Das neue FIDE-Ratingsystem
Die auf dem FIDE-Kongress in Krakau diskutierte Einführung neuer Ratingsystem wurde
bei der Sitzung des FIDE-Präsidiums im letzten Februar bestätigt und tritt nun mit
Wirkung vom 1. April in Kraft. Letztmalig wird zu diesem Zeitpunkt noch
eine traditionelle Ratingliste veröffentlicht. Gleichzeit erscheint erstmals
aber auch parallel die Liste in neuer Form.
Partner der FIDE ist die Mitte des
Jahres gegründete OPTO (Organisation of Professional Tournament Organizers), die die Aufgaben der
Bewertung operativ wahrnehmen wird. Inzwischen hat "Standard and Spirit", so der
Name der Agentur, ihren Betrieb aufgenommen und bereits einen ersten Bericht
veröffentlicht. OPTO ist eines der Unternehmen, die der US-amerikanische Investor Andrew Paulson zusammen mit der FIDE gegründet hat.
Nach einer kurzen Übergangsphase sollen die neuen Zahlen die früher
üblichen Elozahlen im Bereich des professionellen Schachs (über 2500
Elo) vollständig ersetzten.
Leider konnten sich die Präsidien der FIDE und der ECU nicht auf
ein gemeinsames System einigen, die Unterschiede sind allerdings nur marginal. Wir stellen
hier beide Systeme vor, außerdem noch die neuen nationalen Ratingszahlen des
Schachbundes und die Fernschachzahlen, die ebenfalls etwas abweichend sind.
FIDE-Rating Commissioner Jeffrey Moodys und Willy Fitsch (NRW), Wertungsreferent des
Deutschen Schachbundes, erklären in Interviews die Vorteile des neuen Systems.
Die ACP sieht das neue Ratingsystem eher kritisch und hat angekündigt, zusammen
mit der "Rating Agency of Professional Sportsmen (RAPS) demnächst ein eigenes Rating
zu veröffentlichen.
Interview mit Ratingreferent Jeffrey Moodys
Warum musste denn ein neues Ratingsystem her?
Gerade wir Schachspieler müssen mit der Zeit gehen und uns an neue Gegebenheiten
anpassen. Schach ist ein altes, um nicht zu sagen, altmodisches Spiel. Da ist es
wichtig, dass wir mit modernen Methoden arbeiten, um nicht den ganzen Verband, bzw. die ganze Schachwelt,
altbacken aussehen zu lassen. Das ist auch bei der Suche nach Sponsoren wichtig.
Aber die alten Zahlen haben doch gut funktioniert.
Nicht wirklich. Die alte vierstellige Elozahl - vergessen Sie nicht, das System
stammt aus den 1960er Jahren, ist also uralt - suggeriert eine Genauigkeit, die
es ja in Wirklichkeit überhaupt nicht gibt. Meinen Sie denn, es gäbe einen
Unterschied zwischen, sagen wir 2780 und 2800? Nein. Die Spieler sind praktisch gleich gut. Das kommt im neuen System viel besser zum Ausdruck.
Das neue System arbeitet mit Buchstaben...
Im Prinzip ja. Das Problem ist doch auch gewesen, dass das alte Elosystem von
niemandem anderem als Schachspielern verstanden wurde. Schauen Sie sich doch mal die Eloformel an.
Das begreift doch niemand! Es gibt ja gute Gründe, warum sonst
keiner mit so einem komplizierten System arbeitet. Das neue System ist hingegen
auch in anderen Bereichen weit verbreitet.
Offenbar war die Finanzwirtschaft Vorbild...
Ganz genau. Wir können deshalb davon ausgehen, dass dieses Bewertungssystem das
beste der Welt ist. Schließlich würde die Finanzwirtschaft ja nicht mit
ungenauen Methoden arbeiten.
Wie werden die Zahlen ermittelt?
Es gibt eine Expertenkommission, die natürlich auch maschinell unterstützt wird. Sie
schauen sich die Partien und Ergebnisse an und legen die Bewertungen anhand transparenter
Vorgaben fest. Sehen Sie einmal folgendes Beispiel: Jemand hat immer nur Glück
in seinen Partien, oder jedenfalls sehr viel. Dann hätte er früher eine gute Elozahl bekommen - dabei ist klar, dass sein Glück nicht ewig dauern wird und er
in der nächsten Liste abstürzt. Mit dem neuen System wird das schon gleich
erkannt und der Spiele bekommt einen Risikofaktor, also in der Spitze dann eben Aab statt Aaa.
Stimmt es, dass der Anstoß zu dem neuen System aus dem Bereich der
Turnier-Organisatoren stammt?
Das ist richtig. Eine
Reihe von Organisatoren, auch viele Verbände, die ja ständig vor dem Problem
stehen, in welcher Höhe z.B. Nationalspieler zu entlohnen sind, haben sich zu einem lockeren Verbund
zusammengeschlossen, die OPTO (Organisation of Professional Tournament Organisators) und wünschte sich
ein marktgerechtes Bewertungssystem. Dem konnte sich die FIDE nicht
verschließen, wir sind ja letztlich von den Leistungen der Organisatoren und der
Sponsoren abhängig und nicht zuletzt sind gerade die Verbände unsere Mitglieder.
Wie schlägt sich das neue System denn bei den Amateuren zu Buche?
Amateure? Wie gesagt, es geht um eine bessere Bewertungen des Marktwertes
von Spielern. Da reden wir nur von Profis. Im Amateurbereich spielt das keine
Rolle. Da sind die Partien quasi wertlos, die Spieler benötigen kein Rating. Wer
eine Bewertung möchte, kann diese natürlich beantragen - ganz billig wird das aber
nicht sein. Eine Ratingzahl ist ja nichts anderes als ein Gutachten und sowas kostet überall auf der Welt
Geld. Wie das im Einzelnen aussehen wird, muss noch festgelegt werden. Wer sich
näher mit dem neuen System auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich übrigens
mein gerade erschienenes Buch: "The Rating of Chess Players".
