mit Buchstaben...

Im Prinzip ja. Das Problem ist doch auch gewesen, dass das alte Elosystem von niemandem anderem als Schachspielern verstanden wurde. Schauen Sie sich doch mal die Eloformel an.




Das begreift doch niemand! Es gibt ja gute Gründe, warum sonst keiner mit so einem komplizierten System arbeitet. Das neue System ist hingegen auch in anderen Bereichen weit verbreitet.

Offenbar war die Finanzwirtschaft Vorbild...

Ganz genau. Wir können deshalb davon ausgehen, dass dieses Bewertungssystem das beste der Welt ist. Schließlich würde die Finanzwirtschaft ja nicht mit ungenauen Methoden arbeiten.

Wie werden die Zahlen ermittelt?

Es gibt eine Expertenkommission, die natürlich auch maschinell unterstützt wird. Sie schauen sich die Partien und Ergebnisse an und legen die Bewertungen anhand transparenter Vorgaben fest. Sehen Sie einmal folgendes Beispiel: Jemand hat immer nur Glück in seinen Partien, oder jedenfalls sehr viel. Dann hätte er früher eine gute Elozahl bekommen - dabei ist klar, dass sein Glück nicht ewig dauern wird und er in der nächsten Liste abstürzt. Mit dem neuen System wird das schon gleich erkannt und der Spiele bekommt einen Risikofaktor, also in der Spitze dann eben Aab statt Aaa.

Stimmt es, dass der Anstoß zu dem neuen System aus dem Bereich der Turnier-Organisatoren stammt?

Das ist richtig. Eine Reihe von Organisatoren, auch viele Verbände, die ja ständig vor dem Problem stehen, in welcher Höhe z.B. Nationalspieler zu entlohnen sind, haben sich zu einem lockeren Verbund zusammengeschlossen, die OPTO (Organisation of Professional Tournament Organisators) und wünschte sich ein marktgerechtes Bewertungssystem. Dem konnte sich die FIDE nicht verschließen, wir sind ja letztlich von den Leistungen der Organisatoren und der Sponsoren abhängig und nicht zuletzt sind gerade die Verbände unsere Mitglieder.

Wie schlägt sich das neue System denn bei den Amateuren zu Buche?

Amateure? Wie gesagt, es geht um eine bessere Bewertungen des Marktwertes von Spielern. Da reden wir nur von Profis. Im Amateurbereich spielt das keine Rolle. Da sind die Partien quasi wertlos, die Spieler benötigen kein Rating. Wer eine Bewertung möchte, kann diese natürlich beantragen - ganz billig wird das aber nicht sein. Eine Ratingzahl ist ja nichts anderes als ein Gutachten und sowas kostet überall auf der Welt Geld. Wie das im Einzelnen aussehen wird, muss noch festgelegt werden. Wer sich näher mit dem neuen System auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich übrigens mein gerade erschienenes Buch: "The Rating of Chess Players".

Vielen Dank für das Gespräch!





Moodys: The Rating of Chessplayers, 32,50 Euro


Interview mit Willy Fitsch

Auch der Deutsche Schachbund ist auf das neue Ratingsystem umgestiegen. Wir sprachen mit dem Ratingreferenten Willy Fitsch.

Der Deutsche Schachbund führt ebenfalls das neue von der FIDE festgelegte Ratingsystem ein. Begrüßen Sie das?

Durchaus. Es gibt einige Vorteile, die man nicht von der Hand weisen kann. Wir haben uns vorher lange in den Gremien und Ausschüssen beraten, ob wir das neue System ebenfalls einführen wollen und und uns dann dafür entschieden.

Wie wird die Umsetzung durchgeführt?

Das geht natürlich nicht für den ganzen Bereich der Spieler, die im Deutschen Schachbund organisiert sind, schon gar nicht von jetzt auf gleich. Wir haben Übergangszeiten mit beiden Systemen, der alten DWZ-Zahl, die ja ähnlich wie die ELO-Zahl funktionieren, und dem neuen System, das sich an die Bewertungssystemen aus anderen Bereichen anlehnt. Ob man Spieler in Ligen unterhalb der Bundesliga überhaupt bewerten soll, ist noch in der Diskussion.

Wer nimmt die nationalen Bewertungen vor?

Der deutsche Schachbund liefert seine Einschätzungen an eine Bewertungskommission. Natürlich gibt es auch weiterhin sogar mehrere mathematische Modelle, die als Grundlage dienen. Aber es gibt ja auch intuitive menschliche Faktoren der Bewertung, die man mathematisch gar nicht ausdrücken kann. Hier wird der Schachbund mit seinem Experten, das sind vor allem die Trainer, nicht zuletzt die Bundestrainer, mit Rat und Expertisen der Kommission zur Seite stehen. Besonders die Paketbewertung ist von Interesse.

Paketbewertung... ?

Ja, ganze Mannschaften können ebenfalls bewertet werden. Intern arbeiten wir ja schon länger mit dem neuen System, haben nur die Werte bisher nicht veröffentlicht. So schnellte der Wert der deutschen Nationalmannschaft nach dem Gewinn der Europameisterschaft weit nach oben. Dann gab es aber die etwas überflüssige Diskussion danach und das Rating brach wieder zusammen. Schachbund und Bundestrainer konnten mit ihren Expertisen gerade noch verhindern, dass die Mannschaft auf "Ramsch" runtergestuft wurde.

Vielen Dank für die Erläuterungen!
 

Definitionen:

FIDE ECU Schachbund ICCF Englische
Bezeichnung
Deutsche
Beschreibung
Long
Term
Short
Term
Long
Term
Short
Term
Long
Term
Short
Term
Long
Term
Short
Term
Aaa P-1 AAA A-1+ AAA F1+ AAA R-1 (high) Prime (Triple A) Beste Perspektive. Das Verlustrisiko ist sehr gering
Aa1 AA+ AA+ AAhigh R-1 (middle) High grade Gute Partieanlage, wenn auch leichtes Verlustrisiko
Aa2 AA AA AA
Aa3 AA- AA- AAlow
A1 A+ A-1 A+ F1 Ahigh R-1 (low) Upper Medium grade Sichere Partieanlage, falls keine unvorhergesehenen Ereignisse den Verlauf  beeinträchtigen
A2 A A A
A3 P-2 A- A-2 A- F2 Alow R-2 (high)
Baa1 BBB+ BBB+ BBBhigh R-2 (middle) Lower Medium grade Durchschnittlich gute Partieanlage. Bei unerwarteten Ereignissen ist aber mit Problemen zu rechnen
Baa2 P-3 BBB A-3 BBB F3 BBB R-2 (low)
Baa3 BBB- BBB- BBBlow R-3
Ba1 Not Prime BB+ B BB+ B BBhigh R-4 Speculative Spekulative Partieanlage. Bei Rechenfehlern ist mit Ausfällen zu rechnen
Ba2 BB BB BB
Ba3 BB- BB- BBlow
B1 B+ B+ Bhigh R-5 Highly Speculative Hochspekulative Partieanlage. In Zeitnot sind Ausfälle wahrscheinlich
B2 B B B
B3 B- B- Blow
Caa1 CCC+ C CCC C CCC D Substantial risks Nur bei günstiger Entwicklung kann mit Gewinnen gerechnet werden.
Caa2 CCC CC Extremely speculative
Caa3 CCC- C In default with little
prospect for recovery
Hohe Verlustwahrscheinlichkeit bei stärkeren Gegnern.
Ca CC
C
C D / DDD / D / Patzer Patzer


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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