Vielen Dank für das Gespräch!
Moodys: The Rating of Chessplayers, 32,50 Euro
Interview mit Willy Fitsch
Auch der Deutsche Schachbund ist auf das neue Ratingsystem umgestiegen. Wir
sprachen mit dem Ratingreferenten Willy Fitsch.
Der Deutsche Schachbund führt ebenfalls das neue von der FIDE festgelegte
Ratingsystem ein. Begrüßen Sie das?
Durchaus. Es gibt einige Vorteile, die man nicht von der Hand weisen kann. Wir
haben uns vorher lange in den Gremien und Ausschüssen beraten, ob wir das neue
System ebenfalls einführen wollen und und uns dann dafür entschieden.
Wie wird die Umsetzung durchgeführt?
Das geht natürlich nicht für den ganzen Bereich der Spieler, die im
Deutschen Schachbund organisiert sind, schon gar nicht von jetzt auf gleich. Wir haben
Übergangszeiten mit beiden Systemen, der alten DWZ-Zahl, die ja ähnlich wie die ELO-Zahl funktionieren, und dem neuen System, das sich an die Bewertungssystemen
aus anderen Bereichen anlehnt. Ob man Spieler in Ligen unterhalb der Bundesliga
überhaupt bewerten soll, ist noch in der Diskussion.
Wer nimmt die nationalen Bewertungen vor?
Der deutsche Schachbund liefert seine Einschätzungen an eine
Bewertungskommission. Natürlich gibt es auch weiterhin sogar mehrere
mathematische Modelle, die als Grundlage dienen. Aber es gibt ja auch intuitive
menschliche Faktoren der Bewertung, die man mathematisch gar nicht ausdrücken
kann. Hier wird der Schachbund mit seinem Experten, das sind vor allem die
Trainer, nicht zuletzt die Bundestrainer, mit Rat und Expertisen der Kommission
zur Seite stehen. Besonders die Paketbewertung ist von Interesse.
Paketbewertung... ?
Ja, ganze Mannschaften können ebenfalls bewertet werden. Intern arbeiten wir ja
schon länger mit dem neuen System, haben nur die Werte bisher nicht veröffentlicht. So
schnellte der Wert der deutschen Nationalmannschaft nach dem Gewinn der
Europameisterschaft weit nach oben. Dann gab es aber die etwas überflüssige
Diskussion danach und das Rating brach wieder zusammen. Schachbund und Bundestrainer
konnten mit ihren Expertisen gerade noch verhindern, dass die Mannschaft auf
"Ramsch" runtergestuft wurde.
Vielen Dank für die Erläuterungen!
Definitionen:
FIDE |
ECU |
Schachbund |
ICCF |
Englische
Bezeichnung |
Deutsche
Beschreibung |
Long
Term |
Short
Term |
Long
Term |
Short
Term |
Long
Term |
Short
Term |
Long
Term |
Short
Term |
Aaa |
P-1 |
AAA |
A-1+ |
AAA |
F1+ |
AAA |
R-1 (high) |
Prime (Triple
A) |
Beste
Perspektive. Das Verlustrisiko ist sehr gering |
Aa1 |
AA+ |
AA+ |
AAhigh |
R-1 (middle) |
High grade |
Gute Partieanlage, wenn auch leichtes Verlustrisiko |
Aa2 |
AA |
AA |
AA |
Aa3 |
AA- |
AA- |
AAlow |
A1 |
A+ |
A-1 |
A+ |
F1 |
Ahigh |
R-1 (low) |
Upper Medium grade |
Sichere Partieanlage, falls keine unvorhergesehenen Ereignisse den
Verlauf beeinträchtigen |
A2 |
A |
A |
A |
A3 |
P-2 |
A- |
A-2 |
A- |
F2 |
Alow |
R-2 (high) |
Baa1 |
BBB+ |
BBB+ |
BBBhigh |
R-2 (middle) |
Lower Medium grade |
Durchschnittlich gute Partieanlage. Bei unerwarteten Ereignissen ist
aber mit Problemen zu rechnen |
Baa2 |
P-3 |
BBB |
A-3 |
BBB |
F3 |
BBB |
R-2 (low) |
Baa3 |
BBB- |
BBB- |
BBBlow |
R-3 |
Ba1 |
Not Prime |
BB+ |
B |
BB+ |
B |
BBhigh |
R-4 |
Speculative |
Spekulative Partieanlage. Bei Rechenfehlern ist mit Ausfällen zu rechnen |
Ba2 |
BB |
BB |
BB |
Ba3 |
BB- |
BB- |
BBlow |
B1 |
B+ |
B+ |
Bhigh |
R-5 |
Highly Speculative |
Hochspekulative Partieanlage. In Zeitnot sind Ausfälle wahrscheinlich |
B2 |
B |
B |
B |
B3 |
B- |
B- |
Blow |
Caa1 |
CCC+ |
C |
CCC |
C |
CCC |
D |
Substantial
risks |
Nur bei günstiger Entwicklung kann mit Gewinnen gerechnet werden. |
Caa2 |
CCC |
CC |
Extremely
speculative |
Caa3 |
CCC- |
C |
In
default with little
prospect for recovery |
Hohe Verlustwahrscheinlichkeit bei stärkeren Gegnern. |
Ca |
CC |
C |
C |
D |
/ |
DDD |
/ |
D |
/ |
Patzer |
Patzer